Social Media Battle //
Alte Hasen vs. junges Gemüse

05.05.2016 Mode, Technik, Gesellschaft

digital influencerManchmal, wenn das Internet über Social Media oder wir Blogger_innen über Veränderungen in der digitalen Welt schreiben, frage ich mich, wer von euch wohl längst mit rollenden Augen vor dem Bildschirm sitzt. Man kann sich auf der einen Seite nämlich köstlich darüber amüsieren, wie bierernst scheinbar nebensächliche Themen zuweilen diskutiert werden, andererseits haben wir es hier faktisch mit einem mittlerweile millionenenschweren Business zu tun: Wer viele Follower vorzuweisen hat, etwa auf Instagram, rüttelt häufig heftig am Kooperations-Baum. Das ist neu. Früher galt: Je höher der Traffic auf der eigentlichen Website, desto besser – Social Media existierte ausschließlich als positive Begleiterscheinung. Heute jedoch läuft der Hase oft komplett anders herum, die hellsten Sterne am Himmel der sozialen Medien kommen gar komplett ohne Webseiten aus. Instagram-Ikonen und Snapchat-Profis lassen vorrangig schöne Bilder statt getippten Content sprechen. Und zwar sehr zur Sorge der schreibenden Blog-Front. Auch ich erbrach mich erst jüngst verbal auf das Phänomen mit dem gelben Geist – bis ich prompt zur Bekämpfung meiner offenbar frühzeitigen Vergreisung zum Selbsttest überredet wurde und schließlich höchst vergnügt aus der Woche voller „Snaps“ hervor ging. Es kommt womöglich also nicht darauf an, was wir konsumieren, sondern wie wir konsumieren. Wie berechtigt ist aber die mitunter handfeste Kritik an diversen, sagen wir mal, „Fast-Media“-Stars, die seit geraumer Zeit über unsere Smartphone-Displays hüpfen?

Sarah fragt sich derzeit beispielsweise öffentlich, ob der leichtfüßige Bunte-Bilder-Feed, der inzwischen in die Hände von Facebook übergangenen ist, womöglich geradewegs zum Wertverlust von Blogs und damit auch des geschriebenen Wortes führt, Masha gruselt sich ein wenig vor der Macht all jener, die ihr gesamtes Leben für Snapchat abfilmen und bei unseren Kolleginnen von Journelles geht es aufgrund des inflationär gebrauchten Begriffs „Digital Influencer“ heiß her. Die ersten beiden Diskussionen ließen mich beim Lesen mit dem Kopf nicken wie ein nach Futter suchender Spatz; da ist viel Wahres dran und die Kratzbürste in mir gab sich hoch erfreut über so viel Ehrlichkeit. Spätestens mit dem Gesprächsstoff-Beitrag von Jessie ließ sich aber ein kerniger Beigeschmack zwischen den Zeilen heraus lesen: Nämlich die omnipräsente Angst von uns alten Hasen, das junge Gemüse könne uns irgendwann von der Bildfläche verdrängen.

Man kann sich das, ganz vereinfacht dargestellt, in etwa so vorstellen: Da schreibt man sich jahrelang die Finger wund, brainstormt etliche Konzepte und flutet durchdesignte Seiten mit Herzblut, um am Ende schön blöd aus der Wäsche zu schauen, weil plötzlich eine ganz neue Generation von Internet-Bekanntheiten wie Unkraut aus dem Boden sprießt, zuweilen sogar meterhoch, ergo saumäßig erfolgreich. Ausschließlich durch das Hochladen makelloser Bilder und Sammeln hunderttausender Follower, versteht sich. Es ist also nur logisch, dass viele von uns am guten alten Content-ist-King-Prinzip Festhaltenden über Bauchweh klagen und darüber hinaus auf Krawall gebürstet sind; niemand wird gerne überholt. Damit allerdings begehen wir einen meines Erachtens mittelgroßen Fehler: Wir vergessen, dass wir nicht der Nabel der Welt sind. Dass ihr, die Rezipienten ganz allein entscheidet, wem ihr wo folgt. Dass in der digitalen Welt noch immer Platz für alle ist. Und dass sich ein Jeder, der über eine gewisse mediale Reichweite verfügt, seiner Vorbildfunktion im Klaren sein und damit endlich Abstand vom Konkurrenzdenken nehmen sollte. Andere doof finden, das ist schon ok. Andere mit Argwohn und einer subtilen Portion Missgunst zu beäugen schon weniger. Auf jeden Fall besser ist es, einfach gelassen zu bleiben. Selbstvertrauen zu haben. Und sich zu allererst an die eigene Nase zu verfassen. Da hat jemand 375.000 Instagram-Freunde und bezahlt damit seine Miete? Herzlichen Glückwunsch und vor allem: Respekt. Ich schaffe das nämlich nicht. Dafür bin ich in anderen Dingen gut.

