FEMINISMUS // Sheryl Sandberg:
Together Women Can

14.07.2016 box3, Feminismus

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Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg möchte, dass Frauen sich gegenseitig unterstützen. Für ihre neue Kampagne Together Women Can hat sie Unterstützerinnen wie Lena Dunham und Kerry Washington an Bord geholt. Das Ganze ist ehrenwert – aber auch nicht unproblematisch.

„In der Hölle ist ein besonderer Platz für Frauen reserviert, die einander nicht helfen“, pflegte die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright vor vielen Jahren zu sagen. Die Botschaft war klar: Besser zusammen als alleine. Oder, im heutigen Hashtag-Sprech: #girlpower #girlsquad. Leider wiederholte Albright den Spruch Anfang diesen Jahres nochmal und von Sisterhood war da nichts mehr zu spüren: Demokratische Frauen, die bei den US-Vorwahlen nicht für Hillary Clinton stimmen, so Albright indirekt, seien eben unsolidarische Verräterinnen.

Wenn Frauen Frauen helfen

Nun ist das mit der Frauensolidarität so eine Sache. Viele finden den Gedanken, sich nur deshalb mit einer Person zu verbünden, weil diese zufällig das gleiche Geschlecht hat wie Frau selbst, eher abschreckend – andere Faktoren sind manchmal eben viel bestimmender als das Geschlecht. Für andere hingegen ist weibliche Solidarität Ehrensache. Und dazu gehört auch Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg. Für ihre neue Initiative Together Women Can hat sie sich Gleichgesinnte wie Emma Watson, Kerry Washington oder Lena Dunham geschnappt. Das Ziel: #LeanInTogether. Seit der Veröffentlichung ihres Buches Lean In. Frauen und der Wille zum Erfolg 2013 ist Sandberg zu einer Art Guru mutiert, wenn es um Frauen und Karriere geht. Bestärkt durch den Erfolg von Lean In hat sie sogenannte Lean In Circles ins Leben gerufen: Lokale Treffen, bei denen berufstätige Frauen sich austauschen und gegenseitig unterstützen können. Und nun also auch noch Together Women Can. Um was genau es dabei geht, erzählte Sandberg Lena Dunham im Lenny-Interview:

„The campaign celebrates the power of women supporting each other. There is a myth that women don’t support other women. It’s just not true. The reality is that women accomplish amazing things when we support each other.”

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Quasi als Beweis versichern sich Sandberg und Dunham dann auch mehrfach, wie inspirierend und toll sie die jeweils andere finden: „Lena, I learned more about finding my own voice from you more than anyone else.“ Ein bisschen nervig, ja, aber irgendwie auch nett. Sandberg weist außerdem auf die Vorurteile hin, denen Frauen im Berufsalltag begegnen – und von denen selbst sie sich offenbar nicht ganz frei machen kann:

„We expect more kindness from women, and we judge them more harshly. Early in my career there was a senior woman who I was excited to work with, and I thought she would be helpful. When she wasn’t, I was devastated. I expected greater kindness because she was a woman. There are plenty of men who haven’t been helpful in my career and I wasn’t devastated as a result. We have to correct the biases women face. You shouldn’t feel obligated to support a woman because she is a woman, but because you believe in her ideas and capabilities.”

Männer? Spielen keine Rolle

Sheryl Sandberg hat sicher nur die besten Absichten – aber so ganz unproblematisch ist ihre Lean In-Philosophie nicht. Da wären einmal die strukturellen Probleme: Ehrgeiz und der Wille zum Erfolg sind sicher toll, können gegen strukturelle Benachteiligung aber nicht unbedingt was ausrichten. Die Arbeitswelt muss sich radikal ändern, wenn sie gleichberechtigter werden soll – Sandberg setzt jedoch eher auf das Prinzip Anpassung: Wenn Frauen sich ändern und die Strategien der Männer übernehmen, können sie erfolgreich sein. Überhaupt: Männer. Die spielen bei Sandberg im Prinzip keine Rolle, außer als emanzipierte Ehemänner, die der ehrgeizigen Liebsten den Rücken frei halten. Dass es überwiegend Männer sind, die die sexistischen und ungerechten Strukturen aufrechterhalten, unter denen so viele Frauen am Arbeitsplatz leiden, scheint irgendwie nicht so wichtig zu sein. Girl Power ja, aber nicht um den Preis, eventuell ein paar Männern mit Forderungen auf den Keks zu gehen. Wütende Feministinnen mag man(n) schließlich nicht.

Darüber hinaus scheint die Lean In-Philosophie hauptsächlich auf weiße, mehr oder weniger wohlhabende Frauen zugeschnitten zu sein. Dass Rassismus zu den Problemen gehören könnte, denen Frauen auf der Arbeit begegnen, darauf ist Sandberg nicht gekommen. Ja, die Afro-Amerikanerin Kerry Washington unterstützt Women Together Can – gleiches gilt allerdings für Fox News-Moderatorin Megyn Kelly, die nicht nur entschieden anti-feministisch ist, sondern in der Vergangenheit auch durch rassistische Äußerungen auffiel.

Frauen zusammen können vieles – das System, das sie so benachteiligt, allein durch Solidarität und gegenseitiges Anfeuern ändern, können sie nicht. Andererseits: Wann haben Erfahrungsaustausch und Unterstützung jemals geschadet?

Bilder der Collage via: Insagram Lena Dunham, Emma Watson, Victoria Beckham

Von Julia Korbik.

Julia Korbik (*1988) lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. 2014 erschien ihr Buch Stand Up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene (Rogner & Bernhard). Julia ist Gründerin und zuständige Redakteurin von Mind the Gap, der Gender-Rubrik des sechssprachigen Europa-Onlinemagazins cafébabel. Auf ihrem Blog Oh, Simone dreht sich alles um die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir.

Alle Artikel von Julia auf einen Blick.

2 Kommentare

  1. Leonie

    Ein toller und vor allem reflektierter Artikel Girls! 🙂 Gerade den Aspekt der strukturellen Benachteiligung finde ich wirklich sehr itneressant. Ich bin in der glücklichen Position, in einer Agentur zu arbeiten bei der nicht das Geschlecht, sondern die Leistung im Vordergrund steht.

    Liebe Grüße,
    Leonie

    http://www.allispretty.net

    Antworten
  2. Pi

    indeed, sehr interessanter, nachdenklicher artikel.

    reflektieren, und vor allem auch ihre meinung revidieren und vom leben lernen kann sheryl sandberg allerdings auch. nach dem tragischen, frühen tod ihres mannes im letzten jahr schrieb sie anfang diesen jahres einen langen facebook post, in dem sie zugibt, dass sie sich mit „lean in“ teilweise zu weit (aus dem fenster) gelehnt hatte.

    als nun alleinerziehende mutter vor völlig neue tatsachen gestellt und des „emanzipierten Ehemmannes, der der ehrgeizigen Liebsten den Rücken frei hält“ beraubt, erkennt auch sie nun viele vorher übersehene aspekte der strukturellen benachteiligung von frauen/müttern im berufsleben. hier mehr dazu: http://www.slate.com/blogs/xx_factor/2016/05/09/sheryl_sandberg_admits_being_single_mother_makes_leaning_in_harder_than.html

    p.s.: julia, du bist eine echte bereicherung für diese seite! ich mag deine themenwahl und auch deinen schreibstil sehr und freue mich jedes mal über deine tollen, gedankenanstöße gebenden artikel!

    Antworten

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