Ist das noch nett oder schon Sexismus?

sexismus videoÜber die Sache mit dem Alltagssexismus haben wir uns hier erst kürzlich ein bisschen ausgelassen. Die aus dieser Diskussion gewonnenen Erkenntnis war allerdings keineswegs vorhersehbar, denn überraschenderweise stimmte nicht jede unserer Leserinnen in den „Kenn ich, ist voll kacke wenn einem hinterher gepfiffen wird und all die doofen Bagger-Sprüche nerven auch“-Tenor ein (es ging damals um Männer, die offenbar in dem Glauben sind, wir empfänden deren schmalzig bis bitteren Annäherungsversuche auf offener Straße tatsächlich als schmeichelnd). Der Haken an der Geschichte: Nicht jeder Frau wird hinterher geflötet, sobald sie alleine den Späti kreuzt. Verständlich also, dass sich manch einer ob der Sexismus-Vorwürfe fragte, was denn nun eigentlich so schlimm daran sei, wenn man von Fremden „Komplimente“ kassieren würde. Freuen sollten wir uns.

Ähnlich kontrovers fielen und fallen die Reaktionen auf das jüngst veröffentlichte Video von Shoshana Roberts aus. Mit dem zweiminütigen Clip, in dem dokumentiert wird, wie oft die 24-jährige Amerikanerin im Laufe eines ganz normalen Tags mitten in New York belästigt wird, landete sie nämlich nicht nur einen millionenfach angeklickten Youtube-Hit, nein, sie heimste sich außerdem über zehn Morddrohungen und tausende Hass-Kommentare ein.

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Die meisten der Männer, die sich beispielsweise auf Spiegel Online an der Diskussion beteiligt haben, verstanden das Problem erst gar nicht und äußerten sich mitunter wie folgt:

„Ich darf Frauen also keine Komplimente machen, seien sie noch so banal? Wow, ich dachte wir streben eine Gesellschaft der Gleichberechtigung und gemeinsamen Werte an.“

Sind also nicht die Männer und ihre Sprüche Schuld, sondern wir selbst, weil wir es ihnen nicht gleich tun?

„(…)Bezüglich des Typen, der hinter ihr her geht, würde ich von einer emanzipierten Frau erwarten, dass sie sich umdreht und dem Typen die Meinung geigt, und nicht das brave eingeschüchterte Mäuschen gibt. Ansonsten liegt das Problem m.E. eher in der Überempfindlichkeit, dass die Dame sich auch von normalen Blicken belästigt fühlt.“

Ähnlich abstruse Verteidigungsmaßnahmen hört man übrigens, wann immer es um sexuelle Belästigung geht: Mademoiselle hätte schließlich einen dezenteren Ausschnitt tragen können. Selbst Schuld, na klar.

„Sexismus? Machen wir das Leben zu einem Ort ohne Sex, gegenseitigem Begehren und Komplimenten. Willkommen in der Utopie der Geschlechtslosigkeit. Wunderbar. Oder einfach wieder den Stock aus dem A…. nehmen und ein bißchen entspannen.“

Pscht, Pscht. Tolle Brüste! Sexy Lady! Ich habe schon schönere Komplimente gehört, wirklich. Und  sexuell begehrt werden möchte ich, man mag es kaum glauben, nur von meinem Freund. 

„Normale Menschen wären froh, auch mal angesprochen zu werden…“

Angesprochen werden ≠ sinnlos angebaggert werden. Und was sind überhaupt „normale Menschen“?

„Wie geht’s, Hübsche?“, „Gott segne dich, Mami“, „Nett!““ Nein diese Barbaren! Hab mir das Video angeschaut und muss ganz ehrlich fragen: Ist das ein Scherz? Bis auf den Typen der 5 Minuten neben her läuft und den anderen der mit läuft und ein konsequnet auf sie einredet, war da ja wohl nix ach so schlimmes dabei.“

Nichts Schlimmes. Aber Nerviges, Unnötiges, Unangenehmes. 

„Als Mann werde ich niemals von einer Frau angesprochen. Ist doch auch diskriminierend, oder?“

Wenn man es genau nimmt: Ja. 

Was also ist das Fazit? Wo liegt der Unterschied zwischen einem Kompliment und einer Pöbelei? In manchen Fällen lässt sich diese Frage vielleicht nur mit der sozialen Herkunft des Absenders beantworten, oder? Der gut aussehende Charmeur im Blumenladen würde wohl viel seltener als unangenehmer Rüpel empfunden werden als der Jogginghosenträger vor dem Spätkauf.

Wer also hat nun Recht? Wir, die Frauen, die sich beschweren? Oder sind vielleicht sogar die Männer die wahren Opfer, weil man ihre Freundlichkeit verkennt? Ich glaube nicht. Denn an einem höflichen und aufrichtig gemeinten Kompliment hat sich zumindest in meinem eigenen Freundinnenkreis noch niemand gestört. An etlichen unangebrachten Herabwürdigungen im Deckmantel seltsamer Pseudo-Komplimente allerdings schon.

(Info: Hinter dem Film steckt außerdem die Organisation „Hollaback“, deren Ziel es ist, auf Alltagssexismus aufmerksam zu machen und ihn gleichzeitig zu bekämpfen.)

Danke für den Themen-Vorschlag, liebe Mila! 

62 Kommentare

  1. V.

    Wenn ich mir die Kommentare bei SpiegelOnline so durchlese, wird klar, es besteht Sensibilisierungsbedarf.
    OK, sie sagen nichts obviously sexistisches, aber die Last der Menge ist schon erschreckend, das sollte man sich mal bewusst werden.
    Die Frau lädt auch offensichtlich nicht zum Gespräch ein, und doch fühlen sich viele dazu veranlasst, Kommentare abzugeben.
    Nun sagen wir mal sie reagiert drauf, weil es ist ja nur ein freundliches Good morning. Was käme dann als nächstes?
    Vielleicht läuft er dann gleich mal fünf Minuten lang mit ihr mit, um noch mehr Reaktionen aus ihr rauszukitzeln. Soll doch nur ein harmloses Gespräch sein.
    Männer sollte auch mal klar werden, dass sie auf Frauen sehr bedrohlich wirken können.
    Ich finde es jedenfalls erschreckend, wie die meisten ü be r h au pt nichts dran finden und sich darüber empören, jetzt nicht einmal mehr unsolicited Kommentare abgeben zu dürfen, wenn eine Frau auch nur vorbeirennt.

