Das Problem mit vermeintlich feministischen Unternehmen // Von „Outdoor Voices“ bis „The Wing“

19.03.2020 box1, Feminismus

Es klang zu gut, um wahr zu sein: eine junge, dynamische Frau gründet ein junges, dynamisches Unternehmen für Activewear. Diese Activewear lässt sich genauso gut bei einem Besuch im Fitnessstudio als auch auf dem Wochenmarkt tragen, kommt in allen möglichen Größen und wird auf Instagram von Menschen präsentiert, die nicht nur weiß und dünn sind. Das Beste: Das Ganze ist extrem erfolgreich. Jetzt stellt sich heraus: Es klang tatsächlich alles zu gut, um wahr zu sein.

Das Unternehmen heißt Outdoor Voices und wurde 2014 von der US-Amerikanerin Tyler Haney gegründet. Ihre Brand, das machte Haney von Anfang an deutlich, steht für weibliches Empowerment, dafür, dass Frauen aller Hautfarben und Körperformen sich in Yogaleggins und Sporttops gut fühlen können. Haney inszenierte sich als #girlboss, als feministisches Vorbild, als eine junge Unternehmerin, die es anders machen will als traditionelle – von Männern geführte – Unternehmen. So anders war Haney dann aber wohl doch nicht: Ende Februar trat sie als CEO von Outdoor Voices zurück, Angestellte berichten von einer toxischen, destruktiven und grundsätzlich problematischen Arbeitskultur. Hinzu komme, dass von der auf Instagram zelebrierten Diversität firmenintern nichts zu spüren sei: Der überwiegende Anteil der Angestellten sei weiß, es gäbe keine people of colour in Führungspositionen.

Vermeintlich feministisch

Tayler Haney ist nur eine von vielen Gründerinnen und weiblichen CEOs von vermeintlich feministischen Unternehmen, die sich in den letzten Jahren als problematisch und alles andere als frauenfreundlich entpuppten. Da war zum Beispiel Miki Agrawal, Gründerin von Thinx, einem Unternehmen, das „period underwear“ herstellt, also saugfeste Unterwäsche, die Binden und Tampons überflüssig machen soll. Auch Agrawal inszenierte sich als inspirierendes Vorbild mit einer Mission, auch Agrawal wurde von Angestellten vorgeworfen, ein vergiftetes Arbeitsumfeld zu schaffen und außerdem übergriffig zu sein. Oder was ist mit dem Prototyp des #girlboss, Nasty Gal-Gründerin Sophia Amoruso? Sie soll Angestellte schlecht behandelt und drei Angestellte kurz vor oder während ihres Mutterschaftsurlaubs gefeuert haben. Und erst diese Woche veröffentlichte die New York Times eine umfassende Recherche zu The Wing, einem exklusiven Co-Working-Space nur für Frauen, welcher Angestellten zufolge nicht das feministische Utopia ist, als das er sich präsentiert. Beschwerden über das von Audrey Gelman und Lauren Kassan gegründete Unternehmen gibt es schon seit längerem, Mitglieder berichten von rassistischen Zwischenfällen und Misswirtschaft.

 
 
 
 
 
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Berichte über problematische Unternehmenskulturen, insbesondere im Start-Up-Bereich, sind nichts Neues – genauso wenig wie Berichte über CEOs, die offenbar völlig ungeeignet sind, ein Unternehmen zu leiten. Aber meistens geht es in diesen Berichten um Männer: Um Männer wie den Uber-Gründer Travis Kalanick oder WeWork-Gründer Adam Neumann. Gründerinnen hingegen werden in den Medien als Heldinnen gefeiert, als Lösungen für ein kaputtes System präsentiert, als Gegenmittel für eine männlich geprägte toxische Arbeitsumgebung. Outdoor-Voices-Gründerin Tyler Haney meldete sich nach ihrem – unfreiwilligen – Abgang mit einem längeren Instagram-Post zu Wort, in dem sie beklagte, ihr „Playbook“ sei eben anders gewesen und diese Herangehensweise hätte einigen nicht gefallen. Der Grund für ihren Rücktritt, so Haney indirekt, sei Sexismus: „In letzter Zeit gibt es einen beunruhigenden Trend, Ex-Mitarbeiter*innen von Unternehmen zu interviewen, die von Frauen gegründet wurden, und über ihre Behauptungen entweder ungeprüft oder ohne jeglichen Kontext zu berichten.“

