Die Sache mit dem Achselhaar.


„Diese Deutschen, diese Atheisten, diese Europäer rasieren sich nicht unter den Armen. Ihr Schweiß sammelt sich unter ihren Haaren zu einem üblen Geruch, und sie stinken.“

Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie recht verstehen wollen, weshalb erwachsene Frauen untenrum aussehen sollten wie vorpubertäre Teenie-Mädchen. Komplett nackig und glatt wie ein Babypopo. Bei Achselhaaren ist allerdings auch meine Schmerzgrenze erreicht.

Patti Smith trug sie schon immer, die dunkle Pracht unter den Armen, und auch Peaches und Nena galten lange als berühmte Anhänger des unrasierten Körpers. Niemand störte sich in der Blüte der buschigen 80er an frei zur Schau gestellten Achseln, unser ästhetisches Verständnis stand im Einklang mit der Natur – zumindest weitestgehend. Aus hygienischen Gründen dankten einige Kulturkreise den Stoppeln schon im Altertum ab, im Orient hat die Haarentfernung noch heute religiöse Gründe und auch die Reinlichkeitsvorschriften der Fitra im Islam verlangen das Auszupfen der Härchen.

Mit dem Versiegen des alten Jahrzehnts verschwanden auch bei uns immer mehr Haare aus dem Alltagsbild, die Frauenwelt entdeckte den Rasierapparat neu. Weg mit all den usseligen Fusseln, wer Dame sein will, muss glatt sein und zwar überall. Wie inzwischen irgendwie alles in dieser Gesellschaft. Bis heute gilt es also als Normverletzung, behaart zu sein – sofern es sich nicht um den oberen Teil des Kopfes handelt. Wer sich dem entgegensetzt, ist entweder exzessive Feministin oder verdammt mutig.

Joan Wasser im „Fräulein“, Unbekannt

Im Grunde sollte doch jeder frei entscheiden können, ob er nun zur neuesten Venus-Klinge greift oder eben nicht – aber ist das heute überhaupt noch möglich, ohne angewiderte Blicke ob des selbstbewusst getragenen Haars zu ernten?

Nein, der gesellschaftlichen Sozialisierung sei Dank. Was sich im Intimbereich abspielt bleibt zumindest der Öffentlichkeit verwehrt, unter de Armen herrscht allerdings nur eine eingeschränkte Freiheit. Als ich die aktuelle Ausgabe des Fräulein Magazins durchblätterte, stieß ich auf einen Artikel über die Musikerin Joan Wasser. Mit erhobenen Armen steht sie dort und zum Vorschein kommt der ungewohnte Anblick gestutzten Achselhaars. Ich erschrak. Im ersten Moment war ich ein wenig fassungslos, im zweiten hatte ich mich aber schon fast an die neue Optik, die uns in letzter Zeit des Öfteren über den Weg läuft, gewöhnt. Stutzen statt rasieren – so schlimm sieht’s gar nicht aus. Und doch können sich wohl die wenigsten von uns vorstellen, selbst die Klinge Klinge sein zu lassen. Zu groß ist das Schamgefühl und die Angst vor Abweisung.

via.

Was ist mit uns passiert, dass wir unseren Körper nicht mehr so akzeptieren, wie er geboren wird? Dass wir uns gegen unsere eigene körperliche Entwicklungen stellen, sie gar als abstoßend empfinden? Ist das nicht ein Armutszeugnis unserer selbst? Bloße Gewohnheit, ein von den Medien initiierter Hype?

von  Yvan Rodic via.

Fakt ist, dass die Zahl der Achselhaarträgerinnen in der letzten Zeit zumindest ein kleines bisschen gestiegen ist. Auch die Werbeindustrie und vor allem die Kunst zelebrieren die neue Freiheit – ist die Zeit also wieder reif für mehr Natürlichkeit? Sind wir wieder in der Lage selbst zu entscheiden, welche „Frisur“ wir tragen? Und werden wir bald nicht mehr versteinerten Blickes dastehen, falls unsere beste Freundin sich für ein revival des 80er-Looks entscheidet? Toleranz ist gefragt. Leben und leben lassen. Unser Körper ist schließlich das Einzige, was nur uns ganz allein gehört.

