Brain Blah // AfD – Eine Kurze Pflichtexkursion in Deutschlands politischen Abgrund.

15.03.2016 Gesellschaft

wahlprogramm afdImmer wenn es Menschen schlecht geht, lassen sie sich leicht von ideologischen Holzideen, Dummheiten und Propaganda umgarnen, das ist keine Neuigkeit. Dass eine rechtspopulistische Partei in Deutschland seit dem Ende des zweiten Weltkriegs aber zur zweit und drittstärksten Macht erkoren wird, durchaus. Die AfD trifft derzeit den Nerv all jener, die sich vergessen fühlen oder gar tatsächlich vergessen wurden. Denen das Denken zu anstrengend ist. Die aus Unwissenheit auf den Protest-Zug aufspringen, eigene Probleme nicht bei sich selbst suchen, sondern mit Freude auf andere projizieren (da passt der Nicht-Deutsche natürlich perfekt ins Bild), die Teil von etwas sein oder einfach ein wenig Krawall machen wollen. Sie nutzt Angst aus, um Hass zu schüren, streut Salz in fremde Wunden und führt eine ganze Wählerschaft an der Nase herum, die meint, ein paar wenige rechtsorientierte Gedanken machten aus dem gutbürgerlichen Hirn noch längst kein Nazi-Organ, dafür aber einen besseren Ort aus ihrer Heimat, die mit Angela Merkels humaner Flüchtlings-Politik gewiss dem Untergang geweiht sei. Die Alternative für Deutschland ist im Klartext auf dem besten Weg dorthin, genau das zu werden, was unsere Gesellschaft vor 70 Jahren geprägt hat. Verabscheuungswürdig ist die Partei mitsamt ihrer Anführerin Frauke Petry schon jetzt, daran wird von innen heraus seit jeher hart gearbeitet. Erst Anfang der Woche hatte der Krefelder Kreisverband der AfD auf seiner Facebookseite den Ausschluss eines Fußballclub-Mitgliedes aufgrund von Sympathien für die Partei wie folgt kommentiert: „Und immer weitere Berufsverbote für AfD’ler kommen hinzu. Freuen Sie sich schon auf den blauen Stern? Wir wissen: Wir werden den Stern wie eine Auszeichnung tragen! Bis zum bitteren Ende!“ – hier haben wir es mit der Lieblingstaktik dieser ach so harmlosen und selbstredend völlig zu unrecht verurteilten „Wölfe im Schafspelz“ (oder anders herum?) zu tun. Zwecklos. Dunja Hayali trifft mit ihrer jüngst viral gegangenen Rede den Nagel auf den Kopf: „In einem Land, in dem die Meinungsfreiheit so ein hohes Gut ist, darf und muss jeder seine Sorgen und seine Ängste äußern können, ohne gleich in die rechte Nazi-Ecke gestellt zu werden. Aber: Wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt nochmal ein Rassist.“

Die AfD hat demzufolge ein großes Problem: Wenn man aus dem aktuellen Parteiprogramm sämtliche rechtsradikale Hintergründe streicht, bleibt am Ende nicht viel übrig.

Zusammengefasst klingt selbiges tatsächlich wie eine grauenhafte Dystopie, wie ein eins A Leitfaden zur Zeitreise in beschissenere Jahrzehnte. Als hätten wir nicht ohnehin noch einen weiten Weg vor uns, vor allem hinsichtlich fundamentaler Themen wie Gleichberechtigung, Chancengleichheit und Humanismus. Von der Leyen scheint überaus richtig zu liegen: „(…) die AfD ist eine junge Partei, die nur uralte Antworten hat.“

