Wir fragen, ihr antwortet //
Können wir auf eine gesunde Art
mit dem Konsum Freundschaft schließen?

IMG_1769Hi, ich bin Pia, Mediendesignerin und Markt- und Werbepsychologin. Zwei Seelen wohnen, ach!, in meiner Brust: Ich liebe Kleidung, Kunst und tolles Design, entwickele aber eine stetig zunehmende Antipathie gegen Kommerz, Fast Fashion und das Zelebrieren von Lifestyle-Konsum. Wie geht das zusammen, fragt Nike, können wir auf eine gesunde Art mit dem Konsum Freundschaft schließen? Ein Erklärungsversuch.

Irgendwo in der deutschen Blogosphäre, wo genau weiß ich leider nicht mehr, habe ich vor kurzem einen wundervollen Satz gelesen, der lautete in etwa so: „Ich liebe Mode für diese Momente, in denen man in den Spiegel schaut und durch die neuen Kleider auf einmal die Frau sieht, die man auch sein könnte“. Bäm! Treffer, versenkt. Dieser Satz bringt es auf den Punkt, finde ich. Mode ist so viel mehr als Ästhetik und Design: Es geht nicht nur darum, wie toll sich der Stoff anfühlt, wie meisterhaft er verarbeitet ist, was die rein physische, ästhetische Kombination aus Stoffen, Farben und Schnitten über alle Sinneswahrnehmungen in der Psyche auslöst. Vielmehr noch geht es um das Lebensgefühl, das man sich mit Mode anziehen kann. Mode kann in einen kunstgeschichtlichen Kontext eingeordnet werden. Sie ist mit kulturellen Codes aufgeladen, die es uns erlauben, durch sie in neue Rollen zu schlüpfen. Mit einem Hoodie sind wir homie, im Slipdress lover, in Boyfriend Jeans friend. Dank weit fallender Anzughose und umschmeichelnder Seidenbluse werden wir zur smarten, schicken Businesswoman, nach getaner Arbeit werfen wir uns dann luftig leicht ein geblümtes Sommerkleid über, um den Hippie im Herzen nicht zu verlieren. Wer Meister dieses Spiels ist und seine Regeln kennt, kann diese Codes brechen und sie sich kreativ zu Eigen machen. Die kulturell geteilten und medial vermittelten Codes, die in Kleidungsstücken und schönen Designobjekten für uns greifbar werden, helfen uns dabei, unser Selbst zu erweitern, unsere Identität zu konstruieren und damit zu spielen. Das ist eine tolle Sache, so kann Kleidung unser Leben bereichern und uns dabei helfen, uns selbst und der Welt zu signalisieren, wer wir sind. Und wer wir sein wollen.

Was man über dieses schöne Spiel aber nur zu gern vergisst ist, dass Mode (und alle anderen schönen käuflichen Objekte) immer nur ein Hilfsmittel sein können, nur eine Hülle, für all das, was wir in sie reinprojizieren. Eine Hülle, die dann mit Inhalt gefüllt muss, um sie zum Leben zu erwecken. Das Tempo, mit dem wir immer neuen schönen Trends und neuen Objekten der Begierde hinterherhetzen, bestimmt, wie oberflächlich dieses Spiel der kulturellen Codes und verschiedenen Rollen bleibt. Wenn wir von einem konsumierbarem Lebensgefühl zum nächsten jagen, und immer weiter in neuen schönen Dingen nach der Frau suchen, die wir sein wollen, bleiben wir immer in einer passiven Konsumentenhaltung. Dadurch können wir die Wünsche und Sehnsüchte, die uns dazu antreiben, immer wieder neue Dinge zu kaufen, nie erfüllen und unsere Facetten, denen wir durch Besitz Ausdruck verleihen wollen, nie ausleben. Je mehr wir konsumieren, desto krasser wird die Geringschätzung des Besitzes, den wir schon erworben haben, der Sehnsüchte und Träume, die wir vor dem Kauf in ihn reinprojiziert haben und auch der Ressourcen, die dafür eingesetzt werden mussten. Irgendwann rutscht man dann immer tiefer in die Hyperkonsum-Falle und ist nicht mehr die facettenreiche Frau, die alle ihre Seiten auslebt, sondern nur noch die Frau, die nach schöner Verkleidung hetzt und dabei Ressourcen verbrennt, als gäbe es kein Morgen mehr.

Eine der smarten Jane Wayne Leserinnen hat es mal super treffend auf den Punkt gebracht: NUTZEN statt HABEN. Das ist der Schlüssel. So einfach und so wahr. Vom Haben allein haben wir nix , dann hat der Besitz in echt uns! Nur wenn die schönen Dinge auch genutzt werden, können sie ihren Zweck erfüllen. Und je mehr Besitz wir haben, desto weniger können wir ihn nutzen. Das gilt nicht nur dann, wenn wir immer mehr Besitz anhäufen, nichts wegschmeißen können und dadurch vom Clutter erdrückt werden, sondern auch, wenn wir vermeintlich ganz minimalistisch immer neuen Dingen nachjagen und dafür Altes gehen muss. Wir haben in jedes Stück Neubesitz echte Lebenszeit reingesteckt. Zeit, um das Geld zu verdienen, mit dem schöne Dinge bezahlt werden. Zeit, um Besitz zu suchen, zu kaufen, in unser Leben zu integrieren. Diese Zeit steht für andere Dinge und für andere Menschen in unserem Leben nicht mehr zur Verfügung. Damit sich dieser deal auch lohnt, sollte man den Besitz dann auch wirklich ordentlich zum Einsatz bringen, ihn wertschätzen und sich dran erfreuen, und im besten Fall auch Andere damit ein Stück glücklicher machen.

Klingt logisch, klingt einfach, ist aber nicht so easy-peasy umzusetzen, weil wir im Konsum ja doch viel mehr suchen als den reinen Nutzwert. Wir werden jeden Tag von tausenden medialen Botschaften und Werbesignalen umschmeichelt, die Produkte emotional und motivational aufladen, um sie uns zu verkaufen. Auch (sogar: besonders!) wenn wir glauben, dieses Spiel zu durchschauen und souverän über diesen Dingen zu stehen, werden wir dadurch sehr stark beeinflusst. In unserer  Gesellschaft wird auf multiplen Kanälen suggeriert, dass wir Glück, Zufriedenheit, Erfolg, Image, Selbstwert, schlicht „das gute Leben“, mit den richtigen Produkten erkaufen können. Jedes Lebensgefühl wird heutzutage konsumierbar gemacht, auch wenn dieses Lebensgefühl ursprünglich mal einen ruhigen, sich auf das Wesentliche besinnenden Gegenpol zum Konsumwahn darstellen sollte – öko, minimalistisch, boho, normcore – you name it. You see it, you buy it. Immer schneller, immer mehr. So externalisieren wir unser Streben nach Glück, Zufriedenheit, Selbstsicherheit, Balance, nach Identität immer weiter. Und das ist ein sehr gefährliches Spiel.

Verliebt man sich z.B. in einen tollen, massiven, riesigen Esstisch, ist dabei meist nicht der Tisch an sich das wirkliche Objekt der Begierde (auch wenn er noch so ein toller Designklassiker ist, aus ganz fantastischem Material). Was man wirklich in ihm sieht, geht meist viel tiefer. Vielleicht tagträumt man schon davon, mit Familie und Freunden an diesem Tisch zu sitzen, sieht sich gemeinsam lachen, essen, tolle Gespräche führen. Hat man den Tisch dann aber gekauft, werden diese eigentlichen Bedürfnisse dadurch ja nicht erfüllt. Man sehnt sich weiterhin und sucht weiter nach Befriedigung im Konsum. Für die ursprünglich ersehnten entspannten Kochaktionen und langen, durchquatschten Nächte bleibt also erstmal keine Zeit, weil man vorher unbedingt noch nach neuen Stühlen schauen muss, da die alten überhaupt nicht zum neuen Tisch passen…dann fehlen noch Keramikgeschirr und kupfernes Besteck, die Bodenständigkeit und Ruhe ausstrahlen, eine Leinentischdecke, etc.… anstatt den wirklichen Traum wahr zu machen und den neuen Schatz ordentlich zu nutzen, um sich mit den Herzmenschen eine tolle Zeit zu machen, steckt man im Konsumsumpf und lässt sich ständig von neuen Dingen verführen, die „das gute Leben“ versprechen…

