Warum wir „Das sollte man 2015 nicht mehr tragen“-Listen komplett Banane finden

13.01.2015 Gesellschaft, box1, Trend

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In den vergangenen Tagen stolperte ich immer wieder über kleine fiese Texte, über die „No-Gos“ von 2014, über „Auf-keinen-Fall-mehr-machen“-Listen und Überschriften wie „Was wir 2015 echt nicht mehr sehen wollen“. Zum Beispiel: Céline Trios. Marmor. Sandalen. Perlenschmuck. Weiße Turnschuhe. Herschel. Print-T-Shirts von Kenzo & Co. Bunte Socken. Amüsant und klickstark sind solch provokanten Stil-Anleitungen, die ganz bestimmt nicht immer hundsernst gemeint sind, und ein bisschen Wahrheit steckt sicherlich auch in ihnen, jedenfalls was die Omnipräsenz mancher Hype-Teilchen betrifft, aber jetzt mal ganz, ganz ehrlich: Ich soll also ernsthaft darüber nachdenken, meine geliebten Birkenstocks zu verbannen, bloß weil viele, viele Menschen da draußen die gleichen Latschen mögen wie ich? Weil irgendwer da draußen findet, es reicht? Mein Rucksack muss auch weg? Und der Perlenring? Ja, muss das denn alles sein?

Sollten wir das Modediktat und all seine sinnfreien Reglements denn wirklich noch weiter befeuern? Was ist denn das für eine Art, gewisse Trends zur obersten Prämisse zu küren, um selbige ein paar Monate darauf schon wieder wie heiße Kartoffeln fallen zu lassen? Wo kämen wir denn hin, wenn tatsächlich weiter am Mythos der unüberwindbaren Schnelllebigkeit gewerkelt werden würde, wenn wir diesem Schwachsinn der Fremdbestimmtheit in Sachen Mode jetzt doch wieder nachgeben würden? Waren wir nicht gerade dabei, uns darauf zu einigen, dass ein Jeder doch tun und lassen sollte, was er, sie oder es für richtig hält? Ohne Rücksicht auf Körperbau, Alter und – ja genau – Trends? Darauf, dass Durchatmen meist besser ist als atemlos zu sein, darauf, dass Mini-Trends zwar spannend, aber Tendenzen viel spannender sind?

stan smith
Ich finde und hoffe und denke nämlich, dass die derzeit herrschende Tendenz „Freiheit“ schreit. Weil es nämlich nichts Schöneres gibt, als eine alte Hose wieder hervor zu kramen, als jahrelang die gleichen Turnschuhe durch das Leben zu tragen und gleichzeitig ganz viel Neues auszuprobieren, in Lieblingsstücke zu investieren, zu sparen auf das besondere Schätzchen im Schrank, aber ohne die „Angst“, dass man in der kommenden Saison schon wieder „out“ sein könnte, wo „out“ doch sowieso das schlimmste Wort des Jahrhunderts ist. Und noch etwas, liebe Modeblogger- und Magazine: Vergesst bitte nicht, dass wir, die sich den halben Tag die Birne mit Fummel zuknallen, schon einen halben Meter weiter sind, als der Rest der Welt. Meine Freundin Lena aus der Heimat zum Beispiel, die hat gerade erst ihre Liebe für Stan Smiths entdeckt – bis die vermeintliche Stil-Polizei um die Ecke bog und ihr einen kleinen Komplex ins Hirn pflanzte: Du bist zu spät dran! Nee, gar nicht witzig. Nicht lustig gemeint, nicht schlau, nicht hilfreich, diese Listen. Bloß überheblich, ein bisschen diskriminierend und entgegen dem, von dem wir alle träumen: Dass auch im echten Mode-Leben endlich jeder genau so sein darf, wie er oder sie sein will – ohne Augenrollen und schnippige Kommentare.

28 Kommentare

  1. Julia

    Haha, wie lustig ist denn bitte das gif?! Und ihr habt völlig recht: Einfach mal leben und leben lassen. Damit fährt man nicht nur in Sachen Mode gut. Alles Liebe!

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  2. AriBoj

    Danke für diesen wunderbaren Beitrag! Ich habe in den letzten zwei Wochen auch oft mit dem Kopf geschüttelt – was ich 2015 tragen darf, entscheide ich immer noch selbst. Hauptsache ich fühle mich wohl und so sollte es wohl jeder für sich halten. Ihr habt mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen und deshalb bin ich auch weiterhin treue Leserin

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  3. Elena

    also ich fände es wäre an der Zeit, dass Blogger generell dem Mode-Diktat widersprechen sollten. Die Industrie hat sie aber leider noch immer in der Hand. Wäre das nicht so gäbe es sicher schon ganz anderes auf den Blogs zu sehen. Beispiel: wieso ist Instagram voll mit veganen Rezepttipps aber der Kleiderschrank voll mit Leder (und manchmal sogar Pelz)?!! Bitte bitte weniger an die Industrie und mehr an eure eigene Überzeugung denken!!

