KOLUMNE // Der Social Media-Guide
für Turteltauben

21.03.2016 Wir, Leben, box1

scalamaris welt kolumneHeute gilt der Fokus mal ausnahmsweise nicht dem schnöden Leid der breiten Masse. Nein, ich nehme mich in dieser Ausgabe einer sozialen Randgruppe an – nämlich der für die Umwelt untragbaren Menschenkategorie „frisch verliebt“. Wir alle wissen längst, heute funktioniert nichts, und zwar nicht einmal oder schon gar nicht, die Liebe ohne Internetaustausch. Der Weg durch offene Love-Tabs ist gepflastert mit Missverständnissen und Wlan-Venus-Fallen.

Zeit, euch angry Love-Birds mal aus der Grauzone LiebesNetz-Kommunikation rauszuholen. Damit aus euch Turteltauben keine twitternden Idioten-Vögel werden. Nimm diesen Erfahrungs-Guide als streng liebevollen Schulterklopfer, du armes süßes Marzipanschwein. Nur so kann das alles überhaupt was mit euch beiden werden.

Knick die Standleitung ab

Klar bist du geschrieben irre schlagfertig und witzig. Logisch erlebst du jeden Tag hundert Sachen, die du so nötig mit ihm/ihr teilen willst. Ob es nun euer Lied ist, was da gerade im Friseursalon runterdudelt, während du dir neue Strähnchen verpassen lässt – oder DIE Idee für euren nächsten Liebesausflug (Spreewald uuuh ja) – spare dir die Knallerinformationen des Tages auf, bis ihr euch wiederseht. Bis dahin kannst du auch gern alles noch einmal durch den Realitätsfilter ziehen und überlegen, ob du wirklich jede einzelne Mahlzeit erzählen musst, die du heute zu dir genommen hast.

Hör mal auf zu spielen

Nein, falsch – halt! Hör bitte einfach auf deine beste Freundin zu nötigen, dir etwas ganz furchtbar geheimnisvolles auf die Pinnwand zu posten. Auch die Nummer mit den Kommentaren und falschen Tags mit interessanten Leuten an mega abgefahrenen Orten raubt in erster Linie nur dir allein wertvolle Lebenszeit. Internet-Eifersüchtigmach-Games sind, ganz wie in der Realität, infantil und unnütz, du Dummi. Niemand braucht das – wirklich niemand.

Werde kein Liebesprolet

Gleiches gilt übrigens auch für das ständige zur Schau stellen eurer ACHSOGLÜCKLICHEN neuen Liebe im Internetz. Natürlich ist der Drang überwältigend groß, das erste Foto vom Ostseewochenende im Strandkorb mit euch auf alle Kanäle rauszuballern – an jede Häuserwand zu tapezieren und am besten eine dicke Fete eurer dreitägigen Beziehung zu Ehren zu feiern, mit allen Menschen der Welt. Ich würde allerdings dringend davon abraten. Die Chance für euch in der Außenwahrnehmung als Schleimschleudern damit allen tierisch auf den Sack zu gehen, ist höher, als euch und anderen damit eine Freude zu bereiten. Liebe ist leise – du Brüllhans, das merkst du irgendwann auch noch. Wenn du es gar nicht mehr aushältst, verstecke Botschaften in deinen öffentlichen Posts, die wirklich (!) nur er/sie als Liebesbotschaft kapiert. Klaro?

Haltet eure Kanäle sauber

Nicht nur Ironie und Sarkasmus werden als geschriebenes Wort oft schneller fehlinterpretiert als man „mein Akku ist irgendwie leer“ tippen kann. Missverständnisse dann klarzustellen, wird dann alles andere als cool und locker und erinnert eher an einen umgekippten Mülleimer als an sweetes Umhergeschreibe. Überprüfe also bei jeder Nachricht einfach, ob du diese jetzt gerade absendest, um das dreizehnte Mal heute eigentlich nicht mehr als „HALLO HIER BIN ICH, BEACHTE MICH, SAG WAS LIEBES UND NIMM MICH AUF DEN ARM“ zu sagen – oder eine echte, handfeste Message hast, die du mit ihr/ihm teilen möchtest.