Viele von uns sind sich dieser Fremdsteuerung schon zu einem gewissen Grad bewusst und finden es auch mehr oder weniger kacke, gehen dann aber doch lieber shoppen, um das unangenehme Gefühl zu überwinden und sich in schöne, vermeintlich unbeschwerte und lebensfrohe Welten zu flüchten. Das ist vollkommen normal und liegt daran, dass Materialismus in unserer Gesellschaft und Wirtschaft quasi die Default Einstellung unseres Werte- und Zielsystems ist. Dieses wird besonders stark aktiviert, wenn wir unglücklich oder unsicher sind, und uns Existenzängste plagen. Und wenn man da in seinem Wertekompass nicht super gefestigt ist und/oder aktiv dagegen ansteuert, werden unsere Gefühle, Gedanken und Entscheidungen immer wieder von diesen Zielen und Werten geleitet. Die meisten denkenden und fühlenden Wesen haben viele konfliktäre Gedanken, Einstellungen, Werte und Lebensziele im Kopf und im Herzen: Viele Menschen checken heutzutage, dass übermäßiger Konsum Umwelt und Gesellschaft schadet und merken auch, dass sie selbst damit nicht glücklich werden. Die meisten Menschen lieben Geschichten und Lieder, die davon erzählen, wie Liebe und Miteinander über oberflächliche Schönheit, Schickimicki und Ausbeutung siegen. Aber trotzdem geben sich die meisten immer wieder nur zu gern der Verführung hin, anstatt wichtigere Baustellen in ihrem Leben anzugehen oder einfach nur zu lernen, das Hier und Jetzt zu genießen, ganz wunschfrei. Doch es lohnt sich sehr, für jeden, dieses Spiel mal kritischer zu reflektieren, da nicht nur unsere Umwelt, sondern unser ganz persönliches Glück darunter leidet. Das kann man nicht nur philosophisch oder gar spirituell herleiten, sondern mit knallharten wissenschaftlichen Fakten belegen. Die empirische Evidenz ist echt überwältigend und es kommen stetig neue Erkenntnisse dazu. Aber erstmal ein Schritt zurück:

Wie kann es überhaupt sein, dass Materialismus und Konsumerismus so eine Strahlkraft entwickeln konnten, wenn sie doch so schlecht für das menschliche Wohlbefinden und die Umwelt sind? Stark vereinfacht kann man sagen, dass unser Wirtschaftssystem und das Primat des Wirtschaftswachstums inklusive unbegrenzter Nachfragestimulation (Werbung) und Materialismus als Leitwert (Wichtigkeit, die Besitz und Besitzakkumulation im Leben eingeräumt werden, sowie der Glaube, dass Besitz glücklich macht und ein Zeichen von Erfolg ist) sich in Zeiten der Knappheit bewährt und dann über Jahrzehnte hinweg verselbständigt haben. Zu Zeiten der Knappheit war diese Priorisierung ökonomischen Wachstums auch sehr sinnvoll und hat toll funktioniert, um wichtige Güter des Lebens für die große Masse verfügbar zu machen: Bis zur Erfüllung der physiologischen, sicherheitsbezogenen und sozialen Grundbedürfnisse (Essen, schlafen, adäquate Kleidung, Dach über dem Kopf, Bildung etc.) ist Besitz logischerweise sehr eng mit Wohlbefinden und Glück verknüpft. Aber darüber hinaus trägt Besitzakkumulation erstaunlich wenig zu einem „guten Leben“ bei. Im Gegenteil. Sind diese Bedürfnisse erfüllt, offenbart der Drang nach schönen Dingen eine zunehmend negative Seite. Nennen wir es beim Namen, ab hier mutiert Materialismus zu einem echten Arschloch.

In unserer Konsum und schöne Oberfläche zelebrierenden Überflussgesellschaft rocken wir die Natur, unsere eigene Lebensgrundlage, zu Grunde und werden dabei immer unglücklicher, unzufriedener, einsamer und depressiver. Materialistische und mit ihm eng verwandte extrinsische Werte (Wert und Wichtigkeit von Besitz, Schönheit, Image, Status) korrelieren signifikant negativ mit Glücksempfinden, Lebenszufriedenheit, Selbstsicherheit, Selbstverwirklichung, sozialem Miteinander…also mit allem, was uns noch viel mehr Spaß und Freude bringen kann, als schöne Dinge es jemals tun können. Und diese Korrelation ist anscheinend bidirektional, das heißt: Materialismus macht Menschen einerseits unglücklicher, unzufriedener und unsicherer, und andererseits neigt man besonders stark dazu, Glück, Zufriedenheit und Sicherheit in schönen Dingen zu suchen, wenn man grad auf irgend einem Level unglücklich, unzufrieden oder unsicher sind – ein Bilderbuch-Teufelskreis. Diese Zusammenhänge wurden mehrfach empirisch belegt, und es gibt diverse Erklärungen dafür. Ein paar Beispiele:

Je mehr wir kaufen, desto eher setzt die „hedonische Adaption“ ein. Man projiziert im Vorfeld oft viel mehr in neuen Besitz hinein, als er dann tatsächlich leisten kann. Hat man das Objekt der Begierde dann „erjagt“, kann man sich nur kurz daran erfreuen (manchmal auch gar nicht, hallo an alle Schrankleichen). Je mehr und schneller man neues kauft, desto schneller setzen Gewöhnungseffekte ein,  irgendwann freut man sich über die Chloé Tasche genau so viel oder wenig wie sich jemand anderes sich über einen hübschen Jutebeutel freut. Weil auch die trendigsten, hochwertigsten und schicksten Täschchen dann anscheinend doch nicht die ersehnte, wunschfrei machende Trophäe sind, glaubt der homo consumens , einfach nur eine falsche Wahl getroffen zu haben und sucht weiter nach der sich diesmal aber wirklich lohnenden „Investition“.  Willkommen in der „hedonistischen Tretmühle“.  Je tiefer man dem weißen Hasen in dieses Loch gefolgt ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass irgendeine Tasche der Welt einen jemals dauerhaft zufrieden und glücklich machen kann.

Wenn wir unsere Herzen und Hirne in die materialistische Glitzerwelt entführen lassen, werden wir noch dazu immer abhängiger von sozialen Vergleichen. Nicht der absolute, sondern der relative Besitz und der Vergleich zu anderen löst (kurzfristige, ziemlich oberflächliche) Glücks- und Zufriedenheitsgefühle aus, und da es immer Menschen gibt, die mehr, schönere oder auch coolere Dinge besitzen als man selbst (die Medien sorgen schon dafür, dass wir da ausreichend mit in Kontakt kommen), gibt’s auch hier schnell ein Gratisticket für die „soziale Tretmühle“.

Diese Effekte führen nicht nur zu einem gesellschaftlichen Nullsummenspiel (es gibt immer nur bestimmte „Rangplätze“ von Status, Schönheit und Erfolg, steigt einer auf, verliert ein anderer), sondern auch zu einem Negativsummenspiel: Wir verbrennen als Individuen und als Gesellschaft so viele Ressourcen und hyperkonsumieren unsere eigene Lebensgrundlage buchstäblich unter dem Arsch weg (aber ist ja nich so schlimm, durch globale Erwärmung bedingte Naturkatastrophen wirken sich rein rechnerisch positiv auf das Bruttoinlandsprodukt aus, also YAY!) UND werden dabei auch immer unglücklicher. Tolles Spiel, mh?!
Je mehr Zeit, Gedanken und Gefühle man der Jagd nach Geld, Besitz und schöner Oberflächlichkeit einräumt, je mehr man glaubt, sich dadurch Glück und „das gute Leben“ kaufen zu können und je mehr man den eigenen Lebenserfolg und den anderer danach beurteilt, was sie haben und wie sie sich darstellen, desto weniger Zeit und Platz hat man für Dinge, die einen wirklich glücklicher machen und erfüllen können, die weniger stark hedonischer Adaption und sozialen Vergleichen unterliegen und die nicht auf Kosten anderer gehen, sondern für mehr Miteinander stehen.

Was genau das ist, muss jeder für sich selbst entdecken. Wenn wir in uns gehen und schauen, was uns tief drinnen an den schönen Objekten reizt und welche Bedürfnisse sie wirklich ansprechen, haben wir meist schon ein gutes Indiz dafür. Oft werden durch Werbung in Echt Bedürfnisse nach Sicherheit, Selbstverwirklichung und nach tiefen sozialen Beziehungen angesprochen, um Produkte unter die Leute zu bringen. Und diese Bedürfnisse kann man auf verschiedensten, ganz individuellen Wegen besser befriedigen als mit Besitzakkumulation. Es gibt diverse wissenschaftliche Empfehlungen für einen „gesünderen“, glücksbringenderen Umgang mit Konsum, von dem jedes einen eigenen Aufsatz wert wäre. Ein kurzer Überblick:

  • Weniger ist Mehr, praktiziere Entschleunigung, Achtsamkeit und Dankbarkeit
  • Investiere mehr  in Erlebnisse, weniger in Dinge
  • Investieren mehr in Andere, in Beziehungen und Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, weniger in Dich
  • community over competition: Achte weniger auf extrinsische (Status, Image, Anerkennung) und mehr auf intrinsische Motive und Lebensziele (woran glaubst du, was spiegelt deine Werte wieder, was bringt dir und deinen Lieben Freude?)
  • Begib dich aus der passiven Konsumentenhaltung heraus und nimm dein Leben in die Hand. Finde heraus, was dich glücklich macht, woran du glaubst, was du vom Leben willst. Worin findest du deinen „Flow“?  Und wie kannst du das nutzen, um auch andere Menschen ein wenig glücklicher zu machen, die Welt ein Stückchen besser?

