Hi, ich bin Pia, Mediendesignerin und Markt- und Werbepsychologin. Zwei Seelen wohnen, ach!, in meiner Brust: Ich liebe Kleidung, Kunst und tolles Design, entwickele aber eine stetig zunehmende Antipathie gegen Kommerz, Fast Fashion und das Zelebrieren von Lifestyle-Konsum. Wie geht das zusammen, fragt Nike, können wir auf eine gesunde Art mit dem Konsum Freundschaft schließen? Ein Erklärungsversuch.
Irgendwo in der deutschen Blogosphäre, wo genau weiß ich leider nicht mehr, habe ich vor kurzem einen wundervollen Satz gelesen, der lautete in etwa so: „Ich liebe Mode für diese Momente, in denen man in den Spiegel schaut und durch die neuen Kleider auf einmal die Frau sieht, die man auch sein könnte“. Bäm! Treffer, versenkt. Dieser Satz bringt es auf den Punkt, finde ich. Mode ist so viel mehr als Ästhetik und Design: Es geht nicht nur darum, wie toll sich der Stoff anfühlt, wie meisterhaft er verarbeitet ist, was die rein physische, ästhetische Kombination aus Stoffen, Farben und Schnitten über alle Sinneswahrnehmungen in der Psyche auslöst. Vielmehr noch geht es um das Lebensgefühl, das man sich mit Mode anziehen kann. Mode kann in einen kunstgeschichtlichen Kontext eingeordnet werden. Sie ist mit kulturellen Codes aufgeladen, die es uns erlauben, durch sie in neue Rollen zu schlüpfen. Mit einem Hoodie sind wir homie, im Slipdress lover, in Boyfriend Jeans friend. Dank weit fallender Anzughose und umschmeichelnder Seidenbluse werden wir zur smarten, schicken Businesswoman, nach getaner Arbeit werfen wir uns dann luftig leicht ein geblümtes Sommerkleid über, um den Hippie im Herzen nicht zu verlieren. Wer Meister dieses Spiels ist und seine Regeln kennt, kann diese Codes brechen und sie sich kreativ zu Eigen machen. Die kulturell geteilten und medial vermittelten Codes, die in Kleidungsstücken und schönen Designobjekten für uns greifbar werden, helfen uns dabei, unser Selbst zu erweitern, unsere Identität zu konstruieren und damit zu spielen. Das ist eine tolle Sache, so kann Kleidung unser Leben bereichern und uns dabei helfen, uns selbst und der Welt zu signalisieren, wer wir sind. Und wer wir sein wollen.
Was man über dieses schöne Spiel aber nur zu gern vergisst ist, dass Mode (und alle anderen schönen käuflichen Objekte) immer nur ein Hilfsmittel sein können, nur eine Hülle, für all das, was wir in sie reinprojizieren. Eine Hülle, die dann mit Inhalt gefüllt muss, um sie zum Leben zu erwecken. Das Tempo, mit dem wir immer neuen schönen Trends und neuen Objekten der Begierde hinterherhetzen, bestimmt, wie oberflächlich dieses Spiel der kulturellen Codes und verschiedenen Rollen bleibt. Wenn wir von einem konsumierbarem Lebensgefühl zum nächsten jagen, und immer weiter in neuen schönen Dingen nach der Frau suchen, die wir sein wollen, bleiben wir immer in einer passiven Konsumentenhaltung. Dadurch können wir die Wünsche und Sehnsüchte, die uns dazu antreiben, immer wieder neue Dinge zu kaufen, nie erfüllen und unsere Facetten, denen wir durch Besitz Ausdruck verleihen wollen, nie ausleben. Je mehr wir konsumieren, desto krasser wird die Geringschätzung des Besitzes, den wir schon erworben haben, der Sehnsüchte und Träume, die wir vor dem Kauf in ihn reinprojiziert haben und auch der Ressourcen, die dafür eingesetzt werden mussten. Irgendwann rutscht man dann immer tiefer in die Hyperkonsum-Falle und ist nicht mehr die facettenreiche Frau, die alle ihre Seiten auslebt, sondern nur noch die Frau, die nach schöner Verkleidung hetzt und dabei Ressourcen verbrennt, als gäbe es kein Morgen mehr.
