PERSÖNLICHES // Hinfallen, aufstehen
& zaghaft zurück kommen.

15.02.2016 Wir, box1

cloudsEs fühlt sich ein klein wenig wie neu laufen lernen an. Als hätte man es einfach so verlernt, als läge da ein dicker Stein auf Rücken und Kopf, als könnte man sich partout nicht daran erinnern, wie die Sache mit dem Voreinander setzen der eigenen Beine überhaupt funktioniert. Man sagt „das Leben geht weiter“ – aber wann genau, das sagt einem keiner. Zwei Wochen habe ich mich komplett aus dem Staub gemacht und mich dem wirklich Wichtigem gewidmet: meiner Familie. Nicht, weil mir der Sinn danach stand, alle Neune gerade sein zu lassen, sondern weil Mitte Januar der wohl schlimmste Anruf meines bisherigen Lebens alles auf den Kopf gestellt hat. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich euch an dieser Stelle überhaupt involvieren oder ob ich den ehrlichen Grund für die Wochen ohne mich auf Jane Wayne ganz einfach verschweigen sollte. Aber hier einfach weiter zu machen als sei nichts geschehen, kommt für mich nicht in Frage.

Dass 2016 ein beschissenes Jahr werden könnte, ahnte ich schon im Januar, dass es mich und meine Familie allerdings mitten ins Herz treffen würde, zeigte mir erst der Februar. Es reißt mir noch immer die Füße unter dem Boden und auch alles andere weg, wenn ich laut ausspreche, dass meine Schwester und ich vor weniger als zwei Wochen meinen Vater verloren haben, der noch so viel Zeit gehabt hätte. Dass wir bis zuletzt gekämpft haben, Tag und Nacht für ihn da waren, voller Hoffnung an ein medizinisches Wunder glaubten, am Ende aber doch nichts tun konnten. Es ist die Endgültigkeit, das nie wieder miteinander reden, sich nie wieder in den Arm nehmen können, was am allermeisten schmerzt und zu völliger Bewegungslosigkeit und Ohnmacht führt, den Kopf mit Luft und die Augen mit Tränen füllt. 

Und so sitze ich hier vor meinem Rechner und suche nach Worten, während ich fassungslos auf ein grelles Licht starre. Nichts auf dieser Welt kann beschreiben, wie sich die Leere und dieser Schmerz genau anfühlen, die sich breit machen, wenn man einen geliebten Menschen verliert, machtlos daneben sitzt und sich ununterbrochen nach dem Warum fragt.

Während ich mich in den vergangenen Tagen um einen Haufen Bürokratie kümmern musste und Abschied nahm, lerne ich also wieder laufen, versuche dank liebster Menschen um mich herum, wieder aufzustehen und – so bescheuert das klingt – mein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Ich bin völlig weggekegelt worden, bin noch immer ganz leer und kann es selbst am allerwenigsten glauben. Gerade wünsche ich mir nichts sehnlicher, als die Zeit zurück drehen zu können.

Die Welt aber dreht sich weiter und während ich wieder in Berlin angekommen bin, versuche ich, meinen Kopf frei zu machen und mich den schönen Dingen zu widmen. Noch klappt genau das eher weniger, aber ich gebe mir größte Mühe. Weiter machen und das Leben in vollen Zügen genießen – das wäre wohl Papas sehnlichster Wunsch gewesen. Und ich geb’ mein Allerbestes, ihn nicht zu enttäuschen. Das Leben ist schön. Das Leben ist schön. Das Leben ist schön. Wiederhole ich immer und immer wieder laut. Aber manchmal braucht es einfach Zeit.

Ich schmeiße mich hier also erst einmal wieder in all die To-Dos, die hinter der Seite stattfinden und fange zaghaft und ganz langsam wieder mit dem Alltag an, es wird noch wenig dauern, bis ich euch wieder selbst aus tiefem Herzen mit den wundervollen Fundstücken versorge, die uns sooft aus dem manchmal tristen Alltag rausholen sollen. Ich berappel mich bald, versprochen. Alles wird gut, irgendwann, irgendwie.

