Die Sache mit den Sünden.

16.06.2011 Allgemein, Wir, Leben

Sünden, Todsünden, was auch immer. Wir rauchen, saufen, nehmen Drogen, haben Sex. Sind eifersüchtig, ab und an. Lügen und stopfen Süßkram in uns rein. Ein schlechtes Gewissen haben wir deshalb nicht. Denn wir sind jung. Und wer jung ist, muss leben. Fehler machen gehört dazu.

A war letztes Wochenende so voll, dass sie C auf den Schoß gekotzt hat. Aus der wird nie was, sie hat sich nicht unter Kontrolle, säuft wann immer ihr jemand den Gin reicht. B hat an jedem Finger einen Typen, meinetwegen auch drei oder vier. Miese Schlampe, wer weiß, vielleicht kriegt sie ja irgendwann Geld dafür. D ist ständig bekifft, redet von Weltfrieden – keine Ahnung, ob sie sich noch wäscht. Und E erst. Ganz nett anzusehen, wenn man auf Druffis steht. Verrenkt sich tagelang im Berghain, würde auf MDMA selbst der FDP ihre Liebe gestehen und rennt mit Augen durch die Welt, auf die jeder indonesische Koboldmaki neidisch wäre. Kein Wunder, dass über sie geredet wird. Schämen sollten sie sich. Alle.

Aufwachen, bitte. Da läuft was schief. So richtig. Nicht A,B,C,D und E machen was falsch, sondern ihr. Ihr, die ihr die Zeit dazu habt, oder die Langeweile, Urteile zu fällen. Schwächen anderer in den Vordergrund zu schieben, darauf rumzuhacken und Fehltritte auzuschlachten wie fettige Rinder. A war nicht nur voll, sondern rotzevoll, stink-besoffen, nennt es wie ihr wollt. Vielleicht hat sie ihr Diplom in der Tasche oder Hanswurst in flagranti erwischt, jedenfalls hat sie es verdammt noch mal verdient, sich so richtig weg zu ballern. B bummst sich durchs Leben, weil sie frei ist, kein Bock auf Herzschmerz hat. Weil sie tun und lassen kann, was sie will, weil sie niemandem gehört und keiner Menschenseele Rechenschaft schuldig ist, auch euch nicht. D ist bekifft, weil sie euch nicht erträgt. Vielleicht arbeitet sie von morgens bis abends oder lernt sich das Hirn in der Uni-Bib faulig. Während ihr euren scheiß Wein in euch reinkippt, dabei kichert und gluckst, raucht ihr Gras, ganz still und heimlich, geht dabei niemandem auf dem Sack. Ihre Freundin stopft sich derweil mit Jellybeans voll und dippt Schinkenwurst in Nutella, während sie Kette raucht – na und? Seid ihr jetzt was besseres? Weil ihr euch unter Kontrolle habt? Nein. Ihr verpasst das Leben.

Dann wär da noch E. Hat letzte Woche gefeiert und sich die Birne vernebelt, stundenlang getanzt und, stellt euch vor, sie hatte Spaß dabei. Hat nicht gepöbelt, nicht gekotzt, hat niemanden verprügelt. Sie war in ihrer eigenen kleinen Welt unterwegs, auf einer Reise irgendwo, hat ein bisschen Liebe gefühlt, keine Sorgen, das Wochenende mit rosa Elefanten verbracht. Morgen früh ist sie wieder fit, eingegliedert in die Gesellschaft sitzt sie da, und sie ist immer noch der gleiche Mensch wie Freitag – bloß, dass sie um eine Erfahrung reicher ist. Weil sie jung ist. Weil sie das darf.

Statt uns Gedanken über andere zu machen, über ihre Fehler und das was sie tun oder lassen, sollten wir lieber lernen loszulassen. Uns weniger drum scheren, wer was über uns denkt. Viel mehr genießen, weniger darauf bedacht sein, jedem zu gefallen. Macht, was ihr für richtig haltet, kostet aus, wonach euch ist. Aber lasst euch nicht in Schubladen sperren, werft sie selbst aus euren Köpfen. Alles könnte so viel liebevoller und angenehmer sein, wenn wir unsere Mitmenschen wertfreier behandeln und sehen würden. Du bist du und ich bin ich und A ist A und B ist B. Wenn alles bloß schwarz oder weiß wäre, dann würden wir irgendwann in einer dunkelgrauen Suppe ertrinken.

14 Kommentare

  1. Lena

    RICHTIG Gut!…ich hoffe ich durfte es teilweise klauen…ganz GROSS….bin grad sehr begeistert <3

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  2. Sask

    Super! Das Denken sollte generell mehr eingeschränkt werden. Man sollte viel öfter auf den Moment achten und auf das momentane Gefühl, als darüber nachzudenken, was alles falsch gelaufen ist oder was man wie hätte verhindern können. Hätte, wenn und aber… Pfui!

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  3. dschungeljoe

    Was ist’n das für ’ne beknackte Prämisse? Nur wer sündigt lebt? Wer diszipliniert ist verpasst das Leben? Dieser Artikel impliziert ja geradezu, dass nur, wer über die Stränge schlägt, auch Spass haben kann – was nicht nur sehr gewagt, sondern auch sehr falsch ist. Die Konklusion ist natürlich super. Allerdings in Anbetracht der Bewertung der „Kontrollierten“ zwei Absätze davor dann doch etwas scheinheilig.

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    1. Nike Artikelautorin

      lieber joe, das kann man natürlich auch genau so sehen wie du. wer blogs liest, muss mit subjektivität rechnen, deshalb akzeptiere ich deine meinung voll und ganz, und finds gut, dass du das mal in den raum wirfst – obwohl das auch ein klein bisschen am sinn des textes vorbei geht. es geht eben nicht darum, drogen zu nehmen. es geht darum, jeden sein leben so leben zu lassen, wie er es selbst für richtig hält – ohne ein urteil zu fällen. aber wenn wir grad mal bei der wahrheit sind: ja, ich denke, ein mensch, der 24 stunden am tag, sieben tage die woche, kontrolliert ist, verpasst was. loslassen ist nämlich verdammt schön. den kopf frei machen – aber zum glück geht das auch ohne alkohol und rosa elefanten.

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  4. Lisa

    Joe, du hast den Text nicht verstanden, glaube ich. Du hast schon recht, er ist provokant und vielleicht verherrlichend, aber ich denke der sinn, sollte jedem dennoch aufgehen. Guter Text!

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  5. dschungeljoe

    hihi, ich wollte nur besserwissen. 😉 ich lebe in grosser sünde und grossem loslassen und reite auf dem grossen rosa elefanten. die logische argumentation hat mich nur etwas stutzig gemacht – die menschen, die ich kenne, die dem ganzen konsum-monsun abgeschworen haben, sind tatsächlich im endeffekt die glücklichsten und erfülltesten menschen, die ich überhaupt und sowieso kenne. 🙂 oh und subjektivität hat nichts mit blogs sondern mit der realität zu tun. jeder hat seine eigene welt.

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  6. dschungeljoe

    oh und lisa, ich glaube, du hast MICH nicht verstanden. ich wollte nur sagen, dass schubladendenken in die andere richtung IMMERNOCH schubladendenken ist. 😉

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  7. Nike Artikelautorin

    große sünde macht manchmal eben groß spaß. genauso toll ist’s aber auch, straight edge zu sein. so hat eben jeder sein plätzchen auf der konsumskala, auf der er sich wohl fühlt. 🙂
    huch, und du hast mich ertappt – irgendwie. schubladendenken und so. ich muss eben auch noch ganz schön viel lernen, nech?!

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