Stalk nicht, du Eumel!

Da ist bisher noch kein Kraut gegen gewachsen. Entweder du verbringst den kompletten Tag an jeder denkbaren Social Media Quelle um zu gucken, wo, mit wem und warum überhaupt dein Herzmensch gerade abhängt – oder du lässt es einfach bleiben, chillst auf dein Leben und machst dir damit deine Tage auf der Welt um einiges angenehmer. Du bist diejenige, die er/sie ausgesucht hat – und da muss ja irgendwas hinter stecken, non? Wenn er/ sie aber lügen will/muss, dann will/muss er/sie lügen – dagegen kannst du leider rein überhaupt gar nichts ändern. Erst recht nicht so. Alles was hilft, ist Vertrauen schaffen. Mach das doch stattdessen zu deinem Projekt. Amen.

Realität vor Cyber Tête-à-tête

Treffen mit der besten Freundin, am Ackern im Büro oder im OP am offenen Herzen, Kaffeeklatsch mit Oma oder einfach mal in der Dusche – merke dir diese einfache Faustregel zum Glück: Realität geht vor. Hast du erst einmal den Fehler gemacht, dich jeder seiner/ihrer Nachrichten hinzugeben als wäre es eine Doktorarbeit, hast du schon verloren – und zwar den Bezug zu deinem Leben was stattfindet, während du pannenkrass verliebt im Instagram steil gehst. Also weg mit dem Smartphone, wenn du beschäftigt bist mit deiner Umwelt. Und nimm dir dann bewusst Zeit für eine schöne Antwort, sobald es dir in den Kram passt.

Vermissen ist sau stark

Genieß doch einfach mal dieses beißende, leuchtend warme Gefühl in deiner Körpermitte, welches sich da seit kleiner Zeit breit gemacht hat und dich nicht schlafen, essen oder an irgendwas anderes als sie/ihn denken lässt. Nicht jedem Impuls muss eine Nachricht, ein Zeichen an ihn/sie folgen. Wirklich nicht. Niemand hat dich deshalb weniger lieb – im Gegenteil. Halte das Vermissen aus bis zum nächsten Wiedersehen, verdammt nochmal – du wirst sehen wie viel ihr euch dann zu erzählen habt. Keine Magie. Kein Scheiß.

Don’t drink and Internet

Suche dir vor jeder Veranstaltung einen kompetenten Smartphone-Paten, bestenfalls einen in deine Liebeskrankheit eingeweihten Freund – der bitteschön mit aller Sorgfalt und Akribie dafür sorgt, dass du um aller drei Teufels Namen nicht die Möglichkeit bekommst, seinen/ihren und deinen Namen auf die Lokal-Tischdecke zu schreiben, Herz drumrum zu kritzeln und abfotografiert an ihn/sie abzuschicken. Oder wer weiß was Schlimmeres. Und, der Diminutiv ist nicht dein Freund – auch wenn Vodka was anderes sagt, du Süßileinchen.

Auch mal Brechen

Und dann überkommt es dich doch, der tiefe innere Wunsch genau in diesem ungünstigen Moment ein Selfie von dir ins Whats-App Fenster gen Liebe zu schicken – mit honigsüßem Kommentar: Betreff „Vorfreude heute Nacht“. Dreißig herzäugige Emoticons hinterher. Und was machst du dann? Keine Sorge, dann musst du dich auch nicht unter einem Erdhaufen vergraben – denn so sind wir Menschen nunmal. Und jetzt kommt’s: Jede dieser Regeln hier, darf und soll und muss von Zeit zu Zeit gebrochen werden. In der Liebe und im Internetz ist alles erlaubt.

Und eins noch zum Schluss, damit das hier mal für alle Zeiten endgültig vom Tisch und Display ist: Antwortet er/sie nicht – also nicht nur heute nicht sondern auch nicht morgen – und auch die drei Wochen davor schon nicht. Mein Herz, dann sei jetzt ein Mal stark, nimm‘ es wie ein stolzer Krieger und begreife: Er/sie steht einfach nicht auf dich. Punkt. Ende. Aus. Bitte rufen Sie nicht zurück.