12 Kommentare

  1. Leni

    ne ne ne also wirklicch ne! Find ich ganz schlimm, ich hätt am liebsten gar keine Haare am Körper, ausßer auf dem Kopf, Wimpern und Augenbraun!! Ich weiß auch nicht wieso aber so isses…

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  2. nora

    danke für diesen mutigen artikel.
    🙂
    bestärkt mich darin, weiterhin auch unter den armen meine „frisur“ zu tragen, wie ICH es mag. nämlich lang. wie auf dem kopf.

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  3. consul

    Danke für diesen gelungenen Beitrag. Ich bin auch mehr als verwundert, wie wir uns Heute doch selber geiseln und es alles immer schön der Mainstream lang geht.Selbst Männer machen vor dem Rasierer,Waxing kein Halt und Hehl mehr und enthaaren merto sexuell und tragen ne glatte Brust ala D. Beckham.T.Schweiger und co.
    Vorbei ist die Zeit, wo James Bond noch ein Sex Symbol mit behaarter Brust war.
    Ist schon wirklich komisch, wieviel wir uns doch Heute wie in Massenhypnose und es muss alles rasiert sein hingeben.Ich bin kein Humanist, noch feminist, jedoch finde ich die ganz natürliche Körperbehaarung vollkommen ok und nicht ekelig. Wie schrieb Emma über die enthaarte Scharm, die scharm ist vorbei und vollkommen recht hat sie damit. Da wir brav alles und jedes unnützliche gerne annehmen und sogar einen militanten Haarhass entwickelt haben.Ich wuchs in den 70ern mit Körperbehaarung auf und ich entferne sie mir nun erst recht nicht, da mir dieser Enthaarungswahn reichlich stinkt.Nur am Rande, ich bin kein Öko und stinke trotzdem nicht, obwohl ich mir die Achseln nicht rasiere. Schlimmer noch, es werden sogar die feinen Armhaare Heute rasiert und gewaxt und somit verschwindet wieder ein Stück Natürlichkeit und die Arme sehen aus, als wären sie aus Ton, oder Kunststoff. Ich mag den Anblick von Armhaaren, warum müssen die ala Hoolywood- Madonna, P.Cruz, S.M.Gellar nun nach Amerikanischen Richtlinien- Hip und Hype alles zu rasieren rasiert und gewaxt sein???.
    Das nennt man untereinander anfixen und schlimmer noch, sogar Heute fordernt alles wie eine kalte Kerze zu enthaaren. Selbst blonde Haare werden entfernt, da gesagt wird, sie seien zu dunkel.Hätten wir dieses Phänomen Körperrasur und Waxing nicht, so würden sich viele nicht derart geiseln, was kaum Heute noch einer merkt, oder wahr haben will. Wir sind ein Karrusel der Puppen und wir sind Wirklicher als die Wirklichkeit.ABER, bitte jede/R wie ER/SIE mag und „MUSS“VG.Consul.

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  4. ali

    Danke dafür! Ich hatte nie Achselhaare, jetzt bin ich mitte 20 und erfahre das erste mal, wie es überhaupt ist, welche zu haben. Und ich mag es.

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  5. Tim Schuster

    Achselhaare und stinken. Das hat erstmal nichts miteinander zu tun, sondern damit ob man sich mehr oder weniger wäscht. Haut auf Haut erzeugt sogar eher Schweissbildung als Stellen an denen Haare dazwischen sind. So hat sich die Natur das wohl mal auch gedacht. Es stimmt natürlich, das Haare Gerüche aufnehmen und wer sich nicht wäscht riecht eher nach Schweiss als einer ohne Haare. Dennoch, es ist ein Modetick und Menschen machen jede Mode mit, so sind wir. Wenige sind so individuell wie sie denken. Jetzt ist es eben gerade die Mode sich überall zu rasieren. Selbst Männer rasieren sich. Ich kann nur laut lachen über diese Orientierung, ständig der Mode nachzueifern, zum Rasiermesser greifen, so als würde das irgendwas ändern. Deppen bleiben Deppen, nur eben rasierte oder unrasierte. Genauso wie das übertriebene Tätovieren, die Leute lassen sich vollmalen von oben bis unten. Was man früher auf Telefonbücher malte , haben die jetzt am auf der Haut, Bilder ohne Geschichte, ohne Verstand, eben weil das alle machen. jetzt haben sie noch eine rasiere Knolle dazu, toll.