Die AfD glaubt zum Beispiel nicht an den Klimawandel, fordert aber mehr Waffen für vertrauenswürdige Bürger und aus bisher unklaren Gründen noch mehr Überwachung. Kinder sollen schon mit 12 Jahren ins Gefängnis wandern können und Deutschland endlich wieder auf eigenen Beinen stehen, also schnell raus aus der EU, bitte. Und weg vom Euro. Weil Steuern abgeschafft gehören, sollen Sozialleistungen gekürzt werden, wer kein Geld für private Versicherer hat, schaut blöd aus der Wäsche. So weit, so schräg. Es kommt natürlich noch besser: Denn selbstverständlich bekennt sich die AfD  „zur traditionellen Familie als Leitbild“, staatliche Kindergärten könnten demzufolge ruhig abgeschafft werden, stattdessen soll die Erziehung durch die Mutter gefördert werden. Darüber hinaus lehnt sie Frauenquoten ab, sowas sei schlichtweg unfair, und ist gegen eine „staatliche Finanzierung des selbstgewählten Lebensmodells Alleinerziehend“, auch Abtreibung soll erschwert oder gar verboten werden. Außerdem: Hinfort mit der „rasanten Besiedelung Europas und besonders Deutschlands durch Menschen aus anderen Kulturen und Weltteilen.“ Und dann: „Die AfD bekennt sich uneingeschränkt zur Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit.“ Außer natürlich man ist Moslem. Die ZEIT hat zum Thema gerade eine wichtige und ausführlichere Zusammenfassung veröffentlicht.

Schon klar. Das ist weder Lifestyle, noch Fashion. Aber man schmückt sich in Deutschland neuerdings wohl leider mit dem politischen Stil einer dunklen Epoche.

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27 Kommentare

  1. Magda

    DANKE <3
    für diese ehrliche Analyse und vor allem dafür, dass du dieses "sensible" Thema in die (Fashion)Bloggerwelt geholt hast. Ich würde mich freuen, wenn mehr Leute sich so klar positionieren würden!

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  2. Anne

    Danke, dass ihr diesem Thema auf Eurem Blog eine Präsenz gebt, Stellung bezieht und so vielleicht auch weniger politische Interessierte motiviert, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen!

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  3. Gianna

    Ich kann den obigen Kommentar nur unterschreiben. Ich finde es toll, dass du eure Reichweite nutzt und auch dabei die AfD nicht nur schnell negativ abkanzelst, sondern die Positionen ansprichst und auf die Zusammenfassung der ZEIT verlinkst. (Unbedingt lesen.) Ich glaube, vielen Menschen ist und war das (vorläufige) Programm der Partei gar nicht bewusst. Merci <3

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  4. Zhenya

    ich freue mich sehr über diesen Artikel und finde, er passt super hierher, super zu euch, super zu uns allen, die wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen und ungläubig mit dem Kopf schütteln. Danke, dass du dir dafür Zeit genommen hast du Herz!

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  5. Anna

    Danke, dass Ihr zu diesem Thema Stellung bezieht. Die Ergebnisse vom Wochenende haben mich auch geschockt! Ich finde es toll, dass ihr hier neben den herrlichen modischen Inhalten auch Eure Gedanken/Ideen/Auswüchse zu anderen Themen teilt.

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  6. Carina

    Liebe Nike,
    Danke für diesen Artikel. Ich fand schon deinen vorherigen Artikel zu Humanisierung wirklich toll und wichtig. Gerade diese Artikel heben euch von der Masse aller Blogs extrem positiv ab.

    Manchmal frage ich mich, in welcher Zeit leben wir alle? Ich sag nur AFD, Donald Trump, Viktor Orban, Marine Le Pen? Geht es bald alle für uns 60 Jahre zurück? Gut, dass ihr eure Stimme nutzt, nicht nur über Mode und Lifestyle zu berichten, sondern auch politische Themen ansprecht und eine Stellung dazu bezieht. So kann ich doch noch etwas Hoffnung in die Zukunft der Menschheit haben – es ist noch nicht alles verloren.

