Books that saved & shaped my life //
Mit Lisa van Houtem

13.10.2015 Buch, box3
lisa van houtem my life in booksFoto: Pelle Buys

Lisa van Houtem ist  32, Journalistin und Co-Gründerin von Femtastics, dem in diesem Jahr ganz frisch geschlüpften Online Magazin für Girlpower. Unsere gemeinsame Geschichte beginnt in New York, genauer gesagt in einer Hotel Lobby, es war Liebe auf den ersten Blick. Man hatte uns damals zusammen mit einer Handvoll anderer Redakteurinnen auf ein paar Sessel drapiert, bloß waren wir die einzigen beiden ohne hochhackige Geschosse an den Füßen, mit Zigarettenpackungen in den Hosentaschen und Schalk im Nacken. Am nächsten Tag fanden wir uns in der hinterletzten Ecke des Broadways wieder, Lisa hielt meine Hand, als mir eine Schwarzhaarige im Yankees-Trikot den Oberschenkel tätowierte. Neben der Musik und ihrem Ehemann Pelle liebt sie vor allem gute Literatur. Es folgen also: Sechs Bücher, die Lisa geprägt haben.

Darunter Hermann Hesse, Patti Smith, T.C. Boyle, Gary Shteyngart, Simone De Beauvoir und Nick Cave eine Leseliste wie aus meinem eigenen Hirn entsprungen. Danke, du Rabauke.

books that saved my lifeDer Steppenwolf von Hermann Hesse

Wenn man mich nach dem wichtigsten Buch meines Lebens fragt, dann ist das zweifelsohne „Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse. In keinem anderen Buch fühle ich mich so verstanden und bestärkt. Wer ebenfalls einen leichten Hang zum Weltschmerz hat, einen imaginären Rucksack mit Wut rumschleppt und vielleicht auch latenten Hass auf die Gesellschaft und das bequeme Bürgertum schiebt, der sollte erst den Steppenwolf und die Geschichte rund um die tiefen seelischen Leiden Harry Hallers lesen und danach sein Leben und von mir aus auch die komplette besagte Gesellschaft ändern – dabei allerdings nie das Lachen vergessen.
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Just Kids von Patti Smith

Die Künstlerbiographie von Patti Smith liegt vermutlich längst auf jeglichen Nachttischchen der werten ThisIsJaneWayne-Fangemeine und setzt langsam Staub an, ich will sie dennoch erneut empfehlen – in diesem schillernden Zeugnis des jugendlichen Leben und Wirkens Patti Smith‘ und Robert Mapplethorpes Ende der Sechziger und in den Siebziger Jahren steckt eine komplette Weltanschauung, Lebenseinstellung und Ode an die Subkultur, die man nicht oft genug zitieren kann und die da ungefähr lautet: Mach dich frei vom Leistungsdruck und gesellschaftlichen Zwängen! Scheiß auf’s Geld! Lebe deinen Traum! Lass deiner Kreativität bzw. Leidenschaft freien Lauf – und sei glücklich (oder traurig, ist auch ok.) Hardcore-Patti-Smith-Fans empfehle ich übrigens ihren Gedichtband „Babel“ von 1978.

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Drop City von T.C. Boyle

Es wird an dieser Stelle niemanden verwundern, dass ich von einem mobilen Zuhause träume, mit dem ich mal hier, mal dort leben kann. Wer sich jetzt angesprochen fühlt, liest unbedingt T.C. Boyles großartig ironische Geschichte von einer Hippie-Kommune, die im Jahr 1970 mit LSD im Orangensaft von Kalifornien nach Alaska übersiedelt, wo der Traum vom friedlichen Zusammenleben nach und nach zerbricht, bis am Ende nur noch der Kampf ums reine Überleben übrig bleibt. Eine Persiflage auf die Hippie-Werte, die ich natürlich trotzdem nach wie vor saumäßig gut finde. Peace, Leute!