Eine der smarten Jane Wayne Leserinnen hat es mal super treffend auf den Punkt gebracht: NUTZEN statt HABEN. Das ist der Schlüssel. So einfach und so wahr. Vom Haben allein haben wir nix , dann hat der Besitz in echt uns! Nur wenn die schönen Dinge auch genutzt werden, können sie ihren Zweck erfüllen. Und je mehr Besitz wir haben, desto weniger können wir ihn nutzen. Das gilt nicht nur dann, wenn wir immer mehr Besitz anhäufen, nichts wegschmeißen können und dadurch vom Clutter erdrückt werden, sondern auch, wenn wir vermeintlich ganz minimalistisch immer neuen Dingen nachjagen und dafür Altes gehen muss. Wir haben in jedes Stück Neubesitz echte Lebenszeit reingesteckt. Zeit, um das Geld zu verdienen, mit dem schöne Dinge bezahlt werden. Zeit, um Besitz zu suchen, zu kaufen, in unser Leben zu integrieren. Diese Zeit steht für andere Dinge und für andere Menschen in unserem Leben nicht mehr zur Verfügung. Damit sich dieser deal auch lohnt, sollte man den Besitz dann auch wirklich ordentlich zum Einsatz bringen, ihn wertschätzen und sich dran erfreuen, und im besten Fall auch Andere damit ein Stück glücklicher machen.
Klingt logisch, klingt einfach, ist aber nicht so easy-peasy umzusetzen, weil wir im Konsum ja doch viel mehr suchen als den reinen Nutzwert. Wir werden jeden Tag von tausenden medialen Botschaften und Werbesignalen umschmeichelt, die Produkte emotional und motivational aufladen, um sie uns zu verkaufen. Auch (sogar: besonders!) wenn wir glauben, dieses Spiel zu durchschauen und souverän über diesen Dingen zu stehen, werden wir dadurch sehr stark beeinflusst. In unserer Gesellschaft wird auf multiplen Kanälen suggeriert, dass wir Glück, Zufriedenheit, Erfolg, Image, Selbstwert, schlicht „das gute Leben“, mit den richtigen Produkten erkaufen können. Jedes Lebensgefühl wird heutzutage konsumierbar gemacht, auch wenn dieses Lebensgefühl ursprünglich mal einen ruhigen, sich auf das Wesentliche besinnenden Gegenpol zum Konsumwahn darstellen sollte – öko, minimalistisch, boho, normcore – you name it. You see it, you buy it. Immer schneller, immer mehr. So externalisieren wir unser Streben nach Glück, Zufriedenheit, Selbstsicherheit, Balance, nach Identität immer weiter. Und das ist ein sehr gefährliches Spiel.
Verliebt man sich z.B. in einen tollen, massiven, riesigen Esstisch, ist dabei meist nicht der Tisch an sich das wirkliche Objekt der Begierde (auch wenn er noch so ein toller Designklassiker ist, aus ganz fantastischem Material). Was man wirklich in ihm sieht, geht meist viel tiefer. Vielleicht tagträumt man schon davon, mit Familie und Freunden an diesem Tisch zu sitzen, sieht sich gemeinsam lachen, essen, tolle Gespräche führen. Hat man den Tisch dann aber gekauft, werden diese eigentlichen Bedürfnisse dadurch ja nicht erfüllt. Man sehnt sich weiterhin und sucht weiter nach Befriedigung im Konsum. Für die ursprünglich ersehnten entspannten Kochaktionen und langen, durchquatschten Nächte bleibt also erstmal keine Zeit, weil man vorher unbedingt noch nach neuen Stühlen schauen muss, da die alten überhaupt nicht zum neuen Tisch passen…dann fehlen noch Keramikgeschirr und kupfernes Besteck, die Bodenständigkeit und Ruhe ausstrahlen, eine Leinentischdecke, etc.… anstatt den wirklichen Traum wahr zu machen und den neuen Schatz ordentlich zu nutzen, um sich mit den Herzmenschen eine tolle Zeit zu machen, steckt man im Konsumsumpf und lässt sich ständig von neuen Dingen verführen, die „das gute Leben“ versprechen…