Zugegeben, es ist schwieriger, mal in sich gehen zu müssen, um zu schauen, was man eigentlich wirklich will vom Leben, als sich das in wunderschönen Bildern von den Medien und schlauen Marketingfüchsen vormalen zu lassen. Und man fühlt sich verletzlicher, Besitz verspricht immerhin ein schönes Leben UND er kann einem nicht wehtun. Aber das Problem ist: Geht man den Weg des geringsten Widerstandes, baut man sich seinen goldenen Käfig immer weiter aus und kapselt sich vom echten Leben da draußen ab, an dem man wachsen und stark werden kann. Materialismus führt immer weiter in ein psychisch stark vereinnahmendes Vermeidungs- und Kontrollverhalten, bei dem extern orientierte Selbstdarstellung, Selbstschutz und Impression Management  eine zunehmend dominante Rolle einnehmen, dadurch verliert man immer mehr den Bezug zu sich selbst und zur größeren sozialen und natürlichen Umwelt. In diesem Sinne kann Besitz doch verletzen, er kann einen ersticken, indem er langsam eine Mauer baut und einen einsperrt. Es lohnt sich für jeden, mal ein bisschen soul searching zu betreiben, und selbstbestimmt zu reflektieren, welche Werte und Lebensziele einem wirklich wichtig sind, und wieviel Zeit, Geld, Herz und Gehirnschmalz man der Jagd nach schönen Dingen und schönem Schein widmen will. Wer das nicht tut, lässt den Konsumismus für sich entscheiden, und der zieht einen  automatisch immer tiefer in die Mühle hinein.

Eine Distanzierung von Materialismus und Hyperkonsum macht freier, zufriedener, glücklicher, dankbarer, kreativer, offener für Mitmenschen, die Umwelt und neue Erlebnisse. Sie hilft dabei, das, was wir haben, mehr wertzuschätzen und kreativer damit umzugehen, ohne es auf einen Podest zu stellen. Diese kritische Distanz hilft auch dabei, den Modezirkus eher von einer neugierigen Meta-Ebene aus betrachten zu können, Mode als Ausdruck von Kunst und Kultur wertzuschätzen und darüber zu philosophieren, wie Trends gesellschaftliche Werte reflektieren und wie sie in den größeren Kontext einzuordnen sind, ohne all die schönen Dinge gleich besitzen zu müssen. Wir müssen ja nicht gleich zu super achtsamen, weltlichem Besitz vollkommen entsagenden buddhistischen Mönchen werden (auch, wenn die nachweisbar wirklich mega glücklich zu sein scheinen). Mehr Selbstreflexion und kritische Distanz zum Konsum tut aber trotzdem jedem gut. Konsumieren müssen wir in unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem ja alle, zwangsläufig, täglich. Wir müssen essen, brauchen adäquate Kleidung, wollen uns und unseren Lieben eine schöne Zeit machen. Wenn man sich nicht mehr von Werbung und Medien verführen lässt, sein Geld in tausend schöne, leere Hüllen zu investieren, hat man viel mehr Zeit und Geld zur Verfügung, die man selbstbestimmt und intentional nutzen kann. Mit diesen freigewordenen Ressourcen kann man bei den Dingen, die man konsumieren muss oder wirklich, wirklich will, in Werte investieren, an die man vollen Herzens glauben kann und die einen selbst und die Welt vielleicht wirklich ein kleines Stückchen besser und schöner machen. Bei Essen z.B. in selbstangebautes, lokales, saisonales, bio, fair trade, mit Liebe zubereitetes.  Bei Kleidung z.B. in Kunst und Handwerk, in Selbstgemachtes, oder in kleine Labels, die Herzblut in ihre Arbeit stecken, in Second Hand und Vintage, Tauschbörsen und Sharing Economy, Produkte, die fair und nachhaltig produziert und vertrieben werden etc. Das kann ja jeder für sich selbst entscheiden. Es gibt genügend Optionen und genügend Menschen, die etwas bewegen wollen, die langlebige Produkte und Services kreieren, die sinnstiftende Arbeit schaffen und Unternehmen gründen, an die sie glauben und mit denen sie die Welt ein Stückchen besser machen wollen. Diese Menschen und ihre Ziele bewusst und aktiv zu unterstützen oder gar selbst einer von ihnen zu werden geht tiefer, als sich mit fremden Federn zu schmücken. Wenn man mit Konsum Freundschaft schließen will, ist ein guter Schlüssel immer, sich darauf zu besinnen, wie das gekaufte die eigenen Werte und Lebensziele reflektiert und nicht, was es anderen signalisieren soll.

Danke, liebe Pi. 
Die nächste Frage lautet: Social Media – wo liegt die Grenze zwischen gesunder Selbstliebe und gefährlichem Narzissmus? 
Wer mag, schreibt eine Mail an: nike@thisisjanewayne.com.

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32 Kommentare

  1. elefteria

    dieser text war so unglaublich gut!
    ich werde immer wieder davon abgeschreckt wenn ich kleine mädchen mit mehreren gigantisch großen primark tüten sehe, am besten machen sie danach gleich noch ein „haul“ video auf youtube. das erzeugt in mir immer den selben gedanken: so will ich nicht sein!
    danke pi, dass du uns nochmal daran erinnert hast, das glück nicht an besitztümern hängt & dass wir deshalb nicht wahllos draufrumkonsumieren sollten. mir hat der text sehr viel mitgegeben und ich werde in zukunft bestimmt öfter daran denken 🙂

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  2. Rike Rike

    Danke für diesen Artikel. Ein wirklich wichtiges Thema, wahrscheinlich gerade in so einem reichen Land wie Deutschland. Danke, dass du so vielseitig deine Gedanken mit uns geteilt hast. Ich möchte mir den Artikel ausdrucken, um ab und an mal wieder zur Erinnerung drauf zuschauen. Gruß

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    1. Christiane

      Wow! Jetzt komme ich der Sache mit meinen Jackenkäufen auf die Spur… Man ahnt es ja tief drin und doch, so schwarz auf rosa geschrieben ist es nochmal eine andere Nummer. Dankeschön!

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  3. maja

    Danke für diesen tiefergehenden Beitrag, der so viel mehr ist als die üblichen pseudo-Entschuldigungen, die alle paar Wochen auf vielen (Mode-)Blogs den eigenen Komsum und das eigen Trendopfer-Dasein zu relativieren oder entschuldugen versuchen. Ich denke, dass dein Text sicherlich bei Menschen mit etwas mehr Lebenserfahrung eher fruchtet und für viele „Ältere“ nachvollziehbar und absolut lebbar ist. Auch wenn man es nicht immer 100%ig schafft bewusst und nachhaltig (auf jeder Ebene) zu leben, so macht es doch einen enormen Unterschied, zu wissen, dass das eigene Daseins und Handel Konsequenzen nach sich zieht. Als Leserin diverser Blogs (ohne einen eigene zu besitzen und auch sonst nichts mit dem Modebusiness zu tun zu haben) frage ich mich, wie sollen es die Bloggerinen schaffen, weniger zu konsumieren, wenn doch ihr Lebensunterhalt davon abhängt. Kann ein Modeblog erfolgreich sein (sprich eine breite Masse ansprechen) ohne jeden Trend, jede neue Kollektion und jede neue Kollaboration mit irgendeinem Label usw. als die neusten Must-Haves zu verkaufen. Und das trifft auf so ziemlich jedes Blog zu, wenn auch die Labels variieren, so ist der Hauptteil des contents doch „Werbung“ (auch wenn man schon immmer Hippie war, als Schlaghosen zweiwochen in waren oder in Objekte „investiert“ (Taschen), die dann ein paar Wochen später verkauft werden um neue Investitionen zu finanzieren). Ich persönlich frage mich z.B. immer, ob all die Menschen die bei jedem Instagrampost fragen, von welchem Label etwas ist, dieses sofort nachkaufen. Und falls ja dann spielt das genau in dieses „ich kaufe mir etwas von Nikes Leben/Ausstrahlung/…“ und welchen Nutzen hat man davon, auch als Inspirationsquelle, wie stehts z.B. du dazu Nike?