Es ist selbstverständlich streckenweise richtig, aber vor allem schrecklich leicht, sich darüber zu echauffieren, dass diverse wie aus dem Ei gepellte Instagram-Kanäle die 500k-Grenze knacken, obwohl sie wenig innovativ erscheinen, darüber, dass der Einheitsbrei die Herrschaft an sich reißt, dass irgendwelche jungen, in teure Fummel gekleidete Frauen sich selbst als „Influencer“ bezeichnen, obwohl ihr Einfluss kaum messbar ist (aber durchaus denkbar und logisch). Es ist einfach, darüber zu schimpfen, dass dort im Handumdrehen Geld verdient wird mit Urlauben auf Bali und augenscheinlichem Müßiggang. Zu einfach. Denn wer selbst bloggt, weiß eigentlich, wie viel verborgene Arbeit hinter den Kulissen steckt. Wie viel Privatsphäre flöten geht, wie viel Arbeit so ein Shooting ist. Wie anstrengend es ist, ständig durch die Welt zu reisen und kaum Zuhause zu sein. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass die Allerwenigsten von uns tauschen wollen würden. Und ja, wieso nicht. Ich lese gerne Texte, schaue aber nunmal auch gern Bilder. Kritik am Marketingtool „Person mit gutem Aussehen“ ist ganz grundsätzlich dringend vonnöten und Aufklärung sowie Transparenz ein Muss, das allzu häufig unter den Marmor-Tisch gekehrt wird. Das steht außer Frage. Es ist nicht egal, dass Hunderttausende durch etliche Produktplatzierungen mal ziemlich aggressiv, mal eher unterschwellig zum Kauf stimuliert werden, rückgängig zu machen ist dieser Mechanismus jedoch vorerst nicht. Also: Augen auf beim Eierkauf. Sich dessen Bewusst werden und schlau entscheiden, wen wir uns zum Vorbild nehmen.

Nicht unerheblich ist außerdem der Zweifel an der Beständigkeit solcher Kanäle. Schnelligkeit und übermäßige gesponserte Beiträge bleiben zumindest im Angesicht mündiger Konsument_innen Gift für Authentizität, nicht wenige Instagram-Starlets werden von Firmen durchgenudelt wie nasse Handtücher und könnten schneller wieder in der Senke verschwinden, als wir überhaupt den „Folgen“-Button gedrückt haben. Aber: Es gibt auch jene, die sich schlichtweg völlig zu Recht großer Beliebtheit erfreuen dürfen. Und wer entscheidet überhaupt darüber, wer über eine sogenannte Daseinsberechtigung verfügt und wer nicht? Wohl immer noch der eigene Geschmack. Und mit dem muss der geschriebene Inhalt sämtlicher mit Liebe gepflegter Blogs nunmal mithalten können, um nicht zu verlieren. Ich bin mir übrigens ganz sicher, dass er das kann. Auch in Zukunft. Aber ganz gewiss nicht, indem wir die Foto-Königinnen auf der anderen Seite schlecht reden. Ein bisschen mehr gegenseitiger Support zum Beispiel, könnte beide Branchen eventuell sogar stärken. Warum nicht die, die sonst stumm bleiben, auf Blogs zu Wort kommen lassen? Womöglich steckt ja hinter vielen Fassaden mehr als ein hübsches Näschen, ausschließen sollte man diese Eventualität jedenfalls nicht. Bis dahin gilt für uns Blogger_innen: Ruhig bleiben. Auf die Leser_innen eingehen, neue Ideen sammeln, sich weiterentwickeln. Friedlich koexistieren, statt mit Giftpfeilen zu schießen. Damit wir nicht irgendwann an uns selbst ersticken, weil wir vergessen haben, dass nicht wir die wichtigsten Menschen in dieser Blubberblase sind, sondern ihr.

Bild: Gilda_Garzia_It

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25 Kommentare

  1. Alexa

    Nike, ich bin immer wieder begeistert von Deinen Essays. Du schaffst es, das jeweilige Thema differenziert zu beschreiben und beweist immer wieder, dass Du/Ihr Janes den notwendigen (journalistischen) Abstand zu jedem Hype und zu der Modebranche bewahrt. Das macht Eure Beiträge so lesenwert und anders. Bei Euch habe ich nie das Gefühl verschaukelt zu werden, sondern ich empfinde was ihr schreibt immer als authentisch.