Viele von uns sind sich dieser Fremdsteuerung schon zu einem gewissen Grad bewusst und finden es auch mehr oder weniger kacke, gehen dann aber doch lieber shoppen, um das unangenehme Gefühl zu überwinden und sich in schöne, vermeintlich unbeschwerte und lebensfrohe Welten zu flüchten. Das ist vollkommen normal und liegt daran, dass Materialismus in unserer Gesellschaft und Wirtschaft quasi die Default Einstellung unseres Werte- und Zielsystems ist. Dieses wird besonders stark aktiviert, wenn wir unglücklich oder unsicher sind, und uns Existenzängste plagen. Und wenn man da in seinem Wertekompass nicht super gefestigt ist und/oder aktiv dagegen ansteuert, werden unsere Gefühle, Gedanken und Entscheidungen immer wieder von diesen Zielen und Werten geleitet. Die meisten denkenden und fühlenden Wesen haben viele konfliktäre Gedanken, Einstellungen, Werte und Lebensziele im Kopf und im Herzen: Viele Menschen checken heutzutage, dass übermäßiger Konsum Umwelt und Gesellschaft schadet und merken auch, dass sie selbst damit nicht glücklich werden. Die meisten Menschen lieben Geschichten und Lieder, die davon erzählen, wie Liebe und Miteinander über oberflächliche Schönheit, Schickimicki und Ausbeutung siegen. Aber trotzdem geben sich die meisten immer wieder nur zu gern der Verführung hin, anstatt wichtigere Baustellen in ihrem Leben anzugehen oder einfach nur zu lernen, das Hier und Jetzt zu genießen, ganz wunschfrei. Doch es lohnt sich sehr, für jeden, dieses Spiel mal kritischer zu reflektieren, da nicht nur unsere Umwelt, sondern unser ganz persönliches Glück darunter leidet. Das kann man nicht nur philosophisch oder gar spirituell herleiten, sondern mit knallharten wissenschaftlichen Fakten belegen. Die empirische Evidenz ist echt überwältigend und es kommen stetig neue Erkenntnisse dazu. Aber erstmal ein Schritt zurück:
Wie kann es überhaupt sein, dass Materialismus und Konsumerismus so eine Strahlkraft entwickeln konnten, wenn sie doch so schlecht für das menschliche Wohlbefinden und die Umwelt sind? Stark vereinfacht kann man sagen, dass unser Wirtschaftssystem und das Primat des Wirtschaftswachstums inklusive unbegrenzter Nachfragestimulation (Werbung) und Materialismus als Leitwert (Wichtigkeit, die Besitz und Besitzakkumulation im Leben eingeräumt werden, sowie der Glaube, dass Besitz glücklich macht und ein Zeichen von Erfolg ist) sich in Zeiten der Knappheit bewährt und dann über Jahrzehnte hinweg verselbständigt haben. Zu Zeiten der Knappheit war diese Priorisierung ökonomischen Wachstums auch sehr sinnvoll und hat toll funktioniert, um wichtige Güter des Lebens für die große Masse verfügbar zu machen: Bis zur Erfüllung der physiologischen, sicherheitsbezogenen und sozialen Grundbedürfnisse (Essen, schlafen, adäquate Kleidung, Dach über dem Kopf, Bildung etc.) ist Besitz logischerweise sehr eng mit Wohlbefinden und Glück verknüpft. Aber darüber hinaus trägt Besitzakkumulation erstaunlich wenig zu einem „guten Leben“ bei. Im Gegenteil. Sind diese Bedürfnisse erfüllt, offenbart der Drang nach schönen Dingen eine zunehmend negative Seite. Nennen wir es beim Namen, ab hier mutiert Materialismus zu einem echten Arschloch.