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  2. Valerie

    Und dann immer dieses Pseudo-Gleichberechtigungsgequatsche, wenn ich das schon höre! Wir sollten uns alle mal zusammen tun und den Männern den Tag mit „Komplimenten“ versüßen – dann wäre dieser absurde Vergleich vermutlich bald vorbei.

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  3. Mila

    Warum zum Teufel sollte sich frau darüber freuen, wenn sie von irgendwelchen Typen von der Seite angelabert wird, aufgefordert wird mehr zu lächeln (!) oder gefragt wird, warum sie nicht mit einem ein bisschen quatschen will??? I don’t get it!! Mir würde im Traum nicht einfallen, auf einen Mann zuzumarschieren und zu sagen: „Yo, komm lächle mal mehr.“ Nee.
    Ich empfinde so was auch nicht als Kompliment. Es ist lästig. Es nervt. Und es ist bedrohlich. Und wenn man als Frau dann eine klare Ansage macht, wird man noch als Zicke beschimpft. Ätzend.
    Ich bin von Natur aus rothaarig und habe mir in meinem Leben deswegen schon einige sexistische Sprüche anhören dürfen und selbst als ich mich über „Rote Haare, höhö, rostiges Dach, feuchter Keller …“ Wink, wink nicht gefreut habe (komisch, wa?), wurde ich als humorlose Kuh bezeichnet. Ich meine, geht’s noch??

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      1. Valerie

        kann man nicht oft genug sagen, außerdem kann mir niemand erzählen das a) jeder an einem Gespräch auch wirklich interessiert ist und b) diese Art von Komplimenten nicht als Provokation gedacht sind.
        Als ob irgendjemand der wirklich Interesse hat nicht andere Wege finden würde, als geiler Arsch!

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    1. Hannah

      Ohjaaa, liebe Mila – diese Sprüche kenn ich auch alle rauf und runter. Oder mal eben so auf offener Straße gefragt werden, ob man den auch „untenrum rothaarig“ sei… Wahnsinn, hab mich auch schon immer gefragt, was in den Hirnen dieser Hirnis vorgeht. Konnte sich mir bislang nicht erschließen…

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  4. Katja

    Ganz ehrlich: die Empörung über die „Zudringlichkeiten“ finde ich auch etwas hysterisch. Ich war schon oft in New York und bin jeweils tagelang allein herumgelaufen, unangenehme und fiese Zurufe bekommt man dort wie in Deutschland ein paar, viel wichtiger und umso schöner fand ich all die (netten, angenehmen, erfreulichen) Komplimente, die man bekommt. Wer sich bei „Hey Gorgeous!“ ängstlich und bedroht runterduckt, statt „Hey thank YOU Gorgeous!“ zurückzusagen und sich zu freuen, hat auch eher meine Verwunderung als mein Mitleid. Kommt vielleicht auch daher, dass ich in einem Land lebe (der Schweiz), in dem Frauen LECHZEN nach jeglicher Anerkennung, Flirt oder Kompliment im Alltag, die einem hier konsequent versagt wird – ein unendliches Lamento-Thema, das hier in von Foren bis (Frauen-)Freundeskreisen nonstop bejammert wird – „niiiiiemand guckt, niiiiiiiemand flirtet, niiiiiiiiiiiiemand sagt was nettes.“ Aber sobald Mann was sagt, wird dann die vernichtende Sexismuskeule rausgeholt und verachtend runtergeprügelt? Albern find ich das.

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    1. Anna

      Da kann ich dir überhaupt nicht zustimmen. Ich finde die Männer bringen sie in die Situation, dass sie permanent reagieren muss, um sich solche Vorwürfe wie deinen nicht einzufangen. Da es aber jedermanns/-fraus Recht sein sollte, unbelästigt eine Straße entlang zu gehen und nicht gezwungen zu sein, sich zu solchen Sprüchen zu verhalten, geht das Verhalten gar nicht und ich freue mich, dass jemand das mal so gut aufgezeichnet hat. Am krassesten im Film finde ich gar nicht mal den Typen, der fünf Minuten neben ihr geht (wobei hallo, das sie das durchgehalten hat…Respekt. Obwohl, ihr Freund ging ja direkt vor ihr..) sondern die Situation, in der dieser typ immer sagt „You’re not talking to me? You think I’m ugly?“ usw. Genauso dieselbe Situation habe ich mal in NYC erlebt und sie führt dazu, dass du plötzlich diejenige bist die unfreundlich wird, ohne dass du es eigentlich je sein wolltest, weil du dann vermeintlich jemandem gesagt hast, er sei hässlich.
      Street harassment scheint aber immer noch ein eher amerikanisches Problem zu sein, ich finde nicht, dass man das in Deutschland in diesem Maße erlebt.

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    2. sofie

      Nur weil dir das nicht in NY nicht passiert ist ,heißt es ja nicht dass es anderen Frauen nicht anders geht als dir. Siehe Video.sie wird das Video ja nicht ohne Grund gedreht haben , vermutlich passiert ihr das Tag für Tag. Männer können bedrohlich wirken und mir kann keiner erzählen dass ihr die meisten Männern aus reiner Nettigkeit was hinterhergerufen haben . Ein Kompliment zu bekommen ist was ganz tolles , keine Frage, aber hier geht es nicht um Komplimente sondern um Belästigung.

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    3. Tanja

      Naja das ‚Hey gorgeous‘ wirkt vielleicht an sich nicht bedrohlich, vor allem in NY wo einem auch Verkäuferinnen sowas mal sagen, aber in der Masse der Zurufe ist es eben einer von vielen. Vor allem quer über die Straße gebrüllt. War ja jetzt auch nicht der nette Kerl bei Starbucks, der einem jeden Morgen den Kaffee macht und das mit einem Augenzwinkern sagt. Oder der eine, der seit Wochen jeden Morgen mit einem an der Bushaltestelle wartet und mal freundlich grüßt oder ein paar Worte sagt.
      Genau das sind doch so die Alltagskomplimente die man sich in der Schweiz oder sonstwo wünscht. Oder beschweren sich deine Freundinnen weil sie auf der Langstrasse nicht von fiesen Typen angebaggert werden?

