Leserfrage: Wieso, Weshalb Warum – Instagram?

02.08.2012 Allgemein

Unsere Leserinnen Annemarie und Anne haben ausgesprochen, was viele sich derzeit Fragen: Wozu ist Instagram eigentlich gut und und weshalb um alles in der Welt sollte man sich einem weiteren Netzwerk verpflichten; man hat doch so schon genug um die Ohren. Lange Zeit schwirrten mir selbige Fragezeichen im Kopf herum. Bis ich schließlich beitrat in den Zirkel der „Ständig-Alles-Teilenden“. 

Man kann die ganze Thematik erst einmal ganz nüchtern betrachten: Instagram ist, ebenso wie Facebook und Co, zum Marketing-Tool avanciert. Designer, Konzerne und Online-Shops nutzen die Schnappschuss-Maschine, um ihre Anhänger ständig auf dem Laufenden zu halten, um Hypes zu kreieren und uns das Wasser im Munde zusammen laufen zu lassen. Der Aspekt der Imagebildung ist zudem ein weiteres Argument für das pausenlose Füttern des Instagram-Feeds. Man kann hier  Stella McCartney als Beispiel anführen: Das Modeunternehmen schickte vermutlich ganz bewusst erste Aufnahmen der Gartenparty inklusive allerlei Eindrücke der kommenden Kollektion via Instagram in die Welt hinaus. Es dauerte keine fünf Minuten, da war bereits alles gebloggt worden. Als Betrachter genießt man hier das Gefühl, mittendrin zu sein. Teil des Spektakels. Clever.

Und auch wir Blogger, da brauchen wir uns nichts vormachen, sind inzwischen auf die Foto-Sharing-App angewiesen. Hat man während der Fashion Week das iPhone nicht im Anschlag, kann man sicher gehen, dass 90 Prozent der Anwesenden schneller sind mit ihrer Berichterstattung. Man kann uns quasi folgen, auf Schritt und Tritt. Entdecken, was wir entdecken, sehen, was andere vielleicht erst ein, zwei Tage später, auf dem Blog nämlich, zu Gesicht bekommen würden. Privatpersonen hingegen teilen ihr Leben mit ihren Freunden. Das funktioniert in bebilderter Form oftmals eben besser oder zumindest visuell ansprechender. Man bekommt mehr Feedback, weil ein Herzchen als Zeichen der Zustimmung innerhalb von Millisekunden angeklickt werden kann. Das ist zu vergleichen mit Magazinen: Der Text wird leider häufiger gelesen, wenn die Bilder ansprechend sind. Ohne Bilder sinkt die entgegengebrachte Aufmerksamkeit deutlich ab. Und hier lauert auch schon die Gefahr, produziert von zwei Stichworten, die uns begleiten, seit Social Networks existieren: Voyeurismus und Selbstdarstellung – zusammen betrachtet der Nährboden alles Üblen. Aber auch des Guten.

 

Diese beiden gesellschaftlichen Phänomene der Jetztzeit verlangen im Prinzip nach einem gesonderten Text, deshalb halte ich es kurz: Wir, die Generation Internet, neigt dazu, sich ein Konstrukt aus Kommentaren, Bildern und Pinnwand-Einträgen aufzubauen, das am Ende als Spiegel des Charakters funktionieren soll. Jeder will dabei natürlich möglichst gut wegkommen. Gleiches gilt für die eigene Instagram-Fotogalerie. Aber hier lauert auch schon die Gefahr: Das nach Außen suggerierte entspricht eben doch nicht immer der Realität. Die eigene Selbstwahrnehmung läuft Gefahr, ins Utopische abzudriften.

Aber vor allem: Wir tendieren dazu, viel zu viel von uns preiszugeben. Privatsphäre nimmt man heute nicht mehr so wichtig. Ob das schlimm ist oder nicht, die Frage stellt sich quasi nicht. Jedenfalls schaffen die meisten von uns es, sich mit der Tatsache abzufinden, dass das heute eben so ist. Dass man anderen eben zeigt, was man zum Frühstück isst. Oder im fragwürdigsten Fall sogar, welchen Schlüpfer man denn für’s Dinner gewählt hat. Was wirklich schlimm ist: Wir wissen ganz genau, dass das auf Dauer nicht gut sein kann und trotzdem sind wir süchtig. Nach Bestätigung und News aus dem Leben anderer. Oder ist das alles viel harmloser, als manch einer behauptet, ist das die neue Normalität?

