Die Sache mit dem Freudenmädchen.

07.01.2013 Allgemein, Leben



Gutes Mädchen, böses Mädchen, Heilige und Hure, heute alles, morgen nichts. Wer gern küsst, aber Single ist, hat ein Problem. Der neigt zu temporärer Geisteskrankheit im Alkoholrausch, schreibt SMS, nach deren Absenden eigentlich nur noch ein Kopfschuss hilft und steckt seine Zunge in Männermünder, die im nüchternen Zustand tendenziell zugeklebt gehören. Egal, weshalb. Zu schöne Exemplare sollte man nicht küssen, weil am Ende immer einer weint, keine, die es richtig ernst meinen und Don‘t fuck the company. Keine Ahnung, wer dann noch übrig bleibt. Im Grunde ist das auch egal, denn gemeinhin gehören Singles eher zur Menschengruppe der schwer Erziehbaren und machen, was sie nicht dürfen, während sie lassen, was sie sollten. Alles Schlampen. Meine Freundinnen und ich.

Nach einer ewigen Beziehung und einer 2-jährigen konnte ich all meine Liebschaften noch an einer einzigen Hand abzählen. Innerhalb eines halben Jahres der Vogel- und Vögelfreiheit haben sich die Kerben in meinem Badezimmerregal in etwa verdreifacht. Ab und an finde ich Handynummern auf biergetränkten Kassenbons, Visitenkarten in Hosentaschen, Party-Sticker auf meiner Haustür und Kaffee Latte am Morgen danach, ich bin in Besitz eines Notizbuches, auf dessen Deckel „Lovers I had and liked“ steht, meine beste Freundin bekam zum Geburtstag einen selbstgemalten Stammbaum geschenkt, der bloß Jungsnamen und dazugehörige Eckdaten enthält. Ein Vertrauensbeweis, die Freude war groß. Sie könnte damit mein Leben ruinieren.

Alles in allem steht es also nicht gut um meinen Platz im Himmel. Und das, obwohl ich nichts weiter bin als einer dieser ätzenden Singles, die schlimmer sind als Nichtrauer, die mal Kettenraucher waren. In etwa zu vergleichen mit Futterneid. Kotze sammelt sich in meinen Wangenbeuteln, jedes Mal, wenn ein Pärchen meint, die U8 sei sowas wie ein Fangbecken der glückseligen Dauerhändchenhalter. Wenn Freundinnen absagen, weil Schatz Brechdurchfall hat und trotzdem Buchstabensuppe will. Wenn meine Oma fragt, wie es dem hübschen jungen Mann geht, der schon vor Monaten mit einem ungarischen Model durchgebrannt und inzwischen wohlmöglich beim Schnorcheln erstickt ist. Quaterlife-Crisis, auch wenn ich mir wünsche, es wäre die Menopause. Dann hätte sich vielleicht schon jemand erbarmt und mir einen Ring aus dem Kaugummiautomaten an den Finger gesteckt.. Heute bin ich so weit davon entfernt wie nie zuvor. „Freudenmädchen“ nennt selbige Oma die meinige Spezies gern. Und sie meint damit nicht etwa den Berufszweig. Sie ahnt nicht einmal, dass sie es in Wahrheit mit einer ganzen Generation Liebessuchender zu tun hat, die über einen einmaligen Geschlechtsakt nicht hinaus kommen. Im besten Fall wird eine Zehnerkarte draus. Fuck the pain away schreit Peaches, während ich mich frage, ob wir wirklich alle Schlampen sind.

Laut Definition habe ich keine Ahnung. „Zu viele Männer“, was soll das heißen? Bin ich jetzt eine Schlampe, weil ich in gefühlten zehn Jahren bloß zwei Männer nackt gesehen habe und dann ein bisschen durchgedreht bin? Ist A. eine Schlampe, weil sie sich zu jung fühlt für die Liebe und Männer erstmal ausprobiert, statt dem Verderben blind in die Arme zu rennen? Ist B. eine Schlampe, weil sie denkt, die große Liebe bereits gefunden und kurz danach verloren zu haben und sich seither lieber neue Männer statt Chips und Eiscreme ins Bett holt? Nein. Schlampen küssen vergebene Männer, Schlampen küssen vielleicht die Exfreunde ihrer besten Freundinnen, Schlampen haben kein Herz. Wir haben Herzen. Gigantische Herzen, komplizierte Herzen, Herzen, die auf ihre Reanimation warten. Koma bis der Richtige kommt. Bis dahin sind wir gute Mädchen bei Tag und böse bei Nacht.

//“die sache mit…“ texte sind keine tagebucheinträge, sondern freie texte ohne biographischen anspruch//

34 Kommentare

  1. maike

    liebe nike,

    ich will dir ja nicht zu nah treten. aber ist der eintrag nicht n ticken zu persönlich? ich freu mich ja wirklich für dich, dass du nach einer 2 jährigem beziehung mit einem typen den du wohl richtig gut fandest dich danach durchs berliner nachtleben gefickt hast und deine kerben in diversen bettpfosten verdreifachen konntest.
    ist doch schön.
    aber, ich weiss nicht ob das alle wissen sollten:
    „nike poppt sich durch berlin um ihren ex-boy zu vergessen! egal ob ihr so hässlich seid, dass eure münder zugeklebt gehören oder nicht: füllt sie ab und sie nimmt euch! und da sie auf der verzweifelten suche nach selbstbestätigung ist, sie aber nicht findet, sind alle pärchen in ihrer gegenwart grundsätzlich scheiße! achtung achtung! nike bricht nun männerherzen weil ihr herz gebrochen wurde! nachzulesen auf ihrem blog! aber nein, als schlampe will sie sich nicht bezeichnen lassen, nur als böses mädchen!“

    komm schon, das hast du doch gar nicht nötig. lösch ihn.

