Books that saved & shaped my life //
Mit Julia Knolle von „hey Woman“

24.11.2015 Buch
julia knolle© Vera Comploj

Julia und ich, wir zwei haben es jahrelang geschafft, aneinander vorbei zu rennen und so etwas wie eine Coexistenz in Berlin zu führen, dabei tanzten wir mit Sicherheit mehr als ein Mal auf derselben Hochzeit. Vor ein paar Monaten schaffte Regisseurin Nicola Graef es dann aber doch noch, uns an einen Tisch zu bringen – wir hatten gerade gemeinsam in einem kleinen Charlottenburger Programmkino das Screening zur Arte Doku „We are Fashion“ gesehen, als sämtliche Mägen so laut knurrten, dass es uns zusammen mit einer Handvoll anderer Hungrigen in den großartigen Diener Tattersall mitsamt seiner deftiger Hausmannskost verschlug. Ein kurzer Schnattertantenplausch reichte aus, dann war recht schnell klar: Julia Knolle stapelt auf ihrem Nachttisch etliche Bücher, die dringend auf meiner persönlichen Leseliste landen müssen. Welche das sind, verrät sie und gleich. Erstmal erfahren wir aber kurz und knackig, was in ihrem Leben gerade überhaupt passiert:

„Während der Schulzeit schwebte ich noch in der Illusion, dass ich irgendwann mal Philosophie und Literaturwissenschaften studieren werde, aber daraus wurde nichts. Während meines BWL Studiums in Köln kam mir die Idee zum Modeblog Lesmads, das dann in Teamarbeit mit dem Burda Verlag und Jessica Weiss 2007 live ging. 2010 schrieben wir unser erstes Buch, ich wurde Freelancer für Digitalstrategien und durfte neben mytheresa.com auch bei Condé Nast am Relaunch der Vogue mitwirken. Bis 2014 arbeitete ich eng mit einer tollen Chefredakteurin an der Integration der Print- und Online Departments bis ich dann eines Tages bei einem Dinner Veronika Heilbrunner traf und wir eine Weile später zusammen zwei Träume erfüllten: Den Launch der Website hey-woman.com und die Gründung unserer eigenen Firma.“

my life in books„Homo Faber“ von Max Frisch

Walter Faber ist Ingenieur und verliebt sich unwissentlich auf einem Kreuzfahrtschiff in seine eigene aus den Augen verlorene Tochter. In seiner Welt ließ sich bis zu der Begegnung mit Sabeth alles analytisch erklären, selbst Zufälle führte er auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen zurück. Auch wenn ich das Buch schon im Deutsch-Leistungskurs vor siebzehn Jahren zum ersten Mal lesen „musste“, liebte ich es damals schon inständig und auch bis heute habe ich keinen Plot finden können, mit dem ich mich mehr identifiziere, der mir so nah ans Herz geht und der mir mehr geholfen hätte, eine ganze Menge über mich selber herauszufinden. Vor kurzem sah ich die Verfilmung (https://www.youtube.com/watch?v=RnYrLjUtL0s) von Volker Schlöndorff aus dem Jahr 1991 nochmal mit Sam Shepard, Barbara Sukowa und Julie Delpy in den Hauptrollen und war immer noch angetan. Die erste und große unangefochtene Buchliebe also!

„Leben, Denken, Schauen“ von Siri Hustvedt

Beim Schreiben dieser Liste fällt mir auf, dass ich insgesamt fünf Bücher von Siri Hustvedt bisher gelesen habe, was sie wohl damit zu meiner Lieblingsschriftstellerin qualifiziert. Von „Was ich liebte“ über „Die zitternde Frau“ zu „Ein Sommer ohne Männer“ und „Die gleissende Welt“ war es aber dann doch der Essay Band „Sehen Denken Schauen“ (schlimmer Titel, aber gut), der mich am meisten beeindruckte. Neben dem Schreiben von Romanen setzt sich Siri schon seit langem mit Neurowissenschaften auseinander. „Sehen wir das was wir sehen wirklich und welche Rolle spielt die eigendynamische Vorstellungskraft des Gehirns dabei?“ war zum Beispiel eine Frage, die mich immer mal wieder beschäftigte und in diesem Buch gibt es ansatzweise Antworten darauf. Siri, meine heimliche Seelenverwandte. Und wie inspirierend, sich trotz tagesfüllenden Hauptberufs noch nebenbei ein komplexes Wissensgebiet zu erschließen.