Ich selbst finde mich wieder in einem gigantischen Gedankenwust. In einer bunten Wolke aus einer heftigst appelierenden Vernuft, ein bisschen Hedonismus und der fatalen Mir-Doch-Egal-Einstellung. Denn auch ich gehöre zu all jenen, die täglich Bilder posten. Das Problem ist bloß: ich teile sie nicht ausschließlich mit Freunden. Das ist gefährlich und zwar sehr. Weil ich mit einem Bein irgendwie in der „Öffentlichkeit“ stehe, mit dem anderen aber ganz und gar nicht. Und es kommt nicht selten vor, dass ich mich frage: Ist das zu privat? Willst du das mit jedem teilen? Ganz oft landen Schnappschüsse im Bilderordner statt online. Wenn ich mit Freunden unterwegs bin zum Beispiel, achte ich streng darauf, nur jene abzulichten, die selbst in der medialen Welt unterwegs sind. Und nicht einmal die will man ständig mit dem iphone neven. Es geht also primär um mich. Und die Landschaft. Oder Kleidung. Ein einziger Ego-Trip? Schon. Alle Heuchlerei bringt ja doch nichts. Es gibt keine andere Erklärung. Auch andersrum ist die Wahrheit ernüchternd: Weshalb folgt man gewissen Personen? Weil man wissen will, was sie sonst noch treiben.

Irgendwann ist Instagram tatsächlich wichtig für mich geworden. Erschreckend, durchaus. Zum kleinen Helfer quasi, selbst wenn ich mir das nur einbilden sollte. Es ist nämlich so: Wer diesen Blog liest, der meint natürlich, dich ein wenig zu kennen. Teilweise ist das ja auch so. Bloß dann, dann wird man das Gefühl nicht los, in Schubladen gesteckt zu werden und man sehnt sich danach, der Welt da draußen zeigen zu können, wer man wirklich ist, oder eher: Was noch so im Kopf rumschwirrt, was bewegt oder eben auch nicht. Plötzlich fotografiert man Plattencover um der Welt zu zeigen: Hallo, hier, ich hab nicht nur Mode im Kopf, ich mag auch Musik, wirklich! Das Problem ist nur, dass es kein Ende nimmt. Denn sobald das Bild online ist, denkt man doch wieder, man hätte ja noch so viel zu erzählen. Dass man mal eine Band hatte und nicht nur Platten kauft, weil’s cool ist. Doch das erfährt niemand. Man baut also schon wieder nur an einem unwirklichen Konstrukt, wenn auch nicht bewusst. Und läuft Gefahr, dass sich beim fremden Betrachter ein weiteres falsches Bild zur eigenen Person im Kopf manifestiert. Man muss also ziemlich vorsichtig sein, mit dem was man teilt. Oder eben einfach tun und lassen, wonach das Gemüt gerade verlangt, ganz ungeachtet dessen, was werauchimmer davon halten könnte.

Das klingt jetzt alles äußerst abschreckend, ist es aber nicht. Denn auch hier gilt: Instagram ist, was du selbst draus machst. Im besten Fall ein digitales Poesiealbum oder schlicht und ergreifend eine praktische Alternative zur schweren Kamera. 

TAGS:

14 Kommentare

  1. Jessi

    du hast da sehr gut auf die zweiseitigkeit des ganzen bezug genommen. und solang der umgang mit derartigen medien für dich selbst überschaubar bleibt und du (ganz offenbar) in der lage bist das ganze zu durchdenken anstatt blind drauf los zu fotografieren ist auch alles im rahmen. ich zum beispiel folge euch beiden auf instagramm , kenne euch nicht persönlich, doch besagter voyeurist in mir freut sich wenn es bei euch neues zu sehen gibt, weil ihr mir einfach sehr sympatisch seid. und du hast recht: je mehr mediale vernetzung (vor allem durch fotos) umso größer die popularität – die als blogger wohl einfach nicht zu unterschätzen ist

    Antworten
  2. Frank van Dinther

    Leider nicht ganz uneigennützig für den Vertreiber, da einerseits vollständiger Zugriff auf ALLE Inhalte des Smartphones (Adressen, Emails inklusive Inhalt) zur Nutzung notwendig sind, diese ausgewertet und zu Marketingzwecken benutzt werden; unfreiwillig auch alle Personen aus dem Adressbuch künftig verspamt und gescannt werden, andererseits man jegliche Verwertungsrechte an seinen Bildern verliert. Mal die Nutzerbedingungen lesen. Umsonst ist nix, siehe Google+ u. Facebook. Ist daß dann noch ein guter Deal?
    Frank

    Antworten
  3. Camilla

    I’m that good at german, but great post. I understand what you write – but can’t reply in German. Sorry.