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    1. Nike Jane

      Da ich gerade auf dem Sprung bin, nur kurz:
      Diese Spagat kann man überhaupt nicht erfolgreich meistern, jedenfalls nicht auf die Art, von der du hier sprichst, glaube ich. Ich bin allerdings der Meinung, dass das auch nicht zwingend sein muss. Das klingt jetzt erst einmal weltfremd, aber was ich meine, ist: Das hier ist mein Beruf. Es ist Teil des Bloggens, immer wieder Neues zu zeigen, unter anderem eben, es gibt nur wenige Unterschiede zu Magazinen. Die private Nike würde also viel weniger besitzen. Scheiße ist die Tatsache, dass dieser Umstand für den Konsumenten super schwer das zu (be)greifen ist, in Bezug auf nicht sprechenden oder schreibende Instagrammer*innen stelle ich mir die Wahrnehmung sogar noch verschobener vor. Mir ist es also wichtig, Diskussionen wie diese hier zu führen, immer wieder. Es ist außerdem dringend nötig, dass die Arbeit von Blogger*innen transparent ist/wird/bleibt (Bezahltes MUSS gekennzeichnet werden). Und dann versuche ich es noch auf meine eigene Art: Wer meine Texte regelmäßig verfolgt, kann darin lesen, dass ich versuche, Inspiration zu liefern statt Druck zu erzeugen. Das geht natürlich oft schief und so stehe ich mit einem Bein permanent in der Moral-Scheiße, wie die meisten von uns. Ich mache aber weiter, in der naiven Hoffnung, dass die Personen, die mir etwa ein Kleid nachkaufen, vielleicht schon lange nach einem solchen Ausschau gehalten und nicht einfach nur blind drauf los konsumiert haben.

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      1. maja

        Danke für die Antwort. Mein Kommentar war auch nicht als Angriff auf Blogger und Werbecontent gemeint, vielmehr denke ich dass das Dasein als Vorbild einen durchaus verändert, die eigene Reichweite wird einem evtl. bewusster und führt (im Bestfall) letztendlich zum stärkeren Bewußtwerden des eigenen Daseins uns Handelns. Ihr macht das mit der Reflexion meiner Meinung nach sehr gut hier, aber auch wenn es dein Beruf ist, so wirkt es dennoch in deinem privaten Ich nach und darauf wollte ich hinaus. Sprich: Ein Blogger ist eben nicht nur eine menschliche Werbetafel.

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      2. Kristiane

        Den Aspekt des Spagats finde ich wirklich spannend Nike. Ich bin selbst auch selbständig und bin an einem Punkt angelangt an dem ich mit meinem Tun immer wieder hadere und die Sinnhaftigkeit in Frage stelle. Bestimmt spielt auch das Alter mit hinein, denn mit Ende 30 stellt man sich wohl andere Fragen als mit Anfang 20. Und das ist auch gut so.

        In den letzten Wochen hatte ich aufgrund manch Deiner Artikel das Gefühl, dass Dich auch das ein oder andere Fragezeichen immer wieder gern mal quält. Und dass diese Fragezeichen eben auch durch Deinen Beruf gefüttert werden.
        Wie Maja schon sagte, privat und beruflich lässt sich nicht einfach trennen. Tatsächlich halte ich selbst den Versuch – in Bezug auf die Gesundheit des eigenen Egos – inzwischen für sinnlos bis gefährlich.

        Das Schöne – und manchmal Erschreckende – am selbständig sein ist für mich der Umstand alle Hebel in der Hand zu haben. Wir haben immer eine Wahl. Daran glaube ich ganz fest. (Und das ist für mich allgemeingültig und nicht auf die berufliche Ebene beschränkt) Auch wenn wir uns gern mit Argumenten wie ‚Ich muss aber doch die Miete bezahlen‘ beruhigen oder uns und andere mundtot machen.
        Einen Schritt zurückzutreten und sich selbst zu fragen ‚Stehe ich wirklich dahinter?‘ oder sich selbst zu sagen ‚Das ist meine Wahl‘ ist da in meinen Augen die ehrlichere und auf Dauer gesündere Variante.

        Umso gespannter bin ich wie es an dieser Stelle weitergeht. Denn ich schließe mich Pi an, wenn sie sagt, dass dieser Ort (neben Dariadaria) einer der wenigen ist, die es verstehen dem Modebloggerzirkus mit Mehrwert auszustatten.
        Wobei für meinen Geschmack da noch ganz viel Luft nach oben ist und so manch ein Shopping-Post im Tausch gern unter den Tisch fallen dürfte 😉

        /// Und wenn Du es schon selbst erwähnst, „Bezahltes MUSS gekennzeichnet werden“. Das ist für mich tatsächlich ein nicht zu unterschätzender Aspekt, der nochmal einen großen Unterschied macht. Nicht als Grundlage für kurzgedachte Kritik, sondern als ein weiteres Mittel um Haltung zu zeigen indem man sich von den vielen Mauscheleien anderer Blogger/Influencer in Bezug auf das Thema Werbung/Sponsoring abgrenzt. Also bitte zieht das konsequent auf all Euren Kanälen durch. Fotos wie die Eurer letzten Boss Reise fallen dann genaugenommen auch unter #sponsored. Oder? ///

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        1. Nike Jane

          Liebe Kristiane, zu Boss ganz kurz: Rechtlich gesehen nicht, denn es musste kein einziges Bild gepostet werden und es gab auch keine Entlohnung, weder für unser Dasein, noch für eines der Bilder. Moralisch könnte man darüber nachdenken, allerdings würde es dann den Anschein erwecken, ich hätte nicht aus freien Stücken gepostet, wonach mir gerade der Sinn stand, sondern hätte Geld dafür bekommen. Das hätte ich auch nicht gewollt. Also: Schwieriges Thema. Und zu den Shoppingposts: Nein, nein, die liebe ich so sehr und schaue sie mir auch auf anderen Seiten so gern an! Auf die mag ich nicht verzichten. Wie gesagt, das hier ist kein Nachhaltigkeits-Blog, aber einer, dem all die übrigen Aspekte neben dem Konsum eben nicht egal sind. Deshalb fühlt sich Jane Wayne für mich gerade genau richtig an. Wo es hingehen wird, das bleibt für uns ebenso spannend wie für euch. Aber worüber ich im Privaten nachdenke, das teile ich zwar immer wieder und gerne, aber wirklich auch nicht alles. Denn wie gesagt, es gibt Berenike und Nike Jane, auch wenn Nike Jane immer zu 100% Berenike ist. Aber wenn Berenike nur Nike Jane wäre, ui, das wär ja was!

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          1. Kristiane

            Verstehe. Ich hatte die Posts so verstanden, dass Ihr Reise und Taschen/Kleidung bezahlt bekommen hattet. Mein Fehler. Ich bin da aber zugegeben auch gern mal die mit dem Zeigefinger, auf den ich mir wohl öfter mal selbst hauen sollte.
            Aber der Eindruck bleibt, dass da draussen in Bezug auf Werbung/Sponsoring einfach zu viel unter dem Tisch gehalten wird. Was mEn letztendlich allen Beteiligten schadet.

            So oder so, wollte ich Dir mit meinen Zeilen nicht zu nahe treten.