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  4. Antonia

    Liebe Nike,
    da ich einen solchen Artikel geschrieben habe, nehme ich mal Bezug 🙂
    Ich persönlich finde solche Texte selbst immer ganz amüsant und wollte in erster Linie zeigen, wie oft es eben Teile gibt, die total gehypt werden, innerhalb kürzester Zeit zum absoluten Renner avancieren, um dann auch ebenso schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Dass es aber natürlich auch Klassiker gibt, die immer wieder mal kommen oder man alte Lieblingsteile wiederentdeckt, ist ja klar. Mein Text ist keinesfalls ernst zu nehmen, sondern eben eine lustige Erinnerung, dass wahrscheinlich kommendes Jahr nur noch ein Bruchteil die Birkenstocks trägt. Dass es aber eben auch Personen gibt, die sie davor und danach tragen – und das ist auch gut.
    Ich selbst werde meine Céline Trio wahrscheinlich noch die nächsten 20 Jahre tragen, genauso wie meine Stan Smith auf keinen Fall aus meinem Kleiderschrank herausgeschmissen werden (nein, ich hätte sogar gern noch ein Paar aus akuter Übernutzung). Zudem trage ich immer noch die so verhassten Keilabsatzsneaker von Isabel Marant, die wahrscheinlich in den meisten Augen durch sind. Ich seh es eigentlich wie du – jeder kann – und soll um Gottes willen auch – machen, was er will!
    Liebe Grüße!

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    1. Katharina

      Genau Antonia, so sehe ich das auch. Abgesehen vom generellen „Jeder soll doch bidde wie er mag“, das ich mit Vehemenz vertrete, gibt’s nun mal Trends, an denen man sich irgendwann ein kleines bisschen satt gesehen hat. Weil man sie zigmal in Steetstylegalerien, auf Modeblogs und in echt gesehen hat und dass dann irgendwann mit Originalität vielleicht nicht mehr so arg viel zu tun hat. Oder es sind Schnitte und Nuancen, die man nach einigen Saisons gern hinter sich lässt. Auch weil man bedingt durch dies neuesten Kreationen der Designer jetzt eine andere Hosenform/Kleiderfarbe/Sommersandalenkonstruktion voel inspirierender und begehrenswerter findet. Solange man solche Dinge mit Humor listet und keinen Antrag auf Eintrag ins bürgerliche Gesetzbuch stellt, ist daran nix auszusetzen.

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  5. Elina

    wunderbarer Text, liebe Jane!
    Genau mit solchen Texten sprichst du mir hier aus der Seele… So sehr wir alle Mode lieben, ist es einfach schier unmöglich, Trends, auf die ich vielleicht gerade noch gespart habe, nach 3 Monaten schon wieder rauszuhauen (im Sinne des Konsums, des Gewissens und des Geldbeutels). Und ja, man sieht oft dasselbe, aber wenn es den eigenen Stil widerspiegelt und mit dem eigenen persönlichkeitstüpfelchen ausgeführt wird – hach, ich finde dann gibt’s nix Schöneres! Und so freue ich mich wie Bolle, wenn jemand meine Uralt-adidas aus dem Sale 2009 lobt und ich sie superschön genau zu all den „neuen“ Trends aus 2015 kombinieren kann!

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  6. pe

    Ihr habe ganz recht! Ich arbeite seit vielen Jahren in der Mode….und stelle fest, das die Bedürfnisse ganz andere sind. Die Frauen haben „alles“ im Schrank…sie sind gelangweilt…ihre eigene „Note“ wollen sie finden…individuell. Wir versuchen nächste Woche in Berlin wie die Trüffelschweinchen das zu finden… 🙂 Es gab noch nie so viele Trends und Looks usw. und ein Modediktat ist eh „out“ 😉 Die kommerziellen Marken haben es wirklich schwerer ebenso die Geschäfte, die immer auf derselben Masche rumreiten. Es gibt so viele spannende, spass machende Möglichkeiten sich anzuziehen…..auf geht es …auf ein tolles 2015 🙂

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  7. Jana

    Toller Kommentar zum Thema, denn bei manchen dieser Listen war ich wirklich geschockt, wie ernst es sich las!
    Ich bin zwar absolut gegen diese „No-Go“-Listen, dennoch muss ich mir eingestehen, dass ich mich an dem einen oder anderen Trend, sowohl an mir als auch an anderen sattgesehen habe und deswegen einige Teile manchmal auch ganz unbewusst aus meinem Kleiderschrank wandern.

    http://superjasmin.blogspot.de/

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  8. Svenja

    Liebe Nike,

    Ich stimme dir absolut zu! Natürlich ist es nett Trends mitzumachen, wenn man daran Spaß hat (ich habe mir jetzt auch endlich einen Poncho gekauft, dank deiner Inspiration!), jedoch sollte man diese nicht wegwerfen wenn iiiirgendjemand meint, es ist „out“. Bei mir kommen Sachen, die ich über-tragen habe einfach nach hinten in den Schrank oder in die Karnevalskiste. Meistens freue ich mich nach 2-3 Jahren wie ein Kleinkind über die neuen, alten Funde. Und wie wir wissen kommt ja sowieso alles wieder 😉 Danke für den tollen Text!! <3

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  9. Sophia

    ganz wunderbar. nur weil jahreswechsel und so.
    jetzt kann ich beruhigt schlafen und morgen erst recht wieder meinen rucksack auf den rücken werfen.
    danke.

