Lese-Tipp & Engagement für Geflüchtete //
Jule Müller im Interview

09.09.2015 Gesellschaft, box3

Journelles-Interview-Jule-Mueller-3-980x693Deutschland erwartet in diesem Jahr etwa 800.000 Asylbewerber, gerade sind es etwa 700 Neuankömmlinge pro Tag. Menschen, die aus dem Krieg kommen, politisch Verfolgte, Hungerleidende, Kinder, Frauen, Familien, junge Männer, die nicht nur eine bessere Zukunft, sondern überhaupt irgendeine Chance haben wollen. Und plötzlich begegnen uns all die Menschen aus Syrien, Afghanistan, Nordafrika, Pakistan, Albanien oder Serbien, die dringend und vor allem schnell Hilfe benötigen, nicht mehr ausschließlich auf den Titelseiten der internationalen Presse, sondern vor unseren eigenen Haustüren. In überfüllten Messehallen, auf Parkbänken, in Notunterkünften. Es ist Zeit, zusammen zu rücken. Aber genau hier liegt das Problem. Fassungslosigkeit mündet nicht unbedingt in selbstlosem Reaktionsismus, ganz im Gegenteil, jeden Tag greifen irgendwo in Deutschland Rechtsextreme Geflüchtete an. Hoffnung darf man aber trotzdem haben: Hunderttausende ehrenamtliche Helfer und Helferinnen ackern teilweise über ihre eigenen Kräfte hinaus, 15 Stunden am Tag, sie sortieren Materialspenden, verteilen Schlafplätze und Trinkwasser. Andere geben etwas weniger, das Mantra lautet: Hauptsache du machst überhaupt irgendetwas, denn zum Wegsehen bleibt keine Zeit.

Vor zwei Wochen hatten Maria und Sophia Giesecke bereits eine kleine Liste mit Möglichkeiten, selbst etwas zu tun, für uns zusammen gestellt. Auf www.fluechtlinge-willkommen.de können wir uns beispielsweise darüber informieren, wie wir Flüchtlinge in unseren eigenen WGs aufnehmen können, bei Kreuzberg hilft liegt permanent eine Bedarfs-Liste bereit, unter dem Motto „Wir sind keine Helfer. Und Geflüchtete sind keine Opfer. Wir sind Berliner.“ widmet sich das Projekt „Kommen & Bleibender Kunsthochschule Weißensee unterschiedlichsten Aktionen in Zusammenarbeit mit Geflüchteten, auf GivesomethingbacktoBerlin kann man ganz individuell etwas in den Hilfstopf legen, für alle anderen hält Pro Asyl eine Orientierungshilfe samt Karte bereit, eine gute Anlaufstelle ist außerdem wie-kann-ich-helfen.info, auf Zeit.de findet man sogar Tipps je nach eigenen Ressourcen (Zeit, Geld oder Platz). Und dann gibt es noch das LaGeSo-Gelände, auf dem unsere Kollegin Jule Müller gerade als freiwillige Helferin ihren Alltag verbringt.

Jule Müller hat im vergangenen Jahr im gegenteil gelauncht, eine Partnerbörse für Singles. Für LaGeSo musste die Website streckenweise in Sommerpause gehen, Jule findet, es gibt jetzt Wichtigeres. Auf ihrem Instagram-Account dokumentiert sie stattdessen ihre Erfahrungen und zeigt uns, wie es vor Ort im Flüchtlingslager in Moabit zugeht. Sofia und Hamdi hat sie anfangs bei sich in der WG aufgenommen, jetzt sehen die Drei sich fast täglich. „Wir sind jetzt Familie“, da ist man sich einig. Jule Müller ist eine der Wenigen, die begreifen, dass das Willkommenheißen der Geflüchteten zwar mit sauberen Betten und einer Zahnbürste anfangen muss, aber dort eben noch lange nicht aufhört – Integration lautet das Zauberwort.

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Bei unseren Freunden von Journelles findet ihr derzeit ein ausführliches Interview über ihre Sicht der Dinge:

Einfach hingehen und helfen?

Für mich war es ein innerer Drang zu helfen: Wir haben in den ersten zwei Wochen 15-Stunden-Schichten ab 8 Uhr morgens geschrubbt. In den ersten Tagen gab es Ausschreitungen auf dem Gelände: Es war 38 Grad heiß, die Wasserversorgung war nicht gewährleistet und es gab medizinische Notfälle. Die Helfer haben blind Dinge auf das Feld getragen, weil es noch keine Struktur gab. Das führte zu viel Unruhe, die Polizei musste oft eingreifen. Inzwischen läuft das alles geordneter ab. Eine offizielle Organisation hat das Management vor Ort übernommen, ist aber an vielen Enden auf die Hilfe der Ehrenamtlichen angewiesen. Auf das LaGeSo-Gelände kann man also jeden Tag gehen, weil es nicht immer genügend Helfer für die Essens- und Wasserausgabe, Übersetzungen oder Spendenannahme gibt. Und für den Fall, dass man wieder weggeschickt wird, weil schon genug vor Ort sind – umso besser. Dann guckt man sich den Platz mal an, zieht seine eigenen Schlüsse und fährt wieder nach Hause.

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HIER LANG GEHT ES ZUM KOMPLETTEN INTERVIEW.
Danke.

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Jule Müller im Interview

  1. Maria

    Danke, dass Ihr dieses Thema aufgreift und klar Stellung bezieht!

    Jeder kann helfen und in Hamburg ist so eine ganz tolle Bewegung von ehrenamtlichen Helfern und verschiedenen Initiativen entstanden, die sich immer weiter entwickelt. Es gibt Übersetzungs- und Medizin-AG’s und zum Beispiel auch einen Kindergarten, in dem ehrenamtliche Helfer jeden Tag zweimal sechs Stunden lang Kinder von Geflüchteten betreuen, mit ihnen spielen und Liebe geben. Die Eltern können in der Zeit durchatmen oder weinen, ohne dass die Kinder es mitbekommen.

    Als ich zum ersten Mal an den Messehallen war, um Kleidung und Drogerieartikel zu bringen, kamen mir die Tränen. Das Leid der Menschen ist spürbar, greifbar. Natürlich habe ich das nicht vor den Geflüchteten gemacht, denn mit Mitleid ist nun wirklich niemandem geholfen und warum heule ich rum? Habe ich alles verloren? Hatte ich Angst um mein Leben? Habe ich Menschen sterben sehen? Nein.

    Anstatt Mitleid habe ich aber wie die meisten anderen Deutschen viele andere Dinge zu geben, die dringend gebraucht werden: Liebe, Zeit und alles was man braucht, um das Leben bestreiten zu können: Kleidung, Schuhe, Windeln, Spielzeug, Bettzeug, Bettwäsche, Handtücher, Duschgel, Koffer und Taschen (wichtig für die Weiterreise) Ohropax (wichtig, weil in den großen Lagern durchgehend ein Höllen-Lärm herrscht).

    Allen, die sich informieren und helfen möchten, möchte ich noch diese Seite empfehlen:
    https://www.facebook.com/refugeeswelcome20357

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