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      1. ira

        Würde sich diese Szene an der Langstrasse abspielen, würden die Freundinnen sich danach darüber auslassen, dass die bösen Ausländer doch so gar keinen Respekt vor Frauen haben.

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  5. anna-lisa

    Ich glaube die Reaktion einiger Männer auf dieses Video lässt sich einfach darauf zurückführen, dass die keine Ahnung haben, wie sich sowas anfühlt. Wir reden hier nicht von nett gemeinten Komplimenten, das ist klar und darüber muss man auch nicht diskutieren. Und so zu tun, als wäre das ganze freundlich gemeint, ist einfach nur dämlich und regelrecht bösartig. Die betreffenden belästigenden Männer wissen nämlich ganz genau, was sie tun, und sie tun es mit voller Absicht.
    Wer als Frau in bestimmten Straßen/Bezirken unterwegs ist, muss teilweise einfach zwangsläufig damit rechnen, dass sie alle hundert Meter belästigt wird. Ich spreche da aus eigener Erfahrung, und das ist etwas, was mich schon sehr lange extrem stört (für alle, die an Übertreibung glauben – ich sehe völlig durchschnittlich aus und kleide mich nicht aufreizend, flache Schuhe, Hose, Jacke – eigentlich möchte ich darauf aber gar nicht hinweisen, weil es in Diskussionen wie dieser keine Rolle zu spielen hat).
    Ich wohne in Berlin-Neukölln, ein kleines Beispiel von letzter Woche: freitags um 22 Uhr verlasse ich das Haus, nach fünfzig Metern laufe ich an einer Gruppe von fünf jungen Männern vorbei – alle rufen mir „Schlampe“ hinterher. Ich gehe rüber zur Bushaltestelle, setze mich hin, warte, ich bin allein. Innerhalb von zehn Minuten fahren drei Autos an mir vorbei, die mich anhupen, einer ruft „Hallooo!“ aus dem Auto. Nächster Tag, gegen Mittag, selbe Haltestelle, ich bin auf dem Weg zur Arbeit. Wieder hupen mich zwei Autos an. Ich nehme den Bus, steige aus, laufe ein Stück und ein Mann, der vor dem Spätkauf steht, bedenkt mich mit einem Geräusch, das man wohl sonst nur macht, wenn man Hühner anlocken will.
    Das Gefühl, das bei mir zurückbleibt: ich fühle mich entwürdigt und reduziert. Und an manchen Tagen hilft es eben auch nicht mehr, sich zu sagen, dass das alles nur Idioten sind.
    Und was kann man selbst dagegen tun? Eigentlich gar nichts, traurig aber wahr. Es gibt praktisch keine Reaktion, die diese Männer in die Schranken weist. Ignoriere ich so einen Mann, macht er einfach weiter, vielleicht nicht bei mir, aber bei der nächstbesten Frau, die ihm über den Weg läuft. Sage ich was, wird meine Reaktion ins lächerliche gezogen oder ich ernte den nächsten dummen/ekelhaften Kommentar.
    Leider scheint das einzige, was man meiner Meinung nach noch tun kann, um die Belästigungen möglichst gering zu halten, zu sein, peinlichst Blickkontakt zu vermeiden. Schön wäre es natürlich auch, wenn Außenstehende öfter den Mut hätten, was zu sagen – passiert aber kaum. Ich denke konsequent betrieben würde das aber schon sehr helfen.

    In den Kommentaren zum oben gezeigten Video habe ich übrigens auch öfter den Vorwurf des Rassismus gelesen, weil die Männer im Video zum größten Teil einen afro-amerikanischen Hintergrund haben.
    So einen Vorwurf finde ich schwierig, denn leider ist das keine verzerrte Darstellung. Ich kann nur für Neukölln sprechen, aber 95% der Männer, die mich hier von der Seite anquatschen, haben einen „Migrationshintergrund“, wie es heute so schön heißt. Das liegt aber meiner Meinung nach weniger an ihrer Herkunft oder Hautfarbe, sondern an der sozialen Schicht, der sie angehören.
    Wenn man es herunterbricht, ist das ganze also mal wieder vor allem eins: ein Bildungsproblem. Und genau deshalb finde ich es mehr als wichtig, dass solche Videos gezeigt werden und darüber gesprochen wird.

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    1. V.

      Wunderbarer, sehr starker Kommentar! Ich wünschte, du könntest ihn unter den Spiegel Online-Thread posten. Oder überall bitte!

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    2. Mila

      so bitter wie das ist, aber bei „ein Geräusch, das man wohl sonst nur macht, wenn man Hühner anlocken will“ musste ich echt lachen, weil’s genau die Sache trifft. Wie mit diesem blöden Pfeifen. Bin ich ein Hund, oder was? Und ja, ich finde es auch entwürdigend. Und dreist.

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    3. Anna

      Boah, okay, ich habe oben gerade geschrieben, dass ich das in Deutschland noch nicht so erlebt habe, aber Alter! …und dabei wohne ich in St. Pauli wo man es vielleicht wegen des Rotlichts und so weiter vermuten würde…

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      1. anna-lisa

        Ja, eben das meine ich – alles eine Frage der Gegend und ihres Bildungsniveaus. Frauen klagen diese Dinge ja nicht aus Langweile an oder weil sie Männer hassen, die passieren wirklich genau so!

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    4. Freya

      Auch wenn ich bei vielem zustimme, was du sagst, finde ich die Schlussfolgerung, es handle sich um ein Bildungsproblem, falsch und gefährlich. Ich gebe dir recht, dass die Art und Weise wie sich struktureller Sexismus äußert durch die Sozialisierung bestimmt wird. Es entspricht auch meiner Erfahrung, dass es vor allen Dingen junge Männer sind, die offensiv auf der Straße herabsetzen, die wohl auf lautes und aggressives Verhalten konditioniert sind. Aber die Ursache der alltäglichen Objektivierung und Herabsetzung der Frauen zum Anschauungsobjekt ist doch der strukturelle Sexismus – und der ist nun wirklich gesamtgesesllschaftlich und durch alle Bildungsschichten dominant. Es ist doch lediglich eine andere, nicht minder herabsetzende, beschissene sexistische Spielart, wenn Frauen durch Blicke oder abschätzige Handlungen oder mehr oder weniger subtile Kommentare von Akademikern herabgesetzt werden etc. Auch das ist mir während meiner Ausbildung durch den ggf. promovierten, weißen, biodeutschen Juristen häufig untergekommen. Oder meintest du mit „Bildungsproblem“ ein Aufklärungs-/Sensibilisierungsproblem?