    Is the golden-thing at the last picture a trashbin, lamp or?!

    Antworten
  4. Mademoiselle

    Grandioser Text. Besser hätte ich es nicht in Worte fassen können. Viele sträuben sich ja dagegen und tuen Instagram als Hipster-Quatsch ab, aber ich denke, da steht uns noch Großes bevor. Nicht umsonst hat Facebook Instagram gekauft… Ich jedenfalls mag es und bin jetzt schon Instagram-süchtig.

    Antworten
  5. Annemarie

    Erstmal vielen Dank für die Erklärung! Wenn ich das richtig verstehe, ist der „Nutzwert“ bzw. Alleinstellungsmerkmal gegenüber einem Blog oder Facebook dann wohl die Schnelligkeit/Spontanität, mit der die Bilder hochgestellt werden. Nun gut. Das was Frank da jedoch schreibt, hört sich aber doch recht besorgniserregend/gruselig an.

    Antworten
  6. Pierrette

    Bist Du nicht ein Teil von dem was Du Marketingmaschine nennst? Ich bin total verwirrt. Du schreibst doch vor allem über Marken, Produkte, stellst Kampagnen vor. Ist das nicht eigentlich alles PR, oder etwa doch? Damit verdienst Du im Blog doch Dein Geld. Was ist wirklich echt, für welche Worte und Bilder wurde bezahlt, das vernebelt mir grad total den Kopf. Was sagt ihr denn dazu?

    Antworten
  7. Nike Jane Artikelautorin

    Huhu Pierrette,
    eine berechtigte Frage! Na klar, ich bin auch irgendwie Teil des Ganzen, aber das Gute ist, dass ich selbst entscheiden kann, was ich in die Welt hinaus posaunen will und was nicht. Wenn ich einen Pulli einer Marke toll finde, dann kann ich den natürlich „instagramen“, Geld bekomme ich dafür allerdings nicht, auch wenn es irgendwie Werbung ist. Wir wollen hier ja teilen, was uns gefällt, oder eben, was uns gegen den Strich geht.
    Damit ihr immer genau wisst, was Sache ist, sind bezahlte Beiträge mit „SPONSORED“ markiert. Das sind nicht viele, weil wir eben sehr gut selektieren müssen. Wir nehmen nur Aufträge an, wenn wir wirklich selbst „Fans“ sind. Ohne Authentizität funktioniert hier nämlich gar nichts, das vergessen leider viele.
    Ja, wenn man darauf nicht achten würde, dann könnte man sich sogar eine goldene Nase verdienen – aber ob man Jane Wayne dann noch mögen würde? Das bezweifle ich.
    Die liebsten Grüße und danke für die konstruktive Frage!
    N.

    Antworten
  8. Tanja

    Oh, das ist ja spannend. Ich habe das „sponsored“ noch gar nie gesehen. Hätte ich auch gar nicht gedacht, dass Werbekunden für Beiträge bezahlen, die ihr schreibt. Ist ja verrückt diese Welt. Aber irgendwie logisch, irgend jemand MUSS euch ja bezahlen, für das was ihr macht. Sonst könnt ihr euch die tollen Sachen ja gar nicht kaufen, über die ihr schreibt. Oder bekommt ihr das etwa alles geschenkt?!

    Antworten
  9. Nike Jane Artikelautorin

    Liebe Tanja,
    das wär ja ein Träumchen! Wir bekommen natürlich nicht alles geschenkt, das wäre ja das Paradies.
    Manchmal kommt es aber vor, dass wir etwas als Dankeschön zugeschickt bekommen, oder wir uns etwas aussuchen dürfen. Für 95 Prozent der Kleidung müssen wir aber, wie jeder andere auch, Geld ausgeben.

    Und du hast schon ganz recht: Wenn wir nicht ein bisschen etwas mit Jane Wayne verdienen würden, dann könnten wir natürlich nicht so viel Zeit investieren. Und über so viele Dinge schreiben, für die es eben kein Budget gibt. Ein reiner Werbeblog wäre auch für uns die Hölle. Ich glaube, dann würde ich das Bloggen an den Nagel hängen, wenn ich plötzlich gezwungen wäre, über dies oder das zu berichten, bloß weil’s Geld gibt. Und genau deshalb, ist Jane Wayne zwar unser größtes Herzprojekt, aber nicht das einzige.

    Die liebsten Grüße!

    Antworten
  10. Billcost

    Finde ich nicht so gut! Meint man wirklich das es den anderen interessiert was ich oder ihr macht? Nimmt euch bitte nicht so wichtig weil das seit ihr wirklich nicht 😉

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr von

Related