Feminismus als Marketinginstrument

Sexismus mag eine Rolle gespielt haben, aber ein bisschen komplizierter ist es schon. Es stimmt, dass Frauen, die ein Unternehmen gründen, es erstens schwerer haben als Männer, die ein Unternehmen gründen, und zweitens kritischer beäugt werden. Frauen gelten als vorsichtig und nicht durchsetzungsfähig genug, man traut ihnen diese Sache mit der Unternehmensführung immer noch nicht zu. Gleichzeitig wird von Frauen wie Haney, Amoruso und Gelman erwartet, dass sie es anders, besser machen, als die Männer. Erfüllen sie diese Erwartungen nicht, haben nicht nur sie selbst versagt, sondern mit ihnen auch alle Frauen. Es zeigt sich, mal wieder: Frauen können es einfach nicht richtig. Und umso größer ist dann die Enttäuschung.

Das Grundproblem ist aber, dass Haney und Co ihre Marken und Unternehmen explizit auf feministischen Prämissen aufgebaut haben. Oder eher: Sie haben den Feminismus genutzt, um ihre Produkte zu verkaufen. Sie haben ihren Konsument*innen vermittelt, dass schon allein der Erwerb einer Yogaleggings, einer Periodenunterhose oder einer Mitgliedschaft, eine feministische Handlung ist. Schließlich steht dahinter ein von Frauen geführtes Unternehmen, geht es um das herrlich vieldeutige ‚Empowerment‘. Tyler Haney scheint nicht begriffen zu haben, dass jemand, der Feminismus als Marketinginstrument benutzt, auch nach feministischen Maßstäben beurteilt wird. Dass von ihm erwartet wird, dass er seinen propagierten Idealen gerecht wird.

Die Grenzen der Kommerzialisierbarkeit

Letztendlich zeigt der Fall Outdoor Voices (oder Thinx, oder Nasty Gal, oder The Wing) vor allem, wie problematisch der Traum von der perfekten Gründerin ist: Einzelne Frauen werden zu Idolen erhoben – von anderen wie von sich selbst –, sie werden auf ein Podest gestellt, sollen perfekte Chefinnen sein und müssen nicht nur ihr eigenes Unternehmen zum Erfolg führen, sondern der ganzen Welt beweisen, dass Frauen es können. Männern hingegen werden Fehler zugestanden und sie müssen auch nicht ihr gesamtes Geschlecht repräsentieren. Was der Fall Outdoor Voices auch zeigt, ist: Feminismus mag sich als Marketingtool eignen, er mag kommerzialisierbar sein – aber hinter ihm steht immer noch eine politisch-gesellschaftliche Bewegung mit konkreten Forderungen und Werten. Und die schaut genau hin, wenn in ihrem Namen Geld gemacht werden soll, zumal auf dem Rücken weiblicher Angestellter, die von dem ganzen tollen Empowerment so gar nichts spüren.

 
 
 
 
 
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  1. Fritzi

    Danke für den Text! Mich hat er in meiner Vermutung bestätigt, dass in diesem „GirlBoss“-Feminismus nicht wirklich Feminismus drinsteckt, jedenfalls nicht, wenn man Feminismus als radikale Patriarchatskritik versteht. Ein Feminismus, der sich Boss-Sein als Leitbild steckt, hat vielleicht nicht verstanden, dass dies ein zutiefst patrairchales Konzept ist. Mich wundert es daher weniger, dass Feminimus hier als gut funktionierendes Ettiket benutzt wird, aber nicht weitergedacht wird: Was bedeutet Feminimus für unseren täglichen Umgang miteinander? Wie wir zusammenarbeiten? Ist Boss-Sein dann immer noch erstrebenswert? etc.

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