78 Kommentare

  1. HappyFace313

    🙂 Auch nach über 15 Jahren kommt der Gedanke „das muss ich ihm gleich erzäh…“ – ach, nein, ich kann es ihm gar nicht mehr erzählen. Aber vielleicht hört er es doch – da oben, auf seiner Wolke.
    Alles Liebe für Dich in dieser schweren Zeit. Lass Deine Trauer zu, sonst zieht es Dir viel später den Boden unter den Füßen weg. Es dauert, aber es wird besser. Wirklich.
    Herzliche Grüße 🙂

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  2. Nora

    Liebe Sarah,
    das tut mir so unendlich Leid. Ich denke an dich und wünsche dir alle Kraft dieser Welt.
    Und ich wünsche dir, dass die Trauertsunamiwellen mit der Zeit etwas erträglicher werden. Alles Gute!

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  3. keita

    liebe sarah,
    es schmerzt mich zu lesen, wie stark du in deinem leben gerüttelt und gschüttelt wirst. es tut mir so leid… wie das ist, ein elternteil zu verlieren, ist wohl nicht in worte zu fassen. ich hab es bei meiner mama schon miterleben müssen, als sie ihre mama verloren hat. weißt du was? erinnere dich. immer. erinnerungen sind so schön, so wertvoll, so schmerzhaft, so erheiternd, so stark, so präsent, so wunderbar, so im herzen, so im kopf. ich wünsche dir, dass du sie dir alle bewahrst und dass sie dich im richtigen moment aufrichten und hochheben.
    es wird wieder gut.
    alles liebe,
    keita

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  4. Anna

    Sarah, ich wünsche dir aus vollem Herzen viel Mut und Kraft, deinen Weg weiter zu gehen. Es gibt ihn, du musst nur die richtige Spur wiederfinden. Lasse dich von deinen Lieblingsmenschen begleiten, dann wird es ein klein wenig einfacher. Versprochen!
    Liebst, Anna

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  5. Lena

    Liebe Sarah, das tut mir sehr sehr leid! Manchmal liegen die guten und die schlechten Dinge so nahe beieinander. Meine Mutter hat auch im selben Jahr ihren Vater verloren, wie sie mich bekommen hat. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft! Lena

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  6. Katja

    „Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang, nur vor dem derer, die mir lieb sind. Wie soll ich sein, wenn sie nicht mehr sind? Bedenke: Den eignen Tod, den stirbst du nur. Doch mit dem Tod der anderen musst du leben.“
    (M. Kaleko)

    Liebe Sarah, es tut mir so unendlich leid für Dich. Von Herzen mein Beileid zu Deinem schrecklichen Verlust. Ich kann nur erahnen, was Du jetzt durchlebst, und muss auch sofort weinen, wenn ich mir das vorstelle.

    Dein Papa wird immer bei Dir sein, auch wenn Du ihn nicht mehr wirst umarmen können, da bin ich sicher, und auch, dass ihn wahnsinnig glücklich gemacht hat, noch Deine Tochter kennenzulernen.
    Alles Gute Dir und viel Kraft in dieser schrecklichen Zeit.

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  7. Elisa Zunder

    Liebe Sarah,
    ich wünsche dir ganz viel Kraft in dieser schweren Zeit.
    Leider kann ich selbst genau nachfühlen, wie es dir ergeht, da mein Vater auch vor 5 Jahren viel zu früh von uns gegangen ist.