          2. Nike Jane

            Oh Kristiane, nein, nein, nein! Bist du gar nicht, ich freue mich riesig über Kommentare wie deine, aber wo wir gerade bei Ehrlichkeit sind: Mein größter zu bewältigender Spagat ist gerade jener zwischen meiner Arbeit und Lio, so als Teilzeit-Alleinerziehende mit einem Superduper-Kind, das trotzdem ein wenig Zeit für die Eingewöhnung in seine neue Kita braucht. Da musste ich grad mal schnell sein! Sonst bleibt, wie seit zwei Monaten schon, zu viel auf dem Schreibtisch liegen <3

    2. Pi

      das ist eine super interessante frage, die ich mir auch oft stelle. ich habe auf diesem blog auch schon sehr oft betont, wie beeindruckt ich bin, dass die janes trotz ihres langjährigen eintauchens und erfolg in die modeblubberblase immer noch so offen für kritische reflexionen sind und für themen, die mit materialismus konfligieren (nachhaltigkeit, feminismus etc). das ist glaub ich auch einer der hauptgründe für erfolg und identifikationspotential dieses blogs. wenn man wie die beiden mode/besitzakkumulation und -darstellung mit intrinsischer motivation und lebenszielen verbinden kann (schreiben, weil es glücklich macht, freundschaft untereinander, soziale eingebundenheit in berlins modeclique etc) sind die negativen auswirkungen auf das persönliche wohlbefinden auch nicht so stark wie für den reinen konsumenten.

      nichts desto trotz glaube ich, dass es jedem, inklusive modebloggern, gut tut, den ganzen zirkus kritischer zu betrachten – nicht nur für sich selbst (kreativität, selbstsicherheit und glück gehen flöten, wenn man zu sehr auf außendarstellung, anerkennung und erfolg aus ist, innere wertekonflikte kann man schön verdrängen, aber sie nagen doch an einem etc), sondern für das wohl aller (im sinne des sozialen zusammenlebens und der nachhaltigkeit)). jeder, der nicht für das blanke überleben des selbst und der eigenen familie jede art sich bietender arbeit annehmen MUSS (und das muss in unserem gesellschafts- und wirtschaftssystem kaum einer) hat super viele entscheidungs- und wahlmöglichkeiten. sowohl im konsum als auch in der berufsausübung.

      auch, wenn konsum und wirtschaft so hübsch unpolitisch anmuten, schwingt in jedem konsumakt eine politische komponente mit. jeder akt der konsumakkumulation und -darstellung ist auch ein stimmzettel, mit dem man entweder den konservativen marktradikalismus (unbedingter glaube an kapitalistische marktregulation) oder eine progressivere politik unterstützt (her mit dem schönen leben – aber nicht auf kosten anderer! für ein bischen mehr „grün“ und „sozial“ in der marktwirtschaft). daher kann sich mMn kein konsument und vor allem kein (internetz) content creator mit dem ziel der nachfragestimulation komplett der verantwortung entziehen (auch, und besonders, wenn man wie die affluenza influencer nur schicke bildchen ohne text postet und dadurch konsum hyped und besitzakkulumation als shortcut zu glück und lebenserfolg darstellt).

      und auch in der berufswahl haben wir privilegierten westeuropäer nicht nur zwischen verschiedenen berufen, sondern auch innerhalb des jobs oft entscheidungs- und wahlmöglichkeiten. ich bin z.b. mediendesignerin und markt- und werbepsychologin, was ja komplett auf nachfragestimulation gepolt ist. über eine spezialiseirung auf green marketing bin ich auf den trichter gekommen, dass an dieser ganzen schönen glitzerwelt, die ich schon immer so toll und spannend fand, und dem darunter liegendem system irgendwas nicht ganz stimmen kann – öko-marketing ist zerissen zwischen nachhaltigkeitsbestrebungen und nachfragestimulation, das ist durchaus ein bischen schizo. da das menschliche streben nach glück und das nachhaltigkeitsstreben anscheinend in materialismus einen gemeinsamen feind zu haben scheinen, werde ich versuchen, mich beruflich in zukunft mit de-marketing und slow marketing über wasser zu halten und mit der beförderung von neuen wirtschaftszweigen, die sowohl glück als auch nachhaltigkeit fördern (in meinem fall alternative mobilitätskonzepte). und das nicht, weil ich so toll oder moralisch überlegen bin, sondern auch aus egoistischen gründen. ich lass mich ungern verarschen und abhängig machen (vom materialismus und geld/erfolg/besitz-über-alles-denken) und will gern glücklich sein und etwas machen, an das ich ganz fest glaube. ich hätte gern, dass die menschen, die ich liebe, auch glücklich sind, und auch die natur und tiere find ich ganz gut, die sollen bitte auch nicht unters rad kommen. und ich will, dass unsere tochter, die ich ziemlich cool finde, auch noch glücklich sein kann (und ihre kinder und kindeskinder).

      wie dieser spagat auf einem modeblog aussehen kann, zeigen die janes schon seit jahren, z.b haben sie sich schon für feminismus eingesetzt, als dieser noch nicht so gehyped wurde wie jetzt, sie öffnen sich auch für themen wie nachhaltigkeit und veganismus etc, all das macht sie für viele mega viel interessanter als modeblogs, die nur an der glitzenden oberfläche bleiben. sehr beeindruckend finde ich z.B. auch den weg, den maddie von dariadaria geht. wie sie selbst sagt, ist der ein bisschen weniger gewinn-, aber sehr viel mehr glückbringend. was von beidem einem wichtiger ist, muss wie gesagt jeder selbst entscheiden.

      sich mit moralischer überlegenheit zu profilieren und einen neuen statuswettbewerb aufzumachen ist genauso kacke und wenig zielführend wie materialismus. aber aufzuzeigen, dass geld/besitz/gewinn/erfolg NICHT, wie es im kapitalistischen system propagiert wird, wege zum glück sind und nicht als solche verkauft werden sollten, finde ich nur fair. über diese wissenschaftliche forschungsrichtung bin ich mehr oder weniger zufällig gestoßen und ich glaube, dass dieses wissen vielen menschen helfen und unsere welt echt ein bisschen besser machen kann <3

      Antworten
      1. maja

        Danke für die ausführliche Antwort. Interessant finde ich die Brücke die du zum politischen Leben baust, und stimme dir da vollkommen zu. Ich bin Ü30 und gehöre zu den Menschen, die schon in der Schule alle mit der eigenen Meinung genervt hat und das ist bis heute so. Für mich pesönlich ist im Endeffekt alles politisch, und Konsum ist auf so vielen Ebenen ein täglicher Teil des Lebens, dass man sich dem nicht entziehen kann. Außer man verweigert sich vollständig. Und zwar in beide Richtungen (möglichst kein Konsum vs. nach mir die Sintflut). Auf persönlicher Ebene und vielleicht auch noch im direkten Umfeld kann man durch Diskussionen usw. etwas bewegen, aber auf lange Sicht ist es in dem Wirtschaftssystem den die sog. westliche Welt vorgibt nicht möglich den Teufelskreis zu durchbrechen (gehöre nicht zu den Opitimisten). Es ist auch sehr interessant zu sehen, wie z.B. Blogger, die eigene Texte verfassen usw. Marktanteile verlieren an Insta-Influencer, die nur mit Bildern arbeiten. Kommen wir irgendwann an einen Moment der Übersättigung (gesamtgesellschaftlich/global) oder ist die Jagd nach dem käuflichen Glück unenedlich erneuerbar, durch neugeschaffene Bedürfnisse?

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        1. Pi

          hehe, da hatten wir parallel sehr ähnliche gedanken (die lieben influencer, siehe antwort auf sybilles kommentar).

          ich glaube inzwischen dran. JA! viele menschen sind so übersättigt und so einsam durch den hyperkonsum, dass sie nach alternativen ausschau halten, und diese auch finden. postmaterialistische werte, die man nach inglehardt`s leider zu utopischen prognosen schon fast wieder als hoffnungsträger aufgegeben hatte, werden laut aktueller trendforschung immer wichtiger, besonders in gebildeten sozialen milieus. zeit wird wichtiger als geld, beziehungen wichtiger als konsum, achtsamkeit wichtiger als dauerturbo…die zeichen findet man überall, wenn man danach ausschau hält. alle philosophen und großen denker, tausend fabeln, geschichten, lieder, kunstwerke, alle weltreligionen und sonstwie spirituell angehauchten oder halluzinogenerfahrenen und vor allem auch immer stärker die wissenschaft mit ihrem kritischen rationalismus weisen in eine erstaunlich ähnliche richtung : reichtum, geld und erfolg machen nicht glücklich // liebe, dankbarkeit, leben im hier und jetzt, nächstenliebe, naturerleben, sich selbst entfalten und anderen helfen sind wege zu mehr glück, für alle. irgendwie sind wir anscheinend doch alle eins auf diesem planeten und wer andere verletzt, verletzt sich im endeffekt selbst. im materialismus ist quasi karma mit eingebaut.

          wir müssen nur aufpassen, dass uns diese postmaterialistischen werte nicht im sinne einer materialistisch/pseudo-postmaterialistischen wertsynthese als schnell konsumierbare häppchen angedreht werden, denn das bestärkt das problem, statt es zu lösen. und eine weitere wichtige frage ist, ob sich erst in der entwicklung befindende länder (besonders china) erst auf unseren übersättigungsgrad kommen müssen, oder „der gerechtigkeit halber“ kommen sollen dürfen, um zu merken, dass sie damit auch nicht glücklicher werden, oder ob sie diesen schritt im sinne des leapfrogging skippen können und sich gleich darauf besinnen, was wirklich fürs wohlbefinden wichtig ist, anstatt dem materiellem wohlstand hinterherzuhetzen, den die westliche welt als glücksbringer verkauft hat.