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      1. anna-lisa

        Freya, Bildungsproblem schließt natürlich auch ein Aufklärungs-/Sensibilisierungsproblem in der ganz breiten Masse ein, genau wie du sagst! Ich hatte hier eher über meine subjektiven Erfahrungen in meinem Wohnbezirk gesprochen, weil sie deckungsgleich mit denen aus dem Video sind und ich auch den Rassismusvorwurf kommentieren wollte. Aber du hast natürlich völlig recht, Sexismus zieht sich durch alle (Bildungs-)schichten!

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      2. ira

        Ich muss dir hier auch zustimmen. Dieser offensive Sexismus mit plumpen auf der Strasse hinterherpfeifen ist vielleicht ein Phänomen, dass sich in einer bestimmten sozialen Schicht zeigt und am Unangenehmsten auffällt. Meiner Meinung nach verschleiert dieser aber den strukturellen Sexismus auf eine bestimmte Art und Weise. Denn im Grunde genommen ist der Sexismus, der nicht so offensiv daher kommt, in den Vorstandsetagen, in den Universitäten, in den Teppichetagen viel relevanter und einflussreicher für die gesamtgesellschaftliche Situation der Frau, er ist aber nicht so leicht greifbar wie ein dummer Spruch auf der Strasse. Und es gibt nicht nur eine herabwürdigende Form von Sexismus, sondern auch eine wohlwollende. So kann auch ein vermeintliches Kompliment sexistisch sein, insbesondere dann, wenn es ausschliesslich auf das Aussehen der Frau abzielt oder aber wenn derartige Sprüche kommen wie „Die ist hübsch und hat ja sogar was im Kopf.“ Es hat eine Weile gedauert, bis mir solche Aussagen störend vorkamen, aber mit zunehmendem Alter finde ich diese Aussage annähernd so herabwürdigend wie wenn jemand sagt, Frauen seien für dies und jenes aus „natürlichen“ Gründen nicht geeignet. Solange Frauen immer noch primär nach ihrer Optik beurteilt werden (und das zeigte sich unter anderem in der Diskussion um Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin, was man auch immer politisch von ihr halten mag) und Männer nach ihrer Leistung, solange eine Frau, die laut wird, als hysterisch gilt und der Mann als Typ, der weiss, was er will und seinen Willen durchsetzt, solange Frauen sich nicht entblöden ihr Gesicht für Statements à la „Ich bin keine Feministin, weil ich mir gerne die Tür aufhalten lasse“ in die Kamera halten, solange Männer bei Frauen oft aufgrund ihres sozialen Status und Wohlstands und nicht wegen ihres Charakters Erfolg haben, solange haben wir noch einen weiten Weg zu gehen.

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        1. Mila

          Kann ich jedes Wort genau so unterschreiben – und spiegelt auch meine Erfahrung wider (auch im Wissenschafts- und Bildungsbetrieb).
          Leider bin ich gerade zu groggy, um noch mehr dazu zu schreiben. Ist vielleicht auch gar nicht nötig. Wurde ja schon viel gesagt.

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        2. Anne

          Gott, ja, besser hätte ich es nicht sagen können. So etwas zu lesen tut unheimlich gut, nachdem man sich die SPON Kommentare angetan hat.

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          1. Gianna

            DANKE für die Schilderung aus Neukölln und die darunter stehenden Kommentare! Ihr trefft den Nagel auf den Kopf!

    5. sofie

      Gut zusammengefasst und beschrieben. ! Habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Wenn ich „angequatscht“ werde dann , wie du sagst, von Männern mit Migrationshintergrund. Damals in Dortmund und jetzt in Berlin. Die Sprüche haben nix mit Komplimenten zu tun, und ich bin schockiert wenn Frauen kommentieren man sollte sich doch freuen angesprochen zu werden.

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    6. Maxi

      Schon lange überlegt das mal aufzuschreiben, und du hast es getan! danke dafür! ich wohne auch in Kreuzberg und es geht mir oft so sehr an die Substanz diesen Mist zehnmal am Tag wegstecken zu müssen. Ab morgens früh die ersten die auf dem Weg zur Bahn schon mit „schschh Mädchen“ oder sowas anfangen, bis zum Obdachlosen der mich, weil ich nichts gebe als Nutte beschimft. Manchmal ist mir das zuviel und mir abends einfach zum weinen zumute. Vielleicht auch, weil ich das Gefühl habe, dass meine allerliebsten Jungs, meine Freunde, dieses Gefühl vielleicht nie verstehen werden. Denn ehrlich gesagt, ich bin offen und großstadtkind aber ich habe sehr sehr oft bei sowas einen Kloß im Hals oder abends richtiggehend: ANGST.

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  6. Judith

    mal wieder danke, nike!
    es gibt doch auch nette, unbedrohliche wege jemandem zu zeigen, dass man ihn toll findet (anlächeln, ganz normal ansprechen,…) blöde sprüche von der seite braucht nun wirklich keiner.

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  7. Veronika Dankbar

    ich finde es immer lustig,dass vor allem die männer heutzutage meinen :
    du bist emanzipiert – wehr dich wenn du es nicht willst und beschwer dich nicht nur.wenn nicht bist du selbst schuld oder du bist zu empfindlich oder du musst dich dauend beschweren aber machen tust du nicht.
    wenn man dagegen aber nicht in jeans und shirt rumläuft sondern mit minirock heels und ausschnitt (übertrieben formuliert) dann ist man erst recht schuld das man angemacht wird bzw angegeriffen wird.
    da frage ich mich.. liebe männer..wie frauen wir da bei dem thema was richtig machen können?
    Zunächstmal haben Frauen jedes Recht der Welt Nein zu sagen.Und wenn sie etwas als Belästigung empfinden dann sollte man es so stehen lassen.Ohne Diskusion.
    Weil jede Frau hat da ihre eigene Grenzen.Eine stört Blicke,die ander erst Anmache.
    So What? Nein ist Nein.
    WARUM muss man sich dann da als Frau rechtfertigen? WARUM großartig wehren,ein Zirkus auf der Straße veranstaltet wo doch klar sein sollte – keine Reaktion kein Interesse.
    Und WARUM meinen Männer man ist ja privat ne richtige Nutte,da soll man nicht so tun das man ne brave Maus ist und das einen stören würde,wenn man nen Blick bekommt?
    Ich weiß nicht so genau wann Männer da was falsch verstanden haben.Aber sie haben es gewaltig.
    Und unterm Strich ist es ja so..
    Wir Frauen sind ja an allem selbst Schuld.Egal was sie machen.