    Ich denke, mit dem selben Argwohn, der jetzt den sog. „Influenzern“ der neuen Platformen von seiten der Modeblogs entgegengebracht wird, wurden selbige Blogs selbst vor nur wenigen Jahren noch von „seriösen Modejournalisten“ und Printmagazinen betrachtet. Instgram und Snapchat sind (relativ) neue Platformen, die neue Arten von Geschäftsmodellen eröffnen. Ich finde auch, diese haben genau dieselbe Berechtigung und auch den gleichen Wert wie Blogs oder Printmagazine. Natürlich unterscheiden sie sich und natürlich gibt es hier wie dort irgendwelche „Hohlprinten“, deren Erfolg ob ihrer schamlosen und sinnbefreiten Selbstdarstellung für viele unglaublich erscheint. Aber wo Follower sind, da ist ein Markt und der wird auch bespielt. Ich kann nachvollziehen, dass alteingesessene Blogs vor dieser Entwicklung Respekt haben. Aber es gilt eben – wie in vielen Bereichen der Marktwirtschaft – „There’s a new Kid in Town“, Konkurrenz belebt das Geschäft. Blogs werden daher nicht überflüssig werden, sie werden aber reagieren müssen, neuen Entwicklungen folgen und arbeiten müssen, um sich weiter abzuheben.

    Die „Neuen“ aber schlecht oder klein zu reden wirkt hilflos und wird nicht helfen. Da hast Du sicher Recht. Die Janes jedenfalls werden sich durch eloquente Beiträge wie diesen hier immer abheben und deshalb lesenswert bleiben. Danke Euch dafür <3 (Puh, eine ganz ordentliche Lobhudelei, merke ich gerade- aber sie kommt von Herzen :))

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  2. Jana

    Danke Nike. Deine Worte haben in dieser Diskussion gefehlt. Als ich gestern den Beitrag auf Journelles las, war mir das etwas zu undifferenziert. Du hast die richtigen Worte gefunden. Ich stimme dir voll und ganz zu.
    Ich als Leser bzw Konsument finde die Mischung aus tollen Instagram-Accounts und tollen Blogs und Texten ganz wunderbar. Ist doch toll, dass es verschiedene Ansätze gibt, jeder das beste aus dem macht, was er kann. Und nicht jeder kann eben so toll schreiben wie du <3

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  3. Esra

    Vielen Dank! Ich habe mich nämlich auch oft darüber geärgert, dass hübsche Bilder von hübschen Mädels auf Insta so erfolgreich sind, und mein Content auf dem Blog von vielen Firmen damit gemessen wird – aber es ist ja gar nicht vergleichbar!
    Mit Giftpfeilen möchte ich aber auf keinen Fall was zu tun haben! Danke für die schöne Anregung 🙂
    Wir müssen alle zusammenhalten 🙂 <3
    lg
    Esra

    http://nachgesternistvormorgen.de

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  4. Jessie

    Super Text! Aber auch etwas einseitig, denn mit Giftpfeilen hat keiner geschossen. Vielmehr ist es die inflationäre Nutzung eines neuen Begriffs in der Online-Welt, den keiner so recht erklären kann und trotzdem nicht hinterfragt wird. Das Interesse an dem Gesprächsstoff war dahingehend riesig, also schien es nicht nur uns so zu gehen.

    Man braucht in diesem Kontext auch keine Angst haben vor der nächsten Generation, im Gegenteil, mit Snapchat und Co lernen wir ja gerade von ihr – ich habe nicht umsonst den Snapchat-Test gemacht und bin hängen geblieben. Es ist vielmehr eine Diskussion um Zielgruppen, die sich vielleicht verändern, vielleicht aber auch nicht. Und das Mitwachsen oder stehen bleiben der Zielgruppen können wir selber beeinflussen – nur werden die Überschneidungen immer geringer. Ich habe als 20-jährige keine Printmagazine mehr gelesen, als nun 30-jährige inspirieren mich aber auch keine sogenannten Online Influencer mehr. Insofern braucht man keinen Schiss haben, sondern kann sich von der neuartigen Kommunikation inspirieren lassen – und genau den Fehler, den die Printbranche bis heute gegenüber Blogs begeht, nicht wiederholen.