          und genau in diesen punkten war ich immer sehr skeptisch, als ich mich nur mit nachhaltigkeit(smarketing) beschäftigt hatte. da hat auch in mir der pessimismus gesiegt. und ehrlich gesagt hat die beschäftigung mit nachhaltigkeit allein auch nur mittelgut dazu beigetragen, dass ich mich selbst vollkommen mit öko vibes identifizierte und entprechend leben wollte. da ich mich grad aber täglich in die überschneidung von glücks- und nachhaltigkeitsforschung reinfräse, tut sich in kopp und herz immer mehr. das menschliche streben nach glück und das streben nach nachhaltigkeit sind echt erstaunlich kompatibel! und wenn man sich erstmal selbst auf nen wertewandel einlässt und seine zeit und ressourcen entsprechend umlenkt, merkt man das auch wirklich sehr schnell.

          früher hab ich nen gesunden pessimismus immer als realismus empfunden, der einen ja auch vor enttäuschung schützt. aber da glaub ich nicht mehr dran:

          pessimismus, existenzängste, unsicherheit, unglück und ohnmachtsgefühle und dieses abschirmende selbstschutz- und kontrollverhalten sind große feinde von nachhaltigkeit und lebensglück. wenn menschen mit sterblichkeit und schlimmen bildern (klimawandel) konfrontiert werden und sich machtlos fühlen, werden materialistische werte aktiviert. oh the irony, it burns! botschaften, die mit angst, drohungen, moralkeulen und aufrufen zu verzicht und askese arbeiten, bewirken leider oft das gegenteil. empowerment, wohlbefinden, glück, liebe und demzufolge auch optimismus dagegen sind super potente kräfte, die richtig was rocken können.
          now i’m all like:
          „da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen, glücklich zu sein“ (voltaire)

          …so richtiges tiefes, warmes glück, liebe und nächstenliebe und das gefühl, was richtiges zu tun sind nicht nur förderlich für die gesundheit, sondern auch für gemeinschaftsgefühl und soziale zusammenleben, die empfundene sinnhaftigkeit des lebens, die empfundene selbstwirksamkeit, das kreativitäts- und leistungslevel (flow erleben). das wird von immer mehr brillianten, sich auf menschlichkeit besinnende köpfe in wissenschaft, politik und wirtschaft WIEDERerkannt, an die ich mich hier anlehne (u.a. Mihaly Csikszentmihalyi, Daniel Kahnemann , Edward L. Deci und Richard M Ryan, Ed Diener, Barbara L. Fredrickson , Tim Kasser, Sonia Lyubomirsky aus dem Wissenschaftslager – Sir Richard Layard`s World Happiness Report, die Vereinten Nationen (Happiness: towards a holistic approach to development) und die Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission aus dem Politik/Wirtschaftspraxis-Lager).

          daher arbeite ich jetzt auch persönlich aus ganz pragmatischen, realistischen gründen an meinem glück und optimismus und weltverbesserungsdenken. es bewegt sich sehr viel gutes da draußen, wenn man die augen aufmacht und sie nicht im eigenen klamottenberg versenkt.
          und ich will teil der revolution der liebe sein. bäm!

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          1. maja

            Mein Pessimisumus bezieht sich hauptsächlich darauf: „wir müssen nur aufpassen, dass uns diese postmaterialistischen werte nicht im sinne einer materialistisch/pseudo-postmaterialistischen wertsynthese als schnell konsumierbare häppchen angedreht werden, denn das bestärkt das problem“. Da sehe ich eine sehr große Gefahr, so wie ich vor einger Zeit (ich galube als es um Werben mit Feminismus ging) schrieb, dass es nachdem unser Körper, unsere Freunde/Familie/soziales Leben und unsere Wohnungen marketingtechnisch ausgeschlachtet wurden, das nächste große Thema eben die eigene Meinung/Weltanschauung/Haltung ist, da passen auch die Feminismusbewegung ebenso wie die Nachhaltigkeitstrends gut rein, es ist eben auch wieder „angesagt“ Bücher zu lesen, über Politik zu sprechen usw. Ich hoffe dennoch wirklich, dass es zu langfristigen und relevanten Veränderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene kommt., und dass es sich dabei eben nicht nur um Trends handelt.

            Danke für deine ausführlichen und interessanten Kommentare!

  4. Rebecca

    Sehr interessanter Artikel, danke schön!

    Könntest du diesen Abschnitt ein wenig belegen oder ein wenig Quellenangaben machen? Würde mich interessieren:

    „Materialismus führt immer weiter in ein psychisch stark vereinnahmendes Vermeidungs- und Kontrollverhalten, bei dem extern orientierte Selbstdarstellung, Selbstschutz und Impression Management eine zunehmend dominante Rolle einnehmen, dadurch verliert man immer mehr den Bezug zu sich selbst und zur größeren sozialen und natürlichen Umwelt. In diesem Sinne kann Besitz doch verletzen, er kann einen ersticken, indem er langsam eine Mauer baut und einen einsperrt.“

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  5. Sybille

    Ich finde es absolut richtig und wichtig den „Massen“-Konsum der westlichen Industriegesellschaften zu hinterfragen und kritisch zu betrachten. Eins würde ich gerne noch dazu ergänzen oder nochmal hervorheben. Vielleicht wurde dieser Punkt aber auch schon angesprochen und ich habe ihn überlesen: Die permanente Kritik an Modebloggern (oder anderen Bloggern, die zum Kauf diverser Produkte anregen) ist nicht immer fair oder gar gerechtfertigt, denn: Das Konsumieren an sich ist per se nichts Schlechtes. Alle tun es und wenn wir ehrlich sind, tut es auch jeder gerne. Da müssen wir uns gegenseitig nichts vormachen und in Heuchelei verfallen. Die allermeisten Menschen lieben Mode, Accessoires, Möbel etc. Im Übrigen gehören auch „Güter“ wie Reisen, Kultur (Theaterbesuche, Kinobesuche, Kunst, Literatur…) ebenfalls in den Bereich Konsum. Wenn jemand ein Faible für stilvolle und schöne Mode hat, dann ist das genauso ok, wie jemand, der sein Geld für Reisen, Essen, Bücher oder Theater ausgibt.
    Es sollte also nicht darum gehen, den Konsum an sich zu verteufeln, sondern vielmehr die Gewichtung zu hinterfragen und eine gesunde Balance zwischen Materialismus und Geistig/Emotionalem zu finden. Wichtig finde ich in diesem Zusammenhang daher die Themen Ausmaß bzw. Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit. Beide Themen spricht der Artikel an und stellt richtig dar, dass wir uns immer folgende Fragen stellen sollten: Warum konsumiere ich bestimmte Dinge immerzu? Was wünsche ich mir stattdessen? Was versuche ich womöglich damit zu ersetzen? Wie kann ich dieses Gefühl auch ohne materielle Dinge befriedigen oder zumindest eingeschränkt? Man sollte den eigenen Konsum also immer hinterfragen, aber auch nicht ständig überinterpretieren, wenn man sich etwas kauft, was einem gefällt. Beim Thema Nachhaltigkeit ist es mir wichtig zu schauen, ob ich durch meinen Konsum einen positiven Beitrag leiste, z.B. indem ich bestimmte Menschen und Konzepte unterstütze wie bestimmte Künstler, Literaten, die ich fördern will oder Marken, die fair und nachhaltig produziert werden. Wenn man das im Hinterkopf behält, muss man auch nicht ständig die Moralkeule schwingen, weder sich selbst noch anderen gegenüber.
    Abschließend möchte ich aber wieder zurückkommen zum Thema Fairness gegenüber Bloggern. Jedem, der Blogs verfolgt, was übrigens auch eine Art des Konsumierens ist, sollte doch klar sein, dass diese Menschen ihr Geld damit verdienen. Ich frage mich deshalb jedes Mal: Warum regen sich Manche tatsächlich über Produktplatzierungen auf oder kritisieren das Ausmaß des Konsums? Einen online-Blog zu führen ist ein Vollzeit Job und ich finde es absolut legitim, durch Produktplatzierungen Geld zu verdienen. Auch können die Blogger nicht ständig die gleichen Produkte zeigen. Sie leben schließlich davon, neue Inspirationen zu liefern. Nike hat es richtig gesagt: Man muss unterscheiden zwischen dem privaten Blogger als Mensch, der (wahrscheinlich) anders, bzw. weniger konsumieren würde und dem Professionellen, der Produkte vorstellt und davon lebt. Was den Vorbildcharakter von Blogs angeht: Ja, den haben sie, und ja, ich mag eine Überbetonung vor allem des materiellen Konsums auch nicht und halte dies auch für wenig sinnvoll. Aber: Ich finde es nicht in Ordnung die eigene Selbstverantwortung beim Betreten des Internets abzugeben und Blogger für das eigene Konsumverhalten verantwortlich zu machen. Nirgendwo steht geschrieben und bislang habe ich es auch noch nicht erlebt, dass zum Kauf eines jeden Teilchens aufgerufen wird. Sie dienen der Inspiration und jeder pickt sich das raus, was ihm zusagt oder was er braucht. Ansonsten darf man auch gerne selbst mal entscheiden, wann es zu viel wird. Dann klickt man bestimmte Seiten einfach mal für einige Zeit weg und damit ist es gut. Ich glaube, vielen ist nicht bewusst, dass sie mit der Kritik an anderen, manchmal vielleicht auch sich selbst meinen und verdrängte oder unterdrückte Wünsche aber auch Probleme auf andere Menschen in der Gestalt von Projektionsebenen wie der „bösen Gesellschaft“ etc. schieben. Denn jeder ist für sein Denken und Handeln selbst verantwortlich und damit auch für seine Klicks im Internet.