13 Kommentare

  1. Saskia

    Liebe Sarah,
    Normalerweise stimme ich dir zu, heute muss ich vehement widersprechen.
    Verliebtsein kennt keine Regeln.
    Wenn ich jedes Pärchenselfie online stellen will, weil ich vor Glück platze und mich mitteilen will, dann ist das genauso ok wie die 35 Nachrichten, die ich ihm noch vor dem Morgenschiss schicke. Solange es IHN nicht stört! Das Argument, dass es andere Leute in ihrer Timeline nervt…nunja, wenn ich nicht wissen möchte, was andere Leute beschäftigt, sollte ich mich vielleicht von sozialen Netzwerken verabschieden. Oder zumindest besagte Person „entfreunden“, wenn ich mich von dessen frischer Liebe so belästigt fühle.
    Liebe ist doch toll und sei allen gegönnt. Und wenn wir beide gerne Spielchen spielen, lass uns doch spielen. Natürlich solange niemand verletzt wird.
    Das Einzige, was mich auch nervt:
    Frisch verliebte Pärchen im real life, die sich abschlecken, anschmachten und befummeln, am besten in Gesellschaft von Freunden und mitten im Gespräch. Unhöflich und unnötig.
    Ansonsten: gut geschrieben! Zum Glück müssen wir ja nicht alle einer Meinung sein 🙂

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    1. Lena

      Ich find den Artikel super, man muss einfach mit lachen. man denkt direkt an jemanden… oder vielleicht auch an sich selbst und die eine oder andere situation. und gut geschrieben find ich den Artikel auch. Kennt man so aber ja von Scalamari. Nur ich fand´s schon auch etwas bissig irgendwie (bei allem humor). Als würdest du es den betreffenden Menschen nicht gönnen. Jeder geht damit anders um, wer mag, der soll eben selfies mit Herzchen in den Augen posten.

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  2. anvic

    Gedanken, die ich kenne. Wenn man sehr lange nicht verliebt war, oder grad enttäuscht und wütend abserviert hat oder worden ist (auch enttäuscht und wütend). Aus welchem Anlass heraus entstand denn dieser Text? Aus Neid? Aus Frust? Oder aus ernsthaften Genervt sein? Der erhobene Zeigefinger ist das Stilmittel, ok verstanden, aber irgendwie fehlt mir der Hintergrund dieser Liste. Warum? Und vielleicht irgendwo noch ein klitzekleinen Funken Verständnis für den Liebestaumel, der doch echt ganz geil ist (wenn man ihn selbst grad erlebt). Und achja: der geht auch wieder vorbei. Deshalb kann man ein klitzekleines Verständnis für jene Menschen haben. Oder dann halt weglesen.
    Ansonsten sehr nachvollziehbare Würg-Szenarien des way-too-much-auf-dem-präsentierteller-gelebte-Leben-und-Liebschaften.

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  3. Julia-Maria

    Ach du, witzig wie immer. Und irgendwie, ja, hast ja recht. Und irgendwie auch nein, zumindest was die Postingwut von Frischverliebten angeht. Macht das doch, wenn euch das Herz so platzt vor Liebe und Freude! Über Social Media zu kommunizieren ist doch state of the art – und zwar nicht nur für Empörung oder nüchterne Informationsmitteilung, sondern auch die richtig schönen Momente im Leben. Und die beinhalten nicht nur die neue Handtasche. Diese für so manch Außenstehende nervige Zeit des Liebesgeprahle geht schnell genug vorbei und plötzlich besteht die elektronische Kommunikation zweier Liebenden nur noch aus Einkaufslisten und Alltagsorganisation. <3

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  4. Anastasia

    grandios! und so wahr. hat mir meinen kaffee grad mega versüßt. und grinsen muss ich noch immer 😀 bussi u danke dafür!

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  5. Pingback: Cherry Picks #10 - amazed

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