„Winter Journal“ von Paul Auster

Was für ein Zufall: Paul Auster ist der Ehemann von Siri Hustvedt. In „Winter Journal“ erzählt er seine ganz persönliche Geschichte, er rollt die Beziehung zu seinen Eltern auf, beschreibt seine Findungsphase als junger Mann bis zu dem Moment, in dem er seiner besseren Hälfte begegnete und quasi damit erwachsen wurde. Auch wenn seine fiktiven Romane bisher ein tristes Dasein in meinen Bücherregalen fristen, hatte er mich mit dieser Geschichte irgendwie am Ende doch für sich gewonnen. Vielleicht lag es aber auch an meiner damaligen Lebensphase: Jede Woche einmal von Berlin nach München und zurück, war dieses Hörbuch mein auf der Stelle funktionierender Trick, um in der Bahn zum Flughafen innerhalb von Minuten komplett abzuschalten und in eine andere Welt abzutauchen. Selten hat ein Schriftsteller eine solch intensive Wirkung durch seine Worte auf mich ausgelöst.

„The Woman Destroyed“ von Simone de Beauvoir

Natürlich hätte ich auch den deutschen Titel „Die gebrochene Frau“ lesen können, aber das Cover ist natürlich leider viel schicker und mir war damals nach ein bisschen mehr Herausforderung zumute. Simone de Beauvoir lässt drei Frauen zu Wort kommen, die sich aus eigener Kraft aus ganz persönlichen Krisen retten. Der letzte Abschnitt, nach dem auch das Buch benannt wurde, dreht sich um eine verheiratete Frau, deren Mann sich nach Jahren in eine neue Frau verliebt und damit das Ende der Ehe einläutet. Wahnsinnig schwach erschien mir die Protagonistin oft, so tief ließ sie sich in Demütigungen fallen, dass es fast abschreckend war, durch das Lesen Teil dieser Verletzlichkeit zu sein. Trotzdem ist es so empathisch geschrieben, dass man einen Bezug dazu findet und paradoxerweise dadurch an eigener Stärke gewinnt. Zukunftsvorbereitung auf spätere Jahre also, oder auch mentale Unterstützung für akute Lebensabschnittsprojekte, die zu der Zeit bewerkstelligt werden wollten. Danke, Simone!

„Tschick“ von Wolfgang Herrndorf

Lange hatte ich mich gegen diesen „Bestseller“ gesträubt. Wenn alle es toll finden, will ich es automatisch nicht mögen. Doch irgendwann wurde ich neugierig, mir war beim traditionellen Besuch bei Dussmann nach Literatur, die möglichst wenig mit mir zu tun hat und mich in eine andere Welt entführt. Wer könnte das besser als Tschick und Maik, zwei Aussenseiter, die zusammen ein großartiges Team sind und auf herrlich beknackte Einfälle kommen. Mit dem Auto ins Nirgendwo fahren, ohne einen Führerschein zu haben und dabei verantwortlich für den besten Sommer ihres Lebens zu sein. Schon beim Lesen fragte ich mich, wann der Stoff endlich verfilmt wird, weil die Schnelligkeit so mitreißend ist und man in jeder Sekunde das Gefühl hat, mittendrin zu sein. Es erinnerte mich vor allem aber an meine Kindheit im Rheinland, als es noch keine Mobiltelefone, keine Laptops von Apple, aber dafür viele grüne Wiesen und Wälder gab, viel Blödsinn im Kopf und so gar keine Idee davon, wer man sein wird, wenn man halbwegs erwachsen ist. Selten hat es daher also geklappt, sich darauf nochmal zu besinnen und selten ist es mir nach jahrelanger Medien-Fixiertheit leichter Gefallen, den Unplug-Button zu drücken. (Empfehlenswert bis zur Kinopremiere im Herbst 2016 ist die Aufführung im Deutschen Theater z.B. am 16. & 17.12. https://www.deutschestheater.de/programm/a-z/tschick/)

9 Kommentare

  1. Magda

    Homo Faber und Tschik habe ich geliebt, ein anderes Buch von Paul Auster regelrecht verschlungen und bin jetzt schon sehr gespannt auf die anderen Empfehlungen. 🙂

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  2. Nina

    Sehr guter Büchergeschmack, ich liebe ja auch Homo Faber und Auster ist toll, von daher kann man sich den Rest ruhig auch mal vornehmen!

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  3. Kathi

    Tschick habe ich geliebt. Mir war lang nicht klar, dass es ein Bestseller war, bin eher zufällig darüber gestolpert und hab daraufhin alles von Herrndorf verschlungen.

    Liebe Janes, DANKE für diese Rubrik!

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  4. Pingback: Themenwoche #35 | Buch-Tipps: Lisa | Femtastics

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