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Super Sad True Love Story von Gary Shteyngart

Meine Freundin und Kollegin Anna Weilberg kennt die tollsten aktuellsten Novellen aus dem englischsprachigen Raum und hat mir diesen satirischen Future-Kracher ans Herz gelegt. George Orwell trifft Woody Allen: Ich habe lange nicht mehr so laut gelacht (und zwischendurch geweint) wie bei der Borderline-Lektüre über das analphabetische, reizüberflutete und hochverschuldete Amerika der nahen Zukunft, in denen nur noch Rankings inklusive „Fickfaktor“ und „Charakter“ sowie Kreditmasten, die die Bonität anzeigen, zählen. Onionskin-Jeans und nippelfreie Saami-BH’s, bitte werdet niemals Realität!

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In den besten Jahren von Simone de Beauvoir

Dieser Sommer war ein Simone de Beauvoir-Sommer: Ich hatte endlich die Zeit, einen Großteil ihrer Titel durchzuackern und mir eine fundierte Meinung zu bilden. (Kurzzusammenfassung: Selbstverständlich ist sie eine begnadete Existenzialistin und Feministin, allerdings mit einem nicht von der Hand zu weisenden, erschreckend selbstgerechten Hang, eigenes Glück auf Kosten anderer zu leben.) Besonders schön lesen sich dazu ihre Memoiren „In den besten Jahren“, in denen sie nicht nur eine ganze Epoche der französischen Avantgarde inklusive Pablo Picasso, Camus & Co. zum Leben erweckt, sondern quasi die Sekundärliteratur für ihre Romane „Die Mandarins von Paris“ und „Sie kam und blieb“ mitliefert. Außerdem finden sich hier so wunderbare Lebensweisheiten wie „Man kann sich niemals kennen, sondern nur erzählen“ oder auch:

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Der Tod des Bunny Munro von Nick Cave

Ich hätte durchaus nichts dagegen gehabt, in den Achtzigern bissel mit Nick Cave und Blixa Bargeld abzuhängen. Immerhin war Herr Bargeld circa zwei Jahrzehnte später für zwei Jahre mein Dachterrassen-Nachbar in Berlin, aber irgendwie hab ich mich nie hoch getraut, um nach Zucker zu fragen. Punk-Melancholiker Nick Cave ist und bleibt jedenfalls einer der besten Typen des Planeten. Und als sein Roman „Der Tod des Bunny Munro“ erschien, in dem es um einen alternden Rocker geht, dessen Frau sich umbringt und der dann mit seinem Sohn durch England irrt, bin ich fast vom Hocker gefallen. Der kann nicht nur wahnsinnig gut singen und Songtexte schreiben, sondern auch Romane fabrizieren! Eloquent, witzig, düster, elegant, wütend, wortgewaltig, spannend, radikal, poetisch – Nick Caves Bücher sind ein Hochgenuss. Etwas härterer aber nicht minder schöner Tobak ist „Und die Eselin sah den Engel“, welches er schon 1989 geschrieben hat.

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9 Kommentare

  1. Maria

    Staaaark!!! Ich starte nahezu erleuchtet in den Tag. Ehrlich, danke für diese grandiosen Buch-Tipps! Liebste Grüße aus HH und die besten Wünsche für Femtastics, Maria

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  2. Julia

    Ich habe -dank meines löchrigen Gedächtnisses- schon wieder vergessen, dass ihr so eine tolle Rubrik jetzt wöchentlich anbietet. Danke <3

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  3. Heike

    Hach, wie toll, dass es da draußen noch Leute mit so einem exzellenten Lese-Geschmack gibt!!! Beruhigendes Gefühl! Meine Empfehlung, falls es tatsächlich jemanden geben sollte, der es noch nicht kennt: „Alle Toten fliegen hoch“ von Joachim Meyerhoff.

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  4. Pingback: Themenwoche #35 | Buch-Tipps: Lisa | Femtastics

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