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  8. Franzi

    Ich glaube, der Unterschied ist gar nicht so schwer zu erkennen, sondern viel schwerer zu erklären. Wirklich verdammt schwer. Für mich als Frau und auch für die meisten Frauen, die ich kenne, ist ganz klar, was ein Kompliment oder ein netter Annäherungsversuch ist und was Belästigung. Bei ersterem reagiere ich geschmeichelt, bei zweiterem bekomme ich Herzklopfen vor Wut, fühle mich definitiv nicht gut und möchte dem Absender gerne vor die Füße kotzen. Emotional ist da ein ganz klarer Unterschied.
    Wer auf der Straße einer unbekannten Frau „sexy lady“ oder ähnliches hinterherruft ist KEIN Charmeur und das ist KEIN Kompliment. Es zeigt eher, dass dieser Mensch der Meinung ist, Frauen laufen auf der Straße rum, damit er seine Kommentare dazu abgeben kann. Dass er in der Position ist, zu beurteilen, was sexy ist und was nicht. Es macht, dass Frauen sich fühlen wie in einer Parade, in der es darum geht, möglichst viele Pfiffe zu sammeln. Und ja, es stimmt, dass das nicht allen Frauen passiert, aber jede_r von uns weiß, wie es sich anfühlt respektlos behandelt zu werden. Und haben wir nicht alle schon Kommentare und Beurteilungen zu unserem Äußeren gehört, bei denen wir uns nur gefragt haben, ob wir eigentlich auf der Stirn stehen haben: Bitte sagt mir jederzeit eure Meinung zu meinem Körper, meiner Frisur, meiner Kleidung und was euch sonst noch so an mir auffällt? Egal, ob positiv oder negativ, ob es in die sexy-Richtung geht oder nicht.
    Last but not least: Sexuelle Belästigung wird von Männern JEGLICHER sozialer Herkunft ausgeübt. Klar, vielleicht nicht immer auf die gleiche Art, aber es läuft auf das gleiche hinaus, nämlich Respektlosigkeit.

    Laci Green hat zu dem Thema immer ein paar schlaue Worte übrig („Where the fuck did you learn to compliment?!?“) und vor allem hat sie ein paar sehr lustige Tipps, wie wir doch mal darauf reagieren könnten:
    https://www.youtube.com/watch?v=peBddZQbWYk

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    1. Pi

      danke für’s vorstellen von laci green – die frau ist ja ne wucht!

      und auch ansonsten find ich diesen kommentar ganz wundervoll, denn er setzt sich mMn mit dem kernproblem auseinander, das auch schon bei der letzten „cat calling“ diskussion bei den janes von den tollen kommentatorinnen dieses blogs herausgeschält wurde:
      nicht nur für frauen, die wegen ihres attraktiven aussehens in irgendeiner form mit innuendos bedacht, sexuell belästigt, bedrängt oder in eine schublade geschoben werden, ist diese fixierung und reduktion auf das weibliche erscheinungsbild ein problem, eine bedrohung und eine herabsetzung ihrer würde als mensch.
      es ist auch problematisch für frauen, die nicht den standard schönheitsidealen entsprechen und dadurch missachtet, nicht für voll genommen oder schlechter behandelt werden

      es ist leider noch immer so, dass frauen – viel stärker als männer – objektifiziert und nach ihrem äußeren bewertet werden (sehr rührend veranschaulicht durch dustin hoffmanns „epiphany“, als er für TOOTSIE in eine frau verwandelt, die welt aus den augen des anderen geschlechts erleben durfte: http://www.youtube.com/watch?v=xPAat-T1uhE ).

      das ist nach wie vor ein großes gesellschaftliches problem. natürlich springen wir alle genetisch bedingt auf attraktivität an. jedoch haben es männer bisher deutlich erfolgreicher geschafft, sich von einer reduktion aufs äußerliche zu emanzipieren. sie werden tendenziell eher als subjekt gesehen und als ganzer mensch beurteilt: eigenschaften wie intelligenz, schlagfertigkeit und humor, gutherzigkeit, durchsetzungsfähigkeit, etc fallen bei ihrer gesamtbeurteilung oft stärker ins gewicht als das bei frauen der fall ist.
      beim weiblichen geschlecht dagegen – auch bei erfolgreichen geschäftsfrauen, wissenschaftlerinnen und politikerinnen etc – wird immer wieder das aussehen thematisiert. und zwar von menschen, die überhaupt kein recht dazu haben, darüber zu urteilen. diese art der objektifizierung ist nicht okay.

      das heißt nicht, dass man sich seiner weiblichkeit und weiblichen sexualität nicht bewusst sein darf, bzw. diese nicht unterstreichen sollte, wenn einem grad danach ist und man sich damit wohlfühlt (z.B. durch die hier erwähnten skinny jeans oder roten lippenstift). männer dürfen das ja auch, ohne sich als freiwild zum abschuss freizugeben (knallenge hosen oder oben ohne am strand ;D).

      es muss mehr und mehr in den köpfen BEIDER GESCHLECHTER verankert werden, dass frauen keine objekte sind, die nur zum pläsier der männlichen bevölkerung auf dieser erde sind: wir alle sind ebenbürtig mit all unseren schwächen und stärken, und jeder sollte als vollwertiger mensch behandelt und wertgeschätzt zu werden.
      in diesem zuge müssen auch männer von den sich hartnäckig haltenden typischen geschlechtsstereotypen befreit werden (ich muss der starke kerl sein und die frauen ansprechen/aufreißen, ich muss das alphatier raushängen lassen und mir holen, was mir zusteht etc.).

      wenn das echte interesse am menschen bei einem kompliment oder annäherungsversuch durchscheint, fühlt sich auch niemand belästigt. die amis sind in der tat beim kennenlernen extrovertierter und großzügiger mit komplimenten, aber auch hier konnte ich immer deutlich spüren, ob etwas objektifizierend/respektlos entgegengeschleudert würde oder als authentischer eisbrecher zum erheitern des tages oder zum näheren kennenlernen gemeint war.