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    1. Nike Jane Artikelautorin

      Liebe Jessie, ich hätte deutlicher machen müssen, ab wann ich mich nicht mehr auf Journelles beziehe, sorry! Es werden nämlich immer wieder ganz schön heftig Giftpfeile abgeschossen, von Bloggerinnen wie von Followern, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Aber das ist ein anderes Thema, zu dem übrigens der re:publica-Vortrag von Kübra Gümüşay hervorragend passt.

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  5. Franzi

    Ganz deiner Meinung. Danke dafür und ich finde schon, dass man gestern deutlich – nicht aus dem Taxt sondern in den Kommentaren auf Journelles die Giftpreile lesen konnte. Ich war sogar ein wenig enttäuscht von den einseitigen Antworten auf Leserkommentare. Ich muss auch zugeben- es ist schon ziemlich ausgelutscht immer über neue Sachen, Stars und Sternchen aus dem Netz zu motzen. Ich habe manchmal das Gefühl die Bloggerblase ist ganz schön eingestaubt und ein wenig eingebildet geworden. Mir ist es am Ende pups egal wer sich wie nennt. Blogger, Influencer , Model- ist ja auch nicht ausschlaggebend für die Arbeit oder was dahinter steckt. Kritisch finde ich nur einen Punkt- damals haben wir dafür gekämpft, dass uns andere wahrnehmen und schätzen. Jetzt verwehren wie das anderen. Das hat bei mir einen Faden Beigeschmack hinterlassen. Du hast es gerichtet. Vielleicht nehmen wir uns immer wieder zu ernst 🙂

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  8. Janina

    Boah, krasser Burn gegen Jessie! Aber gut geschrieben, trotzdem dachte ich irgendwie du & Jessie wären befreundet?

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    1. Nisi

      Davon abgesehen, dass ich es nicht als Burn betrachten würde, aber kann man unter Freunden etwa nicht die Meinung äußern auch wenn diese von der Meinung der Freundin abweicht?

      Toller Text, Nike! Und ich liebe liebe liebe einfach deinen Schreibstil. Würde ich direkt so unterschreiben!

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  9. Neele

    WOW! Ich kann dem gar nichts mehr hinzufügen. Vielen, vielen Dank für deine Worte und den ersten Beitrag zu diesem Thema, dem ich voll und ganz zustimmen kann. Beeindruckte Grüße aus Freiburg, Neele

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  10. Masha

    Ein wirklich ganz fantastischer Beitrag liebe Nike und ich finde es super, dass du noch mal einen anderen Blickwinkel in die Diskussion einwirfst 🙂
    Ganz viel Liebe <3

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  11. Jasmin

    Superspannendes Thema und irgendwie auch witzig zu beobachten, dass die gleichen Ängste die die Zeitschriften und Zeitungen beim Aufkommen der Blogosphäre hatten, jetzt auch an genau diesen Bloggern nicht spurlos vorbeigehen. Ich denke die Veränderungen der Technik und unseres Nutzungsverhaltens sind mit diesem Thema eng verknüpft – mittlerweile ist im Alltag bei den meisten einfach das Smartphone das wichtigste Endgerät und darauf lassen sich nun mal leichter Snaps schauen oder ein Instagram-Feed durchscrollen als einen gut geschriebenen, aber längeren Text, zu lesen… kann man schade finden und sich in Selbstmitleid wälzen (was du nicht tust, Nike!) oder aber den Wandel und die damit verbundene neue Herausforderung annehmen und für sich seinen Weg darin suchen. Einen schönen Satz in deinem Artikel finde ich: „Dass in der digitalen Welt noch immer Platz für alle ist.“ – In diesem Sinne: weiterhin viel Erfolg, denn Qualität hat sich schon immer durchgesetzt – egal auf welchem Kanal.

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  12. Pingback: Cherry Picks #16 - amazed

  13. Urs E. Gattiker - DrKPI

    Interessant dieser Beitrag
    Ja Einfluss zu messen ist schwierig…. da hatte Martha Jane Fox (lastminute.com) schon die Meinung, dass es ohne Zahlen nicht geht, doch wie.
    Oftmals sind diese Likes auf Instagram für mich fast eine Reflexreaktion. Ob sie dabei helfen die Marke zu stärken ist mir nicht immer klar.
    Ich habe das auch mal versucht zu erklären: http://blog.drkpi.de/definition-und-methodik-1/
    Ich tu mich dabei immer noch schwer
    Danke
    Urs

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  16. Jasmin

    Ich blick da nicht durch, wenn man das Video hochgeladen hat, geht es dann auch um die meisten Likes die dann eingeladen werden, oder entscheidet ihr das einfach so ohne Blick auf die Likes, Herzen etc.?

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