Buch-Tipp: Miranda July – „No One Belongs here more than you“

29.06.2012 Allgemein, Buch

Nachdem ich meinen Sartre-Hunger nun vorerst gestillt habe und euch mit meiner Euphorie bezüglich dieses literarischen Superheldens schon zu Genüge auf den Wecker gegangen bin, begebe ich mich nun in den Sog von Miranda July. Dieses kulleräugige Multitalent schreibt in ihrem Kurzgeschichtenband „No one belongs here more than you“  (zu deutch“Zehn Wahrheiten„) über das echte Leben. Es ist bloß so, dass wir anfangs gar nicht begreifen können, dass das, was da passiert, wirklich jeden Tag passiert und nicht bloß in Mademoiselles Lockenkopf.

Weltfremde Protagonisten befördern sich in komischste Situationen und erzählen abstruse Geschichten. Irgendwann, nach den ersten 20 Seiten vielleicht, da dämmert uns plötzlich, dass all die Zeilen wohlmöglich überhaupt kein Ergebnis stundenlanger Tagträumereien sind, keine sorgfältig durchdachte Fiktion, sondern bloß das Tor in eine Welt, die genau so existiert – für Menschen wie Miranda July, für Menschen, die jedes noch so kleine Detail des Lebens bestaunen, die ihre kindliche Begeisterung für die Dinge niemals verloren haben und Gedankenwürste mit einem kleinen Hauch erwachsener Intelligenz garnieren.


Bild via.

“Das ist mein Problem im Leben, ich hetze durchs Leben, als sei jemand hinter mir her. Selbst bei Dingen, bei denen es gerade darum geht, sich Zeit zu lassen, zum Beispiel Beruhigungstee trinken. Wenn ich Beruhigungstee trinke, schlürfe ich ihn weg, als wäre es ein Wettstreit, wer am schnellsten Beruhigungstee trinken kann. Wenn ich mit anderen Leuten im Whirlpool sitze und zu den Sternen hochschaue, bin ich die Erste, die sagt: Ist das nicht schön hier?, desto eher kann man sagen: Puh, jetzt wird mir aber zu warm.”  Aus: Der Mann auf der Treppe

„Zwischendurch tauchen gewissen Trottel, Idioten und Arschlöcher auf und es sieht aus, als seien sie beim Schönheitschirutgen gewesen, ihre Gesichter sind von Liebe entstellt.“ Aus: Die Person

“Als ich gerade in die Wanne steigen wollte, hörte ich die Wohnungstür zufallen und erstarrte mitten in der Bewegung; sie war weg. So was machte sie manchmal. In den Situationen, in denen andere Paare stritten oder zusammensaßen, verließ sie mich. Ich wartete mit einem Bein in der Wanne auf ihre Rückkehr. Ich wartete unzumutbar lange, lang genug, um zu begreigreifen, dass sie heute Abend nicht mehr zurückkommen würde. Aber was, wenn ich es abwartete, wenn ich nackt hier stehen bliebe, bis sie zurückkam? Dann könnte ich genau in dem Augenblick, in dem sie zur Haustür hereinkäme, die Bewegung zu Ende bringen und mich ins mittlerweile kalte Wasser setzen.” Aus: Etwas, das nichts braucht

Unverschämt und zugleich poetisch schleudert uns July ihre Worte um die Ohren. Und wir hoffen, dass sie niemals damit aufhören wird.

Hier könnt ihr „Zehn Wahrheiten“ kaufen.

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