„Huch, du bist ja heute eine graue Maus!“. Mein Büro-Sitznachbar weiß, wie man Damen mit PMS begrüßt. „Ja, danke.“ Und als ich so an mir herunter schaute, fiel mir auf, dass ich tatsächlich niemals Grau trage. Höchstens mal ein T-Shirt, weil gerade nichts anderes sauber ist, oder eine Hose, die aber eher an eine graulila Aubergine erinnert, statt an das berühmte Mausgrau. Oder Taubengrau. Oder Staubgrau.
Warum auch immer: Ich hege offenbar eine natürliche Antipathie gegenüber der Zwischenfarbe „Grau“. Dabei bin ich regelmäßig ganz angetan von meinen schönen Freundinnen, die mit nichts als Jeans, grauem Shirt und knallroten Lippen bewaffnet ganz fabelhaft ausschauen und der Männerwelt den Kopf verdrehen. Woher rührt also meine Skepsis?
„Neutral und nüchtern spricht Grau zu uns von Nachdenklichkeit und Theorie, Technologie und sachlicher Überlegung. Grau ist die Farbe der Eleganz und vermittelt ein seriöses Auftreten. Ebenso ist die Farbe Grau unauffällig, angepasst und undurchsichtig.“
Na, wunderbar. Wer grau trägt, scheint klug, Technik-affin und seriös. Ich denke da an meinen alten Marketing-Dozenten, oder all die Politiker in ihren blassgrauen Roben. Undurchsichtig sind sie allemal. Ob ich mich damit identfizieren möchte, ist eine andere Frage. Unauffällig? Gern. Aber angepasst? Nein, danke. Ich bin so oder so nicht sicher, ob Farben bei Menschen so funktionieren wie Namen. Meistens passt man ja doch irgendwie zu dem, was da auf dem Ausweis steht. Aber bin ich grau im Sinne von grau, also buchstäblich, bloß weil ich graue Kleidung trage?
„Grau – sprich, die gesamte Palette zwischen Schwarz und Weiß – ist die klassische unbunte Farbe.“
Aha. Grau ist eine unbunte Farbe. Wer hätte das gedacht.
„Die Farbe Grau vermittelt Seriosität und Pünktlichkeit. Ordnung. Allerdings eben auch Langeweile, weshalb wir sie gerne mit anderen Farben kombinieren. Glücklicherweise ist Grau offen für jede Kombination.“
In meinem ganzen Leben habe ich noch etwas gedacht wie „aha, sie trägt grau, sie ist sicherlich pünktlich.“ Man spielt hier also offensichtliche auf die unterbewusste Wirkung von Farbe an. Wie aber suggeriere ich meinem Gegenüber nun, dass ich zwar zuverlässig bin, aber keineswegs langweilig. Tine Wittler würde nun sagen: Bring ein bisschen Schwung rein. Ich weiß wirklich nicht, ob ich Schwung mag.
- Die graue Eminenz steht im Hintergrund und zieht die Fäden
Eine graue Eminenz sein, das kann ich gut. Aber klingt eher nach grauen Herren, die fieses im Schilde führen. Auch nicht erstrebenswert.
- Die graue Maus ist unscheinbar und wird oft übersehen
Ja. Aber graue Mäuse sind manchmal wie stille Wasser.
- Der graue Alltag ist langweilig und öde
Oder regnerisch. #stadtcamouflage
- Grau ist die Farbe des Alters und der Weisheit
Kann man sich durchaus mit anfreunden, jedenfalls mit der Weisheit.
- Grau steht manchmal auch für Minderwertigkeit, denn schwarzes Gewand das zu oft gewaschen wurde wird grau, ebenso weiße Kleidung
Seht her, ich trage grau und fühle mich minderwertig! Die Frage lautet: Ist das so, weil ich grau trage, oder trage ich nur deshalb grau?
- Grau lässt sich mit allen Farben kombinieren
Erste Sahne. Endlich ein Pluspunkt.
„Grau verweist auf die Mischung von Licht und Finsternis, ist dem Toten verbunden.
Geister werden auf Kunstwerken oft in grau dargestellt, wohl weil sie sich in einem Zustand zwischen Leben(weiss) und Tod (schwarz) befinden.“
Das ist schön und schlecht zugleich. Ich möchte nicht wie ein Geist wirken, aber ein bisschen Zwischenzustand kann nicht schaden.
Und was mache ich jetzt mit den obigen Erkenntnissen? Schnell wieder vergessen. Denn während ich hier sitze und der Kopf vollgestopft ist mit Grau, habe ich ein bisschen in die unbunteste aller Farben verliebt. Vielleicht wird Grau sogar zu meiner Lieblingsfarbe. Weil sie mir immer noch so gut wie gar nichts sagt und mich quasi Gefühls-leer zurück lässt. Wie schrecklich angenehm zwischen all den vielen Reizen.
Quelle: avanova
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