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    1. Pi

      hallo sybille,

      danke für deinen ausführlichen kommentar. viele der punkte, die du erwähnst, habe ich in dem gastartikel auch angesprochen (mode/besitz/konsum hat auch sinnvolle, glücksbringende seiten (einleitung), durch intentionalen, reflektierten konsum kann man auch einen positiven beitrag leisten (schlusswort). ich merke mir für die zukunft, die wichtigsten punkte kürzer und prägnanter zu formulieren , damit sie nicht untergehen (dass ich grad zu lang und zu hölzern schreib liegt auch daran, dass ich grad gedanklich voll im wissenschaftstext-modus bin).

      dass unter konsum auch erlebniskonsum und kultureller konsum fallen ist vollkommen richtig, jedoch eignen sich diese arten des konsumes laut der materialismus-forschung tendenziell besser dazu als besitzakkumulation, auch intrinische motivationen und lebensziele zu befriedigen, soziale beziehungen zu fördern, introspektion zu fördern, den bezug zur sozialen und natürlichen umwelt zu verbessern, den horizont zu erweitern etc, dadurch haben sie tendenziell einen größeren hedonischen und eudiamonischen (wohlbefinden- und sinnstiftenden) und edukativen wert, der sowohl glücks- als auch nachhaltigkeitsbestrebungen (das glück aller, intragenerativ und intergenerativ) zuträglicher ist. diese guten seiten werden aber auch hier minimiert, wenn man diese art konsum primär zu statuszwecken einsetzt (z.B. wie wild um die welt jetten, um instagram pics zu posten und sich in fame zu baden) und nicht für persönliches wachstum, bildung, kulturelle horizonterweiterung, beziehungsausbau zur sozialen und natürlichen umwelt etc. daher ist die dahinterliegende intention manchmal ausschlaggebender als die art des konsumes. das ist auch mein großes pro argument für mode und modeblogs, die auch durchaus kulturell wichtige, edukative, positive seiten haben können (siehe artikel). wie du schon sagst, balance is key.

      zum thema verantwortung von und fairness gegenüber bloggern hab ich oben als antwort auf majas kommentar schon viel gesagt. ich bin vollkommen deiner meinung, dass JEDER selbst verantwortung trägt – für seinen konsum, die ausübung seines berufes etc. ich bin aber auch der meinung, dass nachfragestimulierende content creator noch einen extra schüppchen verantwortung tragen, weil sie mehr oder weniger unreflektiert dabei helfen, die sirenengesänge des kapitalismus in die welt zu tragen und die dadurch propagierte mär „besitz ist ein shortcut zu lebensglück und erfolg“ zu bestärken. ich finde z.b. blogs besonders interessant und gut gemacht, wenn sie ihr thema wirklich durchdringen und kritisch reflektieren. auch wenn der gegentrend – vollkommen unreflektierte, konsumhypende influencer – grade an traktion gewinnt, merkt man, dass auch viele durch diese überspitzung des oberflächlichen konsumgehypes zum denken angeregt werden, ob das alles noch ganz tutti sein kann. nur, weil das anscheinend funktioniert und erfolgreich ist, ist es nicht gleich „gut“.

      wie sehr ein jeder ganz persönlich an marktregulation und materialismus/konsumerismus als glücks- und erfolgsversprechen glaubt, ist ganz bestimmt jedem selbst überlassen, aber leider wird uns das kapitalistische gesellschaftsmodell von allen seiten her so intensiv und erfolgreich als nonplusultra verkauft, dass echte selbstbestimmung und freiheit in denken, fühlen und handeln super stark davon abhängt, welche werte einem mitgegeben worden u/o wie sehr man mit sozial- und umweltverträglicheren werten und lebensmodellen in berührung kommt. all dieses geschreibsel ist quasi auch eine message an mein früheres ich.

      mir ist sehr bewusst, dass ich mit meiner kritik am materialismus auch mich selbst meine. wie der einleitung zu entnehmen ist, bin ich allein schon beruflich ein poster child des glitzerglitzer konsumerismus. ich ringe seit langer zeit offen mit mir selbst, weil ich die schönen, humorvollen geschichten der werbung und toll designte objekte,mode, kunst und ästhetik seit jeher liebe, aber mit zunehmendem alter und mit zunehmender beschäftigung mit nachhaltigkeitsrelevanten und materialismuskritischen themen merke, dass diese schöne fassade innen ganz schön hohl und traurig sein kann. auch ich habe schon viel zu viel besitz angehäuft, der viel zu billig und höchstwahrscheinlich tier- und menschenunwürdig hergestellt wurde. die wissenschaftliche beschäftigung mit dem thema gibt mir grad augenöffnende einsichten galore. das tut erstmal ganz schön weh, gibt mir aber auch tausend ideen, wie ich ganz persönlich glücklicher UND nachhaltiger leben kann, und soweit fühlt sich das supergut und richtig an. ich bin der meinung, dass solche einsichten und inneren kämpfe nicht nur dazu benutzt werden können, sondern benutzt werden MÜSSEN, um auch gesellschaftlich etwas zu bewegen. denn dass am konsumerismus und materialismus etwas faul ist, ist nicht nur eine projektion meiner psyche (und der ca 200 quellen, die ich dazu grad durchackere), sondern lässt sich heute durch multiple, dem kritischen rationalismus folgenden, wissenschaftliche erhebungen belegen. – in bildgebenden verfahren, in großangelegten umfragen etc.

      das „böse“ gesellschaftssystem des überflusskonsums und materialismushypes macht leider wirklich unsere erde kaputt und die menschen dabei auch noch depressiv, einsam und unglücklich, und das kann man nicht ändern, indem man die thematiik verdrängt, bestimmte seiten einfach nicht mehr anklickt und sich nur grämt und sein eigenes süppchen kocht.

      Antworten
      1. Sybille

        Danke, liebe Pi, für deine ausführliche Antwort!
        Ich glaube, bei dem Thema sind wir ziemlich einer Meinung. Ich wollte eigentlich gar nicht dich oder deinen Beitrag kritisieren (hoffe es ist nicht falsch angekommen), sondern deine genannten Punkte nur nochmal hervorheben (darum auch die Wiederholungen), weil es mir wichtig war zu betonen, dass Konsum nichts Schlechtes sein muss, wenn bestimmte Parameter stimmen bzw. die Intention dahinter die Richtige ist (persönliches Wachstum statt Imagepflege, Nachhaltigkeitsbestrebungen usw. und sofort). Die Unterschiede zwischen materiellem Konsum und Erlebniskonsum hast du gerade nochmal sehr gut auf den Punkt gebracht. Danke.
        Ich will jetzt gar nicht nochmal so lange ausholen, aber ich muss zu meinem Kommentar auch noch ergänzen, dass ich selber innerlich manchmal ziemlich hin und hergerissen bin. (In Bezug auf diesen Blog, denn ich verfolge keine anderen Modeblogs)
        Klar interessiere ich mich auch für Mode, schöne Dinge etc. aber ich bin hier hängen geblieben, weil mich die beiden Persönlichkeiten hinter dem Blog interessieren und ich sie sehr sympathisch finde und als recht authentisch einschätze. Darüber hinaus mag ich natürlich auch ihren Lifestyle, bzgl. Klamotten, Interior, Kunst etc.. Andererseits fühle ich mich manchmal auch erschlagen vom ganzen Konsumwahn und dem Anpreisen von Objekten, die gekauftes Glück versprechen. Zum anderen fehlt mir leider der Nachhaltigkeitsgedanke (bis auf die Fair-Friday Kategorie, was ich aber schon mal super finde!) Ja, ich weiß, ist kein Nachhaltigkeitsblog, schöner wär`s trotzdem 😉
        Ich sehe das genau wie du, dass man Hyperkonsum und mangelnde Nachhaltigkeit kritisieren und ansprechen muss. Gerade deinen letzten Satz kann ich nur noch mal fett unterstreichen, denn das ist absolut unser Hauptproblem momentan. Da muss sich definitiv etwas ändern und Blogger können einen nicht unerheblichen Teil daran mitwirken! Ich finde es nur problematisch auf Bloggern rumzuhauen oder es sogar bei der Kritik zu belassen, denn die haben das Problem nicht erfunden oder gepachtet. Auch löst es das Problem nicht. Es betrifft sehr, sehr viele in unserer Gesellschaft und jeder Einzelne muss bei sich selbst anfangen. Darum appelliere ich immer gerne an die Eigenverantwortung. Letztendlich habe ich für mich aber auch noch keine Antwort gefunden, wie man mit offensichtlichen Missständen umgehen soll, ob vorleben, kritisieren oder beides und wenn ja in welchem Verhältnis…