    Wenn es dir ähnlich geht, würde ich mich auch um einen Artikel freuen, der das Thema „Zukunftsängste“ anspricht. Ich frage mich, geht es nur mir so, dass ich Angst davor habe, was da kommt? Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft? Der Umgang mit Anderen/Fremden/Unbekannten – wie wird sich dieser entwickeln? Das alles bereitet mir Sorge…

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    1. Julia-Maria

      Geht nicht nur dir so. Ich versuche mir regelmäßig auszumalen, was in 5, 10, 20 Jahren passiert und in welcher Welt meine Tochter dann erwachsen werden wird. Wenn ich zu sehr grüble, schnürt es mir den Hals zu. Erst recht kündigt sich Panik an, wenn ich darüber nachdenke, dass unser Status Quo in Deutschland verglichen mit anderen Ländern, Märkten, Gesellschaften und Kulturkreisen ein sehr passabler ist. Eine Lösung hab ich nicht. Schon gar nicht die AfD.

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  7. Anna Philippa

    Ich finde es sehr wichtig, dass bei einer derartigen Entwicklung auf möglichst vielen Kanälen zu dem Thema Stellung genommen wird. Ihr mögt kein Politikblog sein, aber um Himmels willen: eine schweigende Masse wäre doch fatal.

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  8. Sarah Naima

    Liebe Nike,
    vielen Dank für den wunderbaren politischen Essay, genau das fehlt mir mitunter auf Blogs wie diesem.
    Und ehrlich gesagt leuchtet mir nur äußerst geringfügig ein, warum den ein Format wie euers nicht auch die Politik behandeln soll, sie macht ja nun mal all unser Dasein leicht oder happig, bunt oder matschbraun, aufregend oder planbar.
    Viele liebe Grüße,
    Sarah Naima

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  9. Katrin Dussan

    Vielen Dank für diesen schönen und nötigen Beitrag. Manchmal ist es einfach wichtig Farbe zu bekennen und klare Positionen zu beziehen! Ich finde es sehr, sehr gut, dass Ihr Eure Reichweite nutzt, um auch politische Themen anzusprechen. Das eine schließt ja auch das andere gar nicht aus: man kann sich sowohl für Mode interessieren, als auch ein politisch denkender und interessierter Mensch sein.
    Katrin von KALMA SCHMUCK (Politologin & Goldschmiedin)

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  10. An

    Danke, dass ihr sowas in euren Blog ansprecht!
    Die Wahlen zeigen leider deutlich, dass die meisten der Menschen die die AfD gewählt haben nicht das Kleingedruckte gelesen haben und lediglich das Thema „ein besseres einheitliches Deutschland“ gehört haben… blind hinterher gelaufen ist man leider damals auch!
    Ich hab Angst vor dieser Blindheit, aber keine Angst vor einem bunten Deutschland! Ich hoffe sehr, dass die Wähler dieser Partei ganz bald erkennen was die wirklich sind, ekelhafte Heuchler und ja von der Leyens Aussage trifft es wirklich zu gut.

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  11. Michi

    Schön, dass Ihr euch auch diesbezüglich zu Wort meldet. DIe AFD ist einfach eine gefäghrliche Partei und jeder der ein wenig Menschenverstand besitzt, sollte sich dazu äußern.

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  12. Andrea

    Fakt ist, viele Menschen gehen wählen, ohne jemals das Programm der gewählten Partei gelesen zu haben.
    Du schreibst mir aus der Seele, vielen Dank für diesen Beitrag

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  13. Pingback: Girlpower News | KW 11 | Femtastics

  14. Constanze Zimmermann

    Super Text zu einem wichtigen Thema. Hier in Baden-Württemberg waren am Sonntag Landtagswahlen und die AfD hat schockierende Werte erreicht.

    Ich stand vor zwei Wochen an einer Gegenkundgebung für einen AfD Wahlkampf-Auftritt und konnte kurz nicht fassen, dass wir wieder gegen so etwas demonstrieren müssen.

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  15. Maria

    Das Parteiprogramm der AfD ist echt so wack, dass man es kaum glauben kann! Schade, dass deren Wähler das Programm gar nicht interessiert. Hauptsache, sie können ihrem unglaublichen Lebensfrust, ihrem Hass und ihrer Dummheit irgendwo Luft machen. Riesenlob, dass Ihr das Thema in Eurem Blog aufgreift und klar Farbe bekennt! Bei den alarmierenden Wahlergebnissen und Übergriffen auf Asylbewerber müssen wir uns besonders gerade machen! Keine Macht den Nazis!

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