      Antworten
  9. nadine

    im umgang miteinander gibt es ganz klare grenzen, in denen es mir erlaubt ist, mein gegenüber auf einer persönlichen, intimen ebene anzusprechen, das hat mit nähe, verständnis und vertrauen zu tun. jeder muss das recht haben seine grenzen selbst zu bestimmen; ich darf meinen maßstab nicht einfach auf andere übertragen. im öffentlichen raum von wildfremden menschen angerufen, angemacht und mit persönlichen bemerkungen bedacht zu werden überschreitet diese grenzen ganz eindeutig. das hat auch nichts mit komplimenten zu tun. ob da jemand „hey gorgeous“ oder hey bitch“ ruft, macht in meinen augen keinen unterschied. komplimente macht man seinem gegenüber um diesem ein gutes gefühl zu vermitteln, ihn oder seinen geschmack wertzuschätzen oder die eigene freude über den anderen auszudrücken. es ist ein absolut positives kommunikationsmittel und nicht dazu gedacht, jemanden zu verunsichern, bloßzustellen, zu reduzieren, herauszufordern oder in die defensive zu drängen. einen fremden menschen, egal ob mann oder frau, auf diese weise anzusprechen, geschieht nicht damit dieser sich gut fühlt, sondern damit derjenige, der die kommentare abgibt, sich gutfühlt. es meint nicht den anderen sondern ist wahllos und damit auch rücksichtslos. es bedeutet machtdemonstration durch grenzüberschreitung und hat damit auch nichts harmloses. wer das verharmlost, hat als nächstes den satz „hab dich nicht so!“ auf der zunge, was bedeutet „deine grenzen sind mir egal“. wo das hinführt, erfahren frauen und männer täglich in psychischer, physischer und sexueller gewalt.
    jeder der das video sieht, überlegt sich wahrscheinlich wie er sich verhalten würde und wertet das im vergleich zum verhalten dieser frau. das ergebnis kann ganz unterschiedlich sein, wichtig ist nur, festzustellen, dass wir dort jemanden sehen, der sich nicht wohlfühlt, dessen grenzen überschritten sind. und das zu akzeptieren.

    Antworten
    1. anna

      ein sehr wichtiger kommentar, danke. ich wünschte die spiegel-kommentatoren würden das lesen (und verstehen)!

      Antworten
    2. Franzi

      „Machtdemonstration durch Grenzüberschreitung“ !!!!
      Wow, toll auf den Punkt gebracht! Danke für diesen Kommentar.

      Antworten
  10. Mila

    Erschreckend und beispielhaft sind doch aber auch die Kommentare der Männer (soweit das erkennbar ist) auf z.B. Spiegel online. Die Leser dort kommen überwiegend wohl eher nicht aus bildungsfernen Schichten, dennoch erkennt von denen kaum einer das Problem an der Sache oder es wird abgewiegelt oder die Frau ist selbst schuld, weil sie nicht selbstbewusst genug ist oder oder oder. Das sind vielleicht nicht Männer, die genau SO agieren, aber ihre Haltung ist dennoch klar und die äußert sich dann auch im Alltag Frauen gegenüber, eben nur ein bisschen anders.

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  11. Dawna

    Ich denke einer Gründe, warum deutsche Männer evtl. kommentiert haben, dass sie es nicht sooooo schlimm finden, liegt an der Sprache und den Sachen die gesagt wurden, die übersetzt etwas anders in einem Menschen auslösen, als wenn man als Amerikanerin solche „versteckten“ Pöbeleien hört. „Gott segne dich Mami“, – klingt tatsächlich nett in der deutschen Sprache, denn das wäre bei uns kein bekannter Spruch, sondern ganz einfach so gemeint…….

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  12. Lena

    Kommt ja auch noch dazu, dass man sich durch selbstbewusstes Entgegnen in so einer Situation auch noch in Gefahr begibt, körperlich angegriffen zu werden…mir zB passiert nachdem ich einem Typen, der mir angeboten hatte, noch „Ordentlich Mayo auf meine Fritten“ zu geben, die Meinung gegeigt habe. Resultat: Empörung hoch zehn und ein Busengrapscher. Toll. Und das war noch harmlos, denn es war nachmittags an der Bahnhaltestelle. Was wäre nachts passiert?

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  13. Tanja

    Ich glaube auch, dass viele Männer (die bei Spiegel etc kommentieren) sich einfach gaaaar nicht in die Situation der Frau versetzen können oder wollen. Die sagen dann, sie würden sich freuen wenn Frauen mal sowas machen würden – denken dann aber wahrscheinlich an die „heiße Blondine“ und nicht an Frauen die sie selbst als hässlich oder ungepflegt bezeichnen würden. Von letzteren wären Ihnen die „Komplimente“ höchstwahrscheinlich auch eher unangenehm.

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  14. Sandra

    Leider kenne ich den Inhalt des Videos zu gut aus eigener Erfahrung. Daher sieht meine Rüstung im Alltag so aus: Kopfhörer auf, Scheuklappenblick, immer schön auf einen imaginären Punkt vorn in die Ferne gucken, Musik an und Stechschritt los. Leider sehe ich dadurch auch Schönes im Alltag nicht oder erkenne oft auch Bekannte dadurch nicht auf der Straße, weil ich an ihnen vorbeirenne. Aber die Methode hat mir bereits viel Ärger erspart, denn auf dumme Kommentare von rechts und links muss ich so nicht reagieren, Ausrede: man hört ja nichts.

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  15. Anna

    Holla die Waldfee, hier geht es ja kommentartechnisch richtig ab – find‘ ich gut!