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        1. Pi

          da haben wir wirklich in allen angesprochenen punkten eine sehr, sehr ähnliche meinung ;D

          ich empfinde es auch oft als eiertanz, dieses doch schon sehr kontroverse (weil unserer konsumkultur und dem landläufigen spaßverständnis widersprechende) thema zu kommunizieren. einerseits will ich nicht mehr augen und mund verschließen, wenn ich konsum- und werbeinduzierte missstände und gefährliche entwicklungen beobachte, zu denen ich hintergrundinfos und wissenschaftlich belegbare lösungsansätze beisteuern kann, andererseits ja auch nicht den missionar, moralprediger oder spaßbremser spielen. darum versuch ich immer zu schauen, ob sich wegen akutem problemdrucks oder thematischer passung ein dialog anbietet oder organisch ergibt. dabei versuch ich, kritik eher am system zu üben, nicht an menschen. klappt nich immer, aber immer öfter ;D

          vorleben ist auf jeden fall der ehrlichste, eleganteste weg.
          “Be the change that you wish to see in the world.” sagt der gute ghandi. recht hatta.

          aber leider
          a) hat vorleben allein nur eine geringe reichweite
          b) kann vorleben das thema in seiner komplexität nur schwer transportieren
          c) kommt das vorleben eines intrinsischen motiven folgenden, innere potentiale verwirklichenden, die welt ein bischen glücklicher/besser machenderen lebens allein nicht gegen das glitzernde, blendende, sexy werberauschen der konsumkultur an

          also mich hat das positive vorleben toller menschen in meinem umfeld und den medien vorher leider nicht so wirklich erreicht. minimalisten, nachhaltigkeitsaktivisten, vollblutvegane festivalbekocher, hippie-kommunengemeinschaftsgärtner, meditationsprofis, weltverbessernde startup gründer, entwicklungshelfende weltreisende backpacker, autoren und künstler, die sich mit herzblut für etwas einsetzen, an das sie glauben…da dachte ich immer: „wow. spannnend. toll. inspirierend! aber das müssen ganz andere menschen sein, das könnte ich nicht.“

          das ist aber quatsch. alle helden unserer geschichte sind auch nur menschen wie wir. aber die haben sich nicht vom externen glitzer blenden lassen, sondern mal in sich reingehört, und das, was sie dort gefunden haben, so richtig gerockt.

          eigenverantwortung ist auf jeden fall das wichtigste! empowerment is key.
          neuen trends oder neuen gurus hinterherzurennen kann nicht die lösung sein, jeder muss seinen eigenen weg finden. und genau den will ich mit diesen informationen bestärken. dieses -im internetz für jeden frei verfügbare und nachlesbare – wissen hat mir selbst nämlich jetzt schon ein größes stück geholfen und ich glaube, es kann auch vielen anderen helfen, selbstbestimmter, unabhängiger, freier zu werden…und vielleicht auch was in sich zu finden, worin sie richtig aufgehen und womit sie nicht nur sich selbst, sondern auch andere glücklicher oder gar die welt ein minibisschen besser machen können.
          a girl can dream <3

          Antworten
  6. Pi

    hi rebecca, sehr gern.

    ich beziehe mich dabei auf theorien, die „erlebnisvermeidung“ als mediator der negativen korrelation von materialismus und subjektivem wohlbefinden darstellen und auf theorien, die eine überbetonung extrinsischer motivation und lebensziele (status, anerkennung, ruhm) gegenüber intrinischer motivation und lebenszielen (persönliches wachstum, soziale verbundenheit, gemeinschaftsgefühl und -beiträge) als mediator darstellen.

    beide ansätze kommen zu sehr ähnlichen ergebnissen (selbstdarstellung, statuswettrennen und impression management geht zu lasten intrinsischer motivation und lebensziele, sozialer beziehungen, empfundener sinnhaftigkeit des lebens, psychologischen wohlbefindens), hier findest du mehr tiefe zu genau diesem absatz:

    KASHDAN, T.B./BREEN, W.E. (2007): Materialism and diminished well-being: Experiental avoiding as a mediating mechanism. In: Journal of Social and Clinical Psychology, Volume 26, pp. 521-539. (auf Seite 523 und folgenden)

    HOWELL, R.T./ PCHELIN, P./IYER, R. (2012): The preference for experiences over possessions: Measurement and construct validation of the Experiential Buying Tendency Scale. In: The Journal of Positive Psychology, Vol. 7, No. 1, January 2012, pp. 57-71 (auf Seite 68)

    KASSER, T./ RYAN, R. M./ COUCHMAN, C. E./SHELDON, K. M. (2004). Materialistic values: Their causes and consequences. In Kasser, T./Kanner, A. D. (Hrsg.), Psychology and consumer cultures: The struggle for a good life in a materialistic world. Washington, DC, American Psychological Association, pp. 11-28. (auf Seite 12 und folgenden)

    …die konfliktäre beziehung materialistischer und nachhaltigkeitsrelevanter werte (durch Materialismus verliert man immer mehr den Bezug zur natürlichen Umwelt…) wird u.a. in diesen quellen sehr schön erläutert:
    .
    BROWN, K. W./KASSER, T. (2005): Are psychological and ecological well-being compatible? The role of values, mindfulness, and lifestyle. Social Indicators Research, 74(2), pp. 349-368.

    FURCHHEIM, P. (2014): Grüner Materialismus. Eine Überprüfung der Vereinbarkeit von Materialismus und grünem Konsum. Dissertation Technische Universität Chemnitz. Springer Gabler Verlag, Wiesbaden

    JENNY, A. (2014): Suffizienz auf individueller Ebene – Literaturanalyse zu Psychologischen Grundlagen der Suffizenz. Zwischenbericht Nr. 18, Forschungsprojekt FP-1.7, Zürich.

    KILBOURNE, W. E. /PICKETT, G. (2008): How materialism affects environmental beliefs, concern, and environmentally responsible behavior. In: Journal of Business Research, Volume 61, pp. 885-893.

    UNANUE, W./VIGNOLES, V.L. DITTMAR, H./VANSTEENKISTE, M. (2016): Life goals predict environmental behavior: Cross-cultural and longitudinal evidence. In: Journal of Environmental Psychology (2016), Accepted for Publication.

    Antworten
    1. Rebecca

      ach du bist ja super, tausend dank!

      und wenn du selber (noch mehr) veröffentlichst, musst du oder die janes für dich mal laut geben, finde ich. ich rieche da doch eine abschluss- oder doktorarbeit, oder? 😉
      danke & schönen abend dir!

      Antworten
      1. Pi

        jaaa, master of desaster. auf dem zweiten bildungsweg und nach fast zehn jahren als designer wollt ich´s doch nochmal wissen und unter die schicke oberfläche schaun ;D
        ich mach dann piep auf meinem tumblr, wenn die thesis fertig ist, ok?
        danke für deine lieben worte und dein interesse <3

        Antworten
  7. Pi

    euch allen vielen lieben dank für die tollen, bestärkenden kommentare.
    ich hab in kein thema je so viel herzblut gesteckt wie in dieses und
    ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie toll es ist, so ein feedback zu bekommen <3
    LOVE <3

    Antworten
  8. Tatjana

    Wow, einen dermaßen guten Text hier zu lesen, haut mich gerade richtig vom Hocker. Zumal du, liebe Pi uns so sachlich einen Spiegel vor das Antlitz hälst! Ich wünschte, dieser Text würde von einer größeren Publikation aufgegriffen und veröffentlicht werden! Bitte mehr davon!

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