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  2. Bambi

    Guter Text.
    Ich hab diese Freiheit immer sehr zu schätzen gewusst und vermisse sie nun etwas –
    denn mir ist’s in diesem einbetoniertem „Wir-Zustand“ nicht immer ganz wohl.

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  3. Nike Jane Artikelautorin

    liebe maike,
    ich würde jetzt gerne einen screenshot anhängen. wegen leuten, die nicht genau hinsehen, ist es nämlich nötig, folgenden satz unter diese texte zu setzen und sie hier in den kommentaren immer wieder zu wiederholen:

    //”die sache mit…” texte sind keine tagebucheinträge, sondern freie texte ohne biographischen anspruch//

    ansonsten würde ich dir natürlich mehr als zustimmen. merciiii.

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  4. maike

    //”die sache mit…” texte sind keine tagebucheinträge, sondern freie texte ohne biographischen anspruch// -seh ich jetzt erst. glaub ich aber nicht wirklich

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  5. maike

    du hast hier 2,3 mal was vom wie langweilig das single da sein doch ist in texten untergebracht. daher kommt der text n bisschen autobiographisch rüber. aber gut zu wissen, dass du weisst wo auch mal schluss mit schreiben ist.

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  6. spiegeleule

    danke. dafür einen kuss mit zunge in deinen rachen. oder auch omamäßig mit spucke auf die stirn. der text macht einen strich unter diese penetranten gedanken-knäuel in meinem kopf. das neue jahr hat sich bei mir mit dem resumée des alten verklumpt und mit dem dauerchaos der ersten tage festgesetzt. eklig, ehrlich und endlos. du bringst das schön auf den punkt und wischst so manchen krempel vom küchentisch meiner gedanken. danke.
    allerdings stört mich dein griff zu diesem klischeeesquen „ring aus dem kaugummiautomaten“ der leider immernoch als blasse floskel durchs netz wabert und nur noch gruselig ist.

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  7. Franzi

    Das hatte ich auch. Nur ohne die ewige und die zweijährige Sache.

    Dann habe ich mir einen geschnappt. Und ihn einfach geheiratet, ganz, ganz spießig nach zwei Jahren. Jetzt – klar, es ist nach dem ersten Hochzeitstag zu früh, zu sagen, dass es ewig ist – haben sich all deine Gedanken, die ich vorher auch hatte, in Luft aufgelöst. Klar, denke ich manchmal, was wäre, wenn… Aber dann bin ich unglaublich froh, so spießig zu sein.

    Also: heiratet :).

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  8. LonelyHeart83

    Auch wenn der beigefügte ‚Disclaimer‘
    „texte sind keine tagebucheinträge, sondern freie texte ohne biographischen anspruch“
    den vorangegangenen Einwand von ‚maike‘ vermeintlich zubetoniert,
    muss ich ihr wohl dennoch 101% Recht geben. Das wird hier grade
    wirklich etwas zu carrie-bradshaw-esk.

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  9. tina

    „Sie ahnt nicht einmal, dass sie es in Wahrheit mit einer ganzen Generation Liebessuchender zu tun hat, die über einen einmaligen Geschlechtsakt nicht hinaus kommen“
    und ist das nicht grausam, dass das nicht Grund genug ist, es zu ändern – alle miteinander!!
    😉

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  10. calli

    ach herje,so ein guter text der den nagel einfach mal direkt auf den kopf trifft und was passiert? – er wird zerrissen mit langweiligen kommentaren wie: „zu privat,zu carrie-bradshaw-esk…blablabla“ -.- hatte ich doch gehofft, alice schwarzer hätte ihren job getan und unsere gedanken wären ein wenig progressiver geworden. aber nein,unsere köpfe sind verkorkst wie eh und je,schade!

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  11. miriam

    liebe nike,
    dass ist weder zu carry-aesk, noch zu persönlich. es ist schlicht gut geschrieben. und dazu muss man nicht mit karasek verwandt sein (mieeeeses buch).
    dass du damit polarisierst ist (liebe maike) doch viel eher als kompliment zu denken. allein, diesen oben beschriebenen umstand zu problematisieren statt ihn als sexual-ökonomisierung zu denken mag ein bisschen kurz gedacht zu sein. die haltung eines sozialkritikers schafft für abhilfe: was mehr denn eine konstruktion eines herrschenden system ist denn liebe? glück? nicht viel mehr denn ein leistungsprinzip mit drang zur normativen mitte liebe nike!
    open your mind.
    du bist gut.

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  12. Anders Dache Parnaso via Facebook

    naaaaja… xD also wirklich. ambitioniert, schön und gut. aber… aaah neeee ^^

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  13. Kathy

    Du bist so unendlich sympathisch. Ich liebe alles, was du schreibst, ich hoffe, irgendwann kriegst du diesen zündenden Geistesblitz für ein Buch, ich bin mir nämlich sicher, es würde großartig werden. <3

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  14. Kata

    Wieso, aber wieso nur, sehen die Leute nicht, dass Liebe und Sex zwei Unterschiedliche Dinge sind? Die zwar gut zusammenpassen können, aber nicht müssen? Die Leute, die Sex wollen, tun das einzig richtige, wenn sie ihn suchen. Die Liebe suchen, sollten aber nicht auf diese Weise suchen, sorry.

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