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  10. Juliana

    Wie recht du hast! Und mit den Stan Smiths gings mir genau so… Toll sind die aber immer noch. Und erlaubt ist, was gefällt!

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  11. Nina

    Sehr guter Artikel! Man sollte wirklich viel mehr das kaufen, was man mag und schön findet und vor allem auch auf das Recht bestehen die Teile, die man lieb gewonnen hat auch so lange man will zu tragen.
    Ganz davon ab wird in dieser Diskussion auch oft vergessen, dass Mode schließlich irgendwie auch Geld kostet und es ist doch einigermaßen unfair, wenn die Schätzchen, die man sich letzte Saison zusammen gespart hat, jetzt schon wieder als untragbar gelten.
    Ökonomisch gesehen ist das eskalierende Shoppingverhalten sowieso grauselig.
    Liebe Grüße!

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  12. JANA

    Sehr interessanter Post, schön geschrieben.
    Ich finde es überhaupt schrecklich, wenn irgendwelche Menschen meinen Regeln aufstellen zu können/müssen, was in der Mode „in“ und „out“ sei. Ich kaufe mir meine Sachen doch nicht für ein Jahr bzw. eine Saison.
    Von wegen: Buh also 2015 darfst du DAS nicht mehr tragen.
    Allgemein lasse ich mich nie zu sehr von Trends beeinflussen. Man sollte sich selbst treu bleiben und darauf achten, was zum eigenen Stil passt. Und natürlich darf man sich auch immer wieder neu erfinden.
    Es lebe die Freiheit in der Mode. Es lebe die Freiheit.

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  13. Anna

    Danke, super Beitrag. Ich lasse mir schon lange nicht mehr vorschreiben, was in und out ist und kaufe (und behalte) die Dinge, wie sie mir gefallen und kombiniere sie nach Lust und Laune.

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    1. Anna

      Achso und ich habe eher so ein paar Dinge, die ich einfach nicht mag, egal, ob sie gerade in oder out sind. Wie z.B. Leggings zum Rock oder Kleid. Jede Form von Schlappen und Flip Flops außerhalb der Wohnung z.B. aber das kann ja jeder für sich entscheiden.

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  14. Janni

    Danke! Ich habe vor ein paar Wochen erst einen Herschel-Rucksack gekauft, weil er mir gefällt, da alles supi reinpasst und ich keine Lust mehr auf Schulterschmerzen wegen falsch belastet und so habe. Und nicht, weil da Herschel drauf steht und irgendjemand mitte des Jahres gesagt hat: „Der ist jetzt in.“ Deswegen werde ich den jetzt auch nicht wieder in die Ecke werfen.
    Danke, Danke, Danke, dass ihr mitdenkt und nicht bloß so einen Wischi-Waschi- Oberflächlichen Müll fabriziert, wie manch anderer in dieser Modewelt!

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    1. sophie

      meiner kam im november an und es ist tatsächlich der beste rucksack mit ordentlichem laptopfach, den ich je besessen hab.

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  15. sophie

    scheiß auf in und out! mir ist es sogar lieb, wenn manche teile die ich seit jahren liebe aus der mode kommen (weg mit den 13-jährigen neo-goths die sich plötzlich alle meine geliebten doc martens leisten können), dann kann ich wieder durch die straßen tingeln und mich daran erfreuen, dass ich was anderes habe, als der trend diktiert. generell sollte man doch immer tragen, was man mag und möchte, mit mode bringt man schließlich sich selbst zum ausdruck!

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  16. lisa

    Solche Listen kurbeln ja indirekt nur wieder den Konsum an. Ein Normalbürger kann es sich sowieso nicht leisten mit den „Trends“ zu gehen., die sowieso Schwachsinn sind. Lasst uns lieber das wertschätzen, was wir haben! <3

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  17. Nins

    Bin ganz bei dir! 😉 Aber ich glaube, dass jeder Teile in seinem Kleiderschrank hat, die schon seit langer Zeit zu seinen Lieblingen gehören und die man nie wieder – Trend hin oder her – weggeben würde.
    Und meine Birkenstocks gebe ich auch auf keinen Fall wieder her – nie wieder. Das sind nämlich die mit Abstand bequemsten Schuhe auf der ganzen Welt. 🙂

    Ganz liebe Grüße
    Nina
    http://ninaitwanina.blogspot.co.at

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