    Ich persölich liebe Frauen mit Achselhaaren, ich finde das sehr weiblich und sexy, weil das sehr natürlich und selbstbewusst wirkt. Ich finde Schamhaar sieht unglaublich geil aus, anstatt zwei Schamlippen zu sehen wie bei einem Kind oder einem Hühnchen. Ein bisschen Tattoo ist ja auch schön ein bisschen Rasieren auch, wenn es zu der Person passt, aber nicht dieses Lemminghafte und vor allem diese Hysterie, nur weil einer nicht nach der aktuellen Mode lebt. Davor haben die Leute wohl die grösste Angst. Diese Leute könnten nämlich geistig überlegen sein.

    In ein paar Jahren werden Achselhaare total IN sein, dann tragen Frauen Achselhaar-Zöpfe und haben stolz ständig die Hände auf dem Kopf und laufen Achselfrei durch die Stadt. Das wird dann genauso nervig, aber so wird es eben kommen… wie eh und je.

    Gruss

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  6. doro

    jeder kann auf den bildern sehen, dass es eyecatcher sind. also ich rasiere mich höchstens noch während ein paar sommermonaten

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    1. Nicole

      Also ich finde nicht, dass das „Eye-Catcher“ sind – und wenn dann nicht im postiven Sinne. Ich jedenfalls komme mir total ungepflegt vor, wenn ich mir meine Achselhaare nicht entferne.

      Bin zwischenzeitlich sogar zum Überlegen gekommen, ob ich mir die Behaarung dort vielleicht permament entfernen sollte.

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  7. Miriam

    Hallo 🙂 Also ich bin da ganz sensibel! Achselhaare gehen bei mir gar nicht und auch nicht bei anderen. Ich finde das sieht einfach nicht schön aus :/ Da muss auf jeden Fall ein Rasierer her.

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    1. Julio

      Ulkig – der Link sagt: Ich bin Spam… und gleiches gilt für den Beitrag darüber.

      Ich mag Natürlichkeit bei Frauen. In jedem Biologiebuch steht, dass es ein sekundäres Geschlechtsmerkmal ist und ein Signal für Geschlechtsreife. Also im Prinzip vom Status her genauso wie Brüste!

      Es ist OK, es nicht zu mögen, aber nicht, anderen sein Schönheitsideal aufzuzwingen.

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  8. clemens

    Achselhaare sind doch schrecklich und andere Körperhaare auch . Ich entferne alle Körperhaare ,weil das schöner aussieht und mir gefällt . Ohne Achsel-und Schamhaare ist die Geruchsbildung viel geringer und man kann sich einfacher reinigen . Und Beine und Arme sehen immer gut aus , egal ob dick oder dünn , kurz oder lang , wenn sie enthaart sind . Achselhaare als politisches Statement für Emanzipation stehen zu lassen , das ist beinahe lächerlich .
    Man kann auch emanzipiert sein , wenn man enthaart ist . Vor allem sollten auch die Männer es tun , wenn sie angeblich verlangen , daß ihre Partnerinnen haarlos sein sollen . Ohne Haare ists beim Sex geiler und beim Kuscheln.

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  9. Ma

    Also ich finde es gut, dass du dazu stehst. Aber für mich gehts einfach nicht ohne Rasur. Benutze seit paar Wochen sogenannte IPL Geräte. Vielleicht kennt die jemand. Auch wenn ich sie nicht lange benutze, habe ich bisher gute Erfahrungen sammeln können.
    LG Ma

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