    Drück dich! <3

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  8. Jule

    ganz viel kraft jetzt in dieser zeit.
    es wird dir niemand übel nehmen, wenn du mal keine artikel schreibst,denn das leben geht manchmal einfach vor, obwohl ich dich hier schon irgendwie vermisst habe..<3
    jule

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  9. Liv

    Liebe Sarah,
    ich bin 25 und mein geliebter Vater ist auch vor zehn Wochen plötzlich gestorben. Ich kann alles nachvollziehen, was du schreibst. Mich schmerzt am meisten, dass mein Papa meinen Uniabschluss nicht mehr miterlebt – und meine Kinder nie kennenlernen wird. Dieser Gedanke tut am meisten weh.
    Verbundene Grüße
    Liv

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  10. Marta

    Liebe Sarah,

    Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie schwer es war für dich war diesen Text zu schreiben. Mit jedem Wort durchlebt man die schlimme Zeit nochmal vor seinem geistigen Auge und die Frage nach dem Warum bohrt sich in die Gedanken. Ich habe meine Mama letztes Jahr viel zu früh an den Krebs verloren. Ich kann nur zu gut verstehen, wie es dir geht. Ohnmacht und Wut, Leere und Trauer in einem ständigen Kampf miteinander. Ich würde dir so gerne sagen, dass es irgendwann besser wird und du wieder ganz du selbst bist. Ich finde aber nicht, dass der Verlust eines geliebten Menschen je wieder gut sein kann. Aus Erfahrung kann ich dir sagen, du lernst damit umzugehen. Irgendwann wird der Verlust ein täglicher Begleiter, der aber nicht mehr Überhand nimmt. Ein stiller Schatten, der immer bei dir ist aber nun einfach zu dir und deinem Leben gehört. Du lernst damit zu leben und ihn irgendwann wertzuschätzen. Ich wünsche dir und deiner Schwester viel Kraft.

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    1. flo

      ich finde das sehr gut getroffen. ein stiller schatten. ich habe vor 16 jahren meine eltern verloren. und der verlust ist stets spürbar. ich bin jetzt 40, habe 2 kinder. damals war ich 25 studentin. der schatten begleitet und prägt. aber dennoch würde ich sagen dass alles gute werden kann. am anfang, in den ersten jahren, eine zchreckliche idee. darf alles gut werden? ich sage ja. zum leben zum gut werden glücklich sein. aber auch zum schatten. und zur nie endenden trauer. mir hat in der tat der satz geholfen und er tut es noch: strahlende tage – nicht weinen dass sie vergangen sondern lächeln dass sie gewesen. der tod gehört zum leben. lasst uns mutig bleiben.

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  11. Kathi

    Liebe Sara,
    ich habe vor fast 4 Jahren ebenfalls plötzlich meinen Vater verloren und weiß, wie schrecklich dieses Gefühl ist. Noch heute fühle ich das jeden Tag und es tut einfach immer weh.
    Das Leben kann so gemein sein und erinnert einen dann trotzem daran, dass man so oft seine Zeit mit Nichtigkeuten vertrödelt, sich über etwas ärgert, dass man eh nicht ändern kann und dass es eigentlich ganz simple Dinge sind, die am Ende zählen: Familie, Freunde und Lachen.
    Ich wünsche Dir für die nächste Zeit ganz viel Kraft! Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst und drück Deine Lieben ganz fest. Das sollte man viel häufiger tun.
    <3

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  12. Kathrin

    Liebe Sarah, ich wünsche Dir von Herzen ganz viel Kraft für diese schwierige Zeit. Und finde dich gleichzeitig so unfassbar tapfer und stark, dieses furchtbare Schicksal hier auf deinem Blog zu teilen <3!

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  13. Rina

    Liebe Sarah,
    von Herzen mein Beileid für dich und deine Lieben.
    Auch wenn alle tröstenden Worte nun leer scheinen und dir zu nichts weiter nutze sind, so bin ich sicher, dass dein Papa nichts mehr möchte, als dass dir 24/7 ein Lächeln auf die Lippen gezaubert wird.
    Erinnere dich an die schönsten gemeinsamen Stunden und du wirst nie allein sein!

