Musik: OK KID – „Mehr, Mehr“ (und der Soundtrack einer Generation?)

12.07.2013 Leben, Allgemein, Musik

Mehr, Mehr“ ist überhaupt nicht neu, sondern erschien bereits im April. Damals dachte ich schon „aua“. Weil der Text zum Track so richtig fies passt. Zu vielen von uns. Mal komplett, mal nur teilweise, aber ganz bestimmt immer ein bisschen. Gestern öffnete ich mein Facbook-Postfach und da lagen sie dann schon wieder, diese Zeilen von OK KID. „Ich stolpere immer wieder darüber, gerade eben erst zum dritten Mal in dieser Woche, und jedes mal trifft’s mich irgendwo im Magen. Sind wir denn wirklich so? Oh man„. Meine Freundin klang tatsächlich ein bisschen besorgt. „Ja geht es uns nur in Berlin so, geht es allen Großstädtern so, sind wir echt so hochnäsig, also insgeheim, und was ist mir dir, willst du wirklich immer mehr?“

Ich denke tatsächlich noch immer darüber nach. Es drückt ein bisschen im Magen, aber eigentlich geht es uns gut. Jede Generation hat schließlich ihr Laster zu tragen und eines unserer größten ist wohl die Unersättlichkeit. Solange wir noch darüber reden können, uns in Selbstreflektion üben, solange es uns noch peinlich berührt, wenn jemand die Karten mal ganz offen auf den Tisch legt, ist im Grunde doch alles ok. Eigentlich. Denn am Ende wollen wir trotzdem immer mehr. Von allem. Oder?

 

 

Wir ham ne Wohnung in New York,
gehen shoppen in Paris,
ham ein Kind in Göteborg und nen Koffer in Berlin.
Wir sind überall gewesen, können einiges erzählen.
Wir wissen alles besser, denn wir ham alles gesehen.
Ham ein Studium geschmissen,
ein neues angefangen.
Haben aufgehört zu kiffen und wieder angefangen.
Wir glauben an die Liebe,
ham mit 13 schon gefickt,
haben Spaß mit uns alleine,
hin und wieder auch zu dritt.
Haben virtuelle Freunde, sind überall vernetzt,
zwischen Käffchen und ner Kippe
ist noch Zeit für SMS.
Wir reden ohne Pause,
wir kommen nicht auf den Punkt,
verbringen Nächte auf den Straßen und das meistens ohne Grund.

Eigentlich, eigentlich, eigentlich
geht es uns gut, doch wir wollen
mehr, mehr, mehr, mehr.
Wir haben alles, was wir brauchen,
doch noch lange nicht genug,
wir wollen mehr, mehr, mehr, mehr!

Wir haben strahlend weiße Zähne,
sind sportlich gebaut,
ham ein Mädel für das Ego,
damit man noch an sich glaubt.

Wir sind immer up to date,
ham noch nie was verpasst,
haben alles ausprobiert,
doch es hat nie wirklich gepasst,
wir gucken hier, gucken da,
wir knutschen hier, knutschen da
und sind: elitär und politisch korrekt,
wir sind individuell und ham kein Bock auf den Rest.
Sind nach außen perfekt,
innerlich für’n Arsch,
wollen das Gefühl wieder haben, wie es früher mal war,
und wir feiern und wir feiern
und wir feiern uns selbst,
sind zu groß für unsere Stadt,
doch zu klein für die Welt.

Eigentlich, eigentlich, eigentlich
geht es uns gut, doch wir wollen
mehr, mehr, mehr, mehr.
Wir haben alles, was wir brauchen,
doch noch lange nicht genug,
wir wollen mehr, mehr, mehr, mehr!

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6 Kommentare

  1. Lea

    Ach Nike, ich saß gerade auf dem Fahrrad, habe dieses Lied gehört und tatsächlich darüber nachgedacht. Bei „haben alles ausprobiert, doch es hat nie wirklich gepasst, wir gucken hier, gucken da, wir knutschen hier, knutschen da“ zuckt es mich immer ein bisschen zusammen. Ich glaube, es hat ziemlich viel mit Berlin zu tun und manchmal habe ich fast Angst, dass die Stadt mich einfach verschluckt oder vielleicht meinen Sinn für echte Werte stiehlt. Aber ich glaube, es stimmt, was Du sagst: solange wir darüber nachdenken, ist es noch nicht so schlimm.. Danke für den Text <3

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  2. Carly

    Trifft bei mir auch nur teilweise zu und es spiegelt aber genau das wieder, was ich von unserer Generation denke. Zumindest Berlin scheint besonders mit dem „Mehr-Problem“ zu kämpfen…
    Der Text passt wie die Faust aufs Auge!

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  3. Tonja

    also ich kann mich jetzt auch eigentlich nicht wirklich mit dem text identifizieren, was vielleicht einfach mit meiner arbeit und erziehung zu tun hat…aber wenn ich dieses lied höre muss ich schon sehr an einige meiner freunde denken, die mit ihren fast 30jahren immer noch irgendwas hinterher laufen um mehr zu bekommen statt den moment zu genießen…
    ich mag eure texte, sie regen wirklich zum nachdenken an. danke dafür 🙂

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  4. Ann Kathrin Kubitz

    Ich komme aus Gießen und fühl mich leicht ertappt, also ist das wohl ein Generationenproblem und kein Berliner-Seelenverfall.

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  5. Laura

    Meine persönliche Meinung: man muss aufhören sich mit dem „Bewusstsein“ des Problems zufrieden zu geben. Denn was bringt es letzendlich, wenn ich weiss, dass ein Problem im Raum steht, ja das ist ein erster Schritt, aber noch lange nicht der Beweis, dass eigentlich alles gut ist und ja doch nicht so schlimm. Das fängt bei Bio- Fleisch an, hört aber im Grunde nirgendwo auf. Und dann muss man sich fragen, ist das Problem, dieses scheinbar kollektive Problem das wir alle mit uns herumschleppen nicht viel mehr ein Gefühl, dass mit uns etwas anders ist als mit Generationen vor uns, dass wir noch viel verlorener sind, ohne inneren Kompass und wir deswegen das „Bewusstsein“ nehmen müssen, um unsere Werte irgendwo verankert zu wissen, ohne Konsequenzen zu ziehen. Denn der konsequente Entschluss, verschliesst im Endeffekt wieder Türen und wir alle wollen doch ein Haus in dem ein Lüftchen durch offene Fenster und Türen weht und federleicht davon trägt auf zu neuen Abenteuern..

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