    Heute war ich am Hauptbahnhof unterwegs und plötzlich stellt sich mir ein junger Mann in den Weg und sagt völlig außer Atem: „Ich stand gerade in der Schlange beim Backwerk, aber als ich dich gesehen habe, musste ich dir einfach hinterher rennen und dir sagen, dass du mir sehr sympathisch bist!“

    Das ist mir in meinem Leben noch nie zuvor passiert. Es gibt einfach einen riesigen Unterschied zwischen höflichem Interesse oder einem nett gemeinten, beiläufigem Kompliment und plumper Anmache.
    Aber mal ganz im Ernst – die Männer, die auf Pfeifen und dumme Sprüche setzen, wissen genau, dass sie damit nichts bewirken. Ich bin der Meinung, dass das reine Provokation und Machtdemonstration ist.
    Meine Devise lautet in solchen Fällen: die Situation abschätzen und im besten Falle bloß nicht eingeschüchtert wegblicken, sondern selbstbewusst zurückglotzen.

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  16. Christin

    Wow!
    Die Kommentare hier sprechen mir größtenteils aus der Seele. Ich finde es ist ein Unding, dass man sich als Frau Gedanken darüber machen muss, wie man heute auf die Straße geht – zum Beispiel wenn man weiß, man wird abends mal alleine untwergs sein. Es sollte egal sein, ob man einen Rock, eine Jeans oder eine Burka trägt. Niemand hat das Recht, einem vorzuwerfen, man sei selbst Schuld, wenn man „angemacht“ wird.
    Weiterhin finde ich dieses Lockruf-Kultur bedauerlich. Tatsächlich fühlt man sich häufig als wär man Teil eines Balztanzes, den man nicht mittanzen möchte.
    Ich muss dazu sagen, ich lebe in Berlin und auf den schönen Straßen dieser Stadt kann man je nach Zeit, Ort und scheinbar auch Klamotte alles erleben. Ein wirklich freundlich gemeintes Kompliment, eine plumpe Anmache, ein paar schöne oder gaffende Blicke oder einfach gar nichts. Mir ist alles schon sehr oft passiert aber ich möchte gerne folgendes Beispiel vortragen.
    Ich glaube es war vor zwei Sommern als ich in der S-Bahn saß und mir gegenüber ein junger Mann in Jogginghose Platz nahm. Unentwegt starrte er mich seit dem an und grinste ab und zu etwas dämlich. Schon das ließ mich schaudern. Als ich dann endlich mal gecheckt hatte, was außerhalb seines Gesichtes abging, nämlich eine Hand, die bereits in seine Jogginghose gewandert war und eindeutige Bewegungen macht, war ich hingegen erstmal bewegungslos. Ich weiß bis heute nicht was die beste Reaktion gewesen wäre. Ich habe mich angewidert und hilfesuchend umgeschaut, bin aufgestanden, habe ihn nochmalangeschaut als wär er ein stinkendes Stück Hundescheiße in das ich grade getreten bin und bin in ein anderes Abteil geflüchtet.
    Solche und ähnliche Geschichten widerfahren mir und auch meinen Freundinnen regelmäßig und waren auch erst heute wieder Gesprächstheme. Es ist ein Alltagsthema. Und es macht uns immer wieder traurig und ratlos. Was sollen wir tun, damit es anders wird?
    Ich war bisher nur einmal in den USA, was ich sagen kann, ist, dass diese Art des „Komplimente machens“ dort wirklich ausgeprägter und handgreiflicher (ich wurde einige Male festgehalten) ist. Was ich daraus gelernt habe ist traurig: Kopf runter, Blick auf die Füße und schnell durch.

    Ich bin eine Frau, ich möchte die Kleidung tragen die mir gefällt. (Zumeist übrigens nichts was ich als „aufreizend“ bezeichnen würde) Ich möchte attraktiv sein, richtig. Aber kann die Konsequenz hierfür keine Andere sein?

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  17. jenny

    Als women of colour habe ich es schon unzählige Male erlebt,dass ich mir sexistische Belästigungen von vermutlich deutschen Männern (am Aussehen alleine kann man natürlich nicht die Herkunft erkennen) anhören durfte. Da gilt man dann als „rassig“ oder „exotisch“ und das sind noch die harmloseren Äußerungen! Die Problematik,die hier diskutiert wird,ist ein allgemeines Problem bei Männern und nicht an die Nationalität oder ähnliches gebunden. Ich musste solche Belästigungen von Männern mit und ohne Migrationshintergrund ertragen.

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    1. Marie

      Absolut wahr! Ich habe eine Freundin die in sagte mal: „Ich bin keine Bacardi Werbung, auch wenn ich Locken habe und ein rotes Kleid trage“. Frauen, die einem bestimmten vermeintlich „exotischeren“ Typ entsprechen müssen sich natürlich mit einer anderen Art von „Projektionsfläche-für-Fantasie-sein‘ herumschlagen. Wichtiger Kommentar,Jenny!

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      1. ira

        Finde ich auch ganz wichtig, deinen Kommentar. Man muss bei diesen Debatten sonst immer ein bisschen aufpassen, dass sie nicht in ein Migrantenbashing abdriften. Welcher Nationalität jemand ist, der sich scheisse verhält, ist mir prinzipiell egal – es handelt sich einfach um einen Menschen, der sich respektlos verhält und das ist inakzeptabel. Als ich mich einmal über die Sprüche, Geräusche, etc. auf der Strasse beschwerte, meinte ein Freund (kein Migrationshintergrund, Universitätsabschluss), sei doch froh, solange sie dir noch hinterherpfeifen. Sicherlich war das mit einem Augenzwinkern gemeint, heute finde ich aber, dass das die Haltung vieler Männer wohl recht gut widerspiegelt.

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  18. Sandra

    Solche Wichstypen in der Bahn kenne ich auch seit meinem 13! Lebensjahr! Was in den Köpfen dieser abgewrackten Männer abgeht und was die in junge Frauen hineinprojizieren, hat Michel Houellebecq detailreich in Elementarteilchen festgehalten.

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  19. Laura

    Es tut wahnsinnig gut all die Kommentare zu lesen und zu erfahren wie viele die gleiche Meinung teilen!

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  20. Marie

    Hier wurden bereits viele wahre Worte geschrieben, daher will ich da erstmal gar nichts hinzufügen.
    Nur eines: gerne verliere ich mich in Leserkommentaren, vor allem auf zeit.de und eben halt auch auf spiegel.de und meistens bin ich schokiert, was da alles geschrieben wird und mache mir manchmal Sorgen, was denn nur mit den Menschen los ist.
    Und dann komme ich aus thisisjanewayne.com und mir wird ganz wohlig ums Herz, weil es doch Menschen zu geben scheint, die ganz schön was verstanden haben.