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  14. Lenta

    Danke für deinen persönlichen Beitrag! Alleine der Gedanken, dass man von einem geliebten Menschen Abschied nehmen muss, treibt mir die Tränen in die Augen. Ich wünsche dir alle Kraft, um diese Zeit zu überstehen!

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  15. Frau Auge

    Alles alles Liebe für Dich.
    Als mein Vater starb, wünschte mir jemand Geduld.
    Das war ein guter Wunsch, deshalb geb ich ihn Dir weiter: hab Geduld mit Dir – alle Gefühle kommen dann, wenn sie da sein sollen.
    Und: es gibt ein Verbundensein – auch über den Tod hinweg. Ganz bestimmt. Ich hab es erfahren und viele haben mir davon erzählt.
    Ganz viel Warmes Dir und Euch.

    Antworten
  16. Bina

    Mir sind gerade die Tränen gekommen und ich wünsche dir viel Kraft in dieser schweren Zeit. So ein krasser Verlust reisst einem den Boden unter den Füßen weg und hinterlässt eine Lücke, die sich nie mehr schliesst. Irgendwann kann man mit der Trauer leben, bis dahin wünsche ich dir alle Unterstützung, die du kriegen kannst. Fühl dich gedrückt.

    Antworten
  17. Laura

    Liebe Sarah, ich kenne dich nicht aber dein Text hat mich zu Tränen gerührt. Glaub mir: Es wird irgendwann besser, irgendwann kannst du wieder mit einem Lächeln an ihn denken. Ich wünsche dir alles Liebe und viel Kraft! Fühl dich umarmt

    Antworten
  18. Malaika

    Meine liebste Sarah,

    als ich, die wie immer nix mitkriegt, heute Lina fragte „wasn mit Sarah los, die postet ja gar nix?“
    War ich zutiefst geschockt. Eigentlich möchte ich dich nur ganz fest drücken und dir sagen, dass die Sonne
    irgendwann auch wieder scheint, dass die die sagen „Zeit heilt alle Wunden“ es ein bisschen zu leicht nehmen.
    Sei weiterhin so stark und mutig, wie wir dich kennen!
    Liebst
    m

    Antworten
  19. Lena

    Liebe Sarah,

    was habe ich gerade für einen Kloß im Hals…meine Mutti ist im Sommer nach einem Jahr hoffen-kämpfen-verzweifeln-wieder hoffen gegangen. Als frische Oma, als frisch Verliebte und Lebenshungrige. Ich warte noch auf dieses „es wird leichter“ von dem so viele reden, denn nach wie vor wechseln sich bei mir Wut, Trauer und Verzweiflung und das ewige Warumgefrage ab. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und vor allem auch Mut, das Leben wieder genießen zu können (was mir immer noch schwer fällt). Ein kleiner Mensch kann dabei einem, neben Job, Geschwistern, Partner, Familie- eine große Hilfe sein. Ein Baby/Kleinkind nimmt ja auf die Trauer keine Rücksicht, was oft hart ist, aber einen auch hilft aufzustehen. Weiterzumachen. Nach vorne zu gucken.
    Alles Gute für dich und deine Familie!

    Antworten
  20. Laura

    Liebe Sarah,

    ich habe eben Deinen Text nochmal gelesen, als Du in Deinem Text über das erste Jahr mit Deiner Tochter auf den Tod Deines Vaters hingewiesen hast. Ich hatte ihn damals gelesen und es tat mir sehr leid für Dich. Jetzt habe ich ihn erneut gelesen, aus einem anderen Blickwinkel, weil mein Vater auch letzten Monat gestorben ist. Er war 64, doppelt so alt wie ich und noch viel zu jung, finde ich. Wir haben auch bis zum Ende auf ein medizinisches Wunder gehofft. Aber es kam nicht.

    Es tut mir wirklich leid für Dich und Deine Familie. Danke für Deinen Text.

    Antworten

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