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  21. Zehra

    Liebe Nike,
    danke für den äußerst aufschlussreichen Artikel! Bis auf den Satz: “ Und sexuell begehrt werden möchte ich, man mag es kaum glauben, nur von meinem Freund. “ stimme ich Dir zu.
    Jedenfalls ist es zwar eine Tatsache, dass viele der männlichen Äußerungen in diesem Video nicht dikutabel sexistisch sind- nicht zu vergessen, andere aber nicht. Außerdem gehöre ich auch zu den emazipierten Frauen, die der Meinung sind, dass Frau, wenn sie sich belästigt fühlt- das auch ausdrüklcih zur Sprache bringen sollte.
    Differenzieren ist hier wirklich wichtig.

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  22. Karoline

    Ich habe das Video gestern gesehen und ich musste wirklich lange darüber nachdenken. Mich hat die Frage lange beschäftigt, was eigentlich so sexistisch ist an diesen Kommentaren. Rein inhaltlich gesehen, sind viele der Kommentare wie „God bless you!“ oder „Hey gorgeous!“ eigentlich nicht schlimm und zuweilen sogar ganz nett (im Gegensatz zu Huhn-, Katzenlauten und vor allem penetrantem Hinterherlaufen). Dahingehend kann ich sogar die Empörung innerhalb der männlichen Kommentare unter dem Video verstehen.
    Letztendlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es an der Art und Weise liegen muss, wie diese Kommentare der Frau entgegengebracht werden (und ich meine hier eben diese auf den ersten Blick „harmlos“ wirkenden). Ich finde es ziemlich respektlos, einer fremden Person auf offener Straße etwas hinterherzurufen. Eigentlich ist es doch Gang und Gebe sich eine fremden Person erst vorzustellen. Es wirkt doch gerade so plump, weil es so mühelos rüberkommt, als sei es ein schneller, einfacher Versuch dieser Männer die Aufmerksamkeit einer Frau zu bekommen, egal welcher Frau, Hauptsache kurvig und hübsch. Gerade in dieser Mühelosigkeit liegt meiner Meinung nach das Sexistische, denn dadurch wird doch deutlich, dass die Persönlichkeit der Frau eigentlich von keinem großen Interesse ist.
    Und das scheinen viele Männer einfach nicht zu verstehen, das mag vielleicht an der Bildungsschicht liegen, am kulturellen Hintergrund, am IQ. Ich glaube aber, dass es bei manchen Männern auch einfach daran liegt, dass sie sich immer noch unter Zugzwang fühlen, denn trotz Emanzipation ist es immer noch die allgemeine Ansicht, dass der Mann die Frau zuerst ansprechen sollte, in Kombination damit, dass viele Männer schlicht und einfach nicht wissen, wie sie eine Frau ansprechen sollen (es somit im Kern also nicht „sexistisch“ meinen, d.h. nicht dass das ok ist, aber Frauen sollten nicht allzu hart urteilen).
    Ich habe auch darüber nachgedacht, was für eine Art von „Anmache“ eigentlich als nicht sexistisch gilt. Und letztendlich sind es doch die folgenden Faktoren: Der Mann sollte zeigen, dass er bemüht ist, d.h. er sollte sich Zeit nehmen und Interesse zeigen (auch an der Persönlichkeit der Frau). Und vielleicht denken da auch viele Männer zu kompliziert – Die beste „Anmache“, die mir mal widerfahren ist, begann mit einem kurzen Vorstellen und einer Einladung zu einem Getränk….tatsächlich nichts Außergewöhnliches, sondern ganz natürlich und ehrlich wirkend! Der Mann hat mir gezeigt, dass er an mir Interessiert ist und dass er sich gerne länger mit mir unterhalten möchte (zumindest ein Getränk lang).

    Eine Sache möchte ich noch los werden, weil mich das ziemlich empört hat (die Kommentare der Männer unter dem You-Tube-Video sind teilweise schockierend!). 1. Ein schwarzes T-shirt und schwarze, wenn auch enge, Jeans sind kein aufreizendes Outfit. 2. Auch ein aufreizendes Outfit rechtfertigt plumpe sexistische Anmachen nicht!

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  23. Pingback: We don't believe the HYPE! | Das Ding mit Street-harassment

  24. Nina

    Ich glaube es geht garnicht um den Inhalte der Kommentare, die einen da so ereilen. Bedrohlich ist es vor allem, weil du einfach nicht wissen kannst, ob das Gegenüber ein unverbindliches Kompliment machen will, oder ob er ein gruseliger Verfolger-Typ ist. Grundsätzlich musst du aber annehmen, dass eine Bedrohung vorliegen könnte. Das ist glaube ich das, was die männlichen Kommentatoren nicht verstehen. Das man sich immer potentiell bedroht fühlt.

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  25. Nina

    Danke Nike für den Post und die Anregung zur Diskussion. Ich kann den Kommentaren hier nur zustimmen, vor allem finde ich aber auch – wie Nina schon schrieb -, dass diese „Komplimente“ für uns Frauen eine potenzielle Gefahr bergen. Das macht die Sache für mich so schlimm.

    Ganz liebe Grüße
    Nina
    http://ninaitwanina.blogspot.co.at/

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  26. Anna HH

    Ich kenne leider auch diese Begegnungen, sogar als ich hochschwanger und später mit meinem Sohn unterwegs war. Ich frage mich am häufigsten, was denn die Männerwelt von uns eigentlich in so einem Moment erwartet? Denken sie ernsthaft, dass eine Frau durch solche Kommentare Interesse zeigt und wenn ja wie sähen die aus? Ich zähle zu den Frauen die gerne bequem gekleidet sind und eher hochgeschlossen tragen, trotzdem lässt sich besonders im Sommer mein Busen nicht verstecken. Da sitze ich nun mit meiner Mutter! Und Kinderwagen an der Bushaltestelle, hält dort ein Transporter an, irgendeiner Handwerker Art und der Beifahrer starrt mich unverhohlen an und grinst. Dann kommen Sprüche und Pfiffe, ich habe dann kurzerhand eine optische Auffordeung zum Blowjob gemacht, was dann mit Gelächter und Abwinken abgetan wurde….. Ja was wollt ihr denn dann?

    Ich bin überfordert mit so viel Diskrepanz in der Kommunikation!

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