In unserer Konsum und schöne Oberfläche zelebrierenden Überflussgesellschaft rocken wir die Natur, unsere eigene Lebensgrundlage, zu Grunde und werden dabei immer unglücklicher, unzufriedener, einsamer und depressiver. Materialistische und mit ihm eng verwandte extrinsische Werte (Wert und Wichtigkeit von Besitz, Schönheit, Image, Status) korrelieren signifikant negativ mit Glücksempfinden, Lebenszufriedenheit, Selbstsicherheit, Selbstverwirklichung, sozialem Miteinander…also mit allem, was uns noch viel mehr Spaß und Freude bringen kann, als schöne Dinge es jemals tun können. Und diese Korrelation ist anscheinend bidirektional, das heißt: Materialismus macht Menschen einerseits unglücklicher, unzufriedener und unsicherer, und andererseits neigt man besonders stark dazu, Glück, Zufriedenheit und Sicherheit in schönen Dingen zu suchen, wenn man grad auf irgend einem Level unglücklich, unzufrieden oder unsicher sind – ein Bilderbuch-Teufelskreis. Diese Zusammenhänge wurden mehrfach empirisch belegt, und es gibt diverse Erklärungen dafür. Ein paar Beispiele:
Je mehr wir kaufen, desto eher setzt die „hedonische Adaption“ ein. Man projiziert im Vorfeld oft viel mehr in neuen Besitz hinein, als er dann tatsächlich leisten kann. Hat man das Objekt der Begierde dann „erjagt“, kann man sich nur kurz daran erfreuen (manchmal auch gar nicht, hallo an alle Schrankleichen). Je mehr und schneller man neues kauft, desto schneller setzen Gewöhnungseffekte ein, irgendwann freut man sich über die Chloé Tasche genau so viel oder wenig wie sich jemand anderes sich über einen hübschen Jutebeutel freut. Weil auch die trendigsten, hochwertigsten und schicksten Täschchen dann anscheinend doch nicht die ersehnte, wunschfrei machende Trophäe sind, glaubt der homo consumens , einfach nur eine falsche Wahl getroffen zu haben und sucht weiter nach der sich diesmal aber wirklich lohnenden „Investition“. Willkommen in der „hedonistischen Tretmühle“. Je tiefer man dem weißen Hasen in dieses Loch gefolgt ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass irgendeine Tasche der Welt einen jemals dauerhaft zufrieden und glücklich machen kann.
Wenn wir unsere Herzen und Hirne in die materialistische Glitzerwelt entführen lassen, werden wir noch dazu immer abhängiger von sozialen Vergleichen. Nicht der absolute, sondern der relative Besitz und der Vergleich zu anderen löst (kurzfristige, ziemlich oberflächliche) Glücks- und Zufriedenheitsgefühle aus, und da es immer Menschen gibt, die mehr, schönere oder auch coolere Dinge besitzen als man selbst (die Medien sorgen schon dafür, dass wir da ausreichend mit in Kontakt kommen), gibt’s auch hier schnell ein Gratisticket für die „soziale Tretmühle“.
Diese Effekte führen nicht nur zu einem gesellschaftlichen Nullsummenspiel (es gibt immer nur bestimmte „Rangplätze“ von Status, Schönheit und Erfolg, steigt einer auf, verliert ein anderer), sondern auch zu einem Negativsummenspiel: Wir verbrennen als Individuen und als Gesellschaft so viele Ressourcen und hyperkonsumieren unsere eigene Lebensgrundlage buchstäblich unter dem Arsch weg (aber ist ja nich so schlimm, durch globale Erwärmung bedingte Naturkatastrophen wirken sich rein rechnerisch positiv auf das Bruttoinlandsprodukt aus, also YAY!) UND werden dabei auch immer unglücklicher. Tolles Spiel, mh?!
Je mehr Zeit, Gedanken und Gefühle man der Jagd nach Geld, Besitz und schöner Oberflächlichkeit einräumt, je mehr man glaubt, sich dadurch Glück und „das gute Leben“ kaufen zu können und je mehr man den eigenen Lebenserfolg und den anderer danach beurteilt, was sie haben und wie sie sich darstellen, desto weniger Zeit und Platz hat man für Dinge, die einen wirklich glücklicher machen und erfüllen können, die weniger stark hedonischer Adaption und sozialen Vergleichen unterliegen und die nicht auf Kosten anderer gehen, sondern für mehr Miteinander stehen.
Was genau das ist, muss jeder für sich selbst entdecken. Wenn wir in uns gehen und schauen, was uns tief drinnen an den schönen Objekten reizt und welche Bedürfnisse sie wirklich ansprechen, haben wir meist schon ein gutes Indiz dafür. Oft werden durch Werbung in Echt Bedürfnisse nach Sicherheit, Selbstverwirklichung und nach tiefen sozialen Beziehungen angesprochen, um Produkte unter die Leute zu bringen. Und diese Bedürfnisse kann man auf verschiedensten, ganz individuellen Wegen besser befriedigen als mit Besitzakkumulation. Es gibt diverse wissenschaftliche Empfehlungen für einen „gesünderen“, glücksbringenderen Umgang mit Konsum, von dem jedes einen eigenen Aufsatz wert wäre. Ein kurzer Überblick:
- Weniger ist Mehr, praktiziere Entschleunigung, Achtsamkeit und Dankbarkeit
- Investiere mehr in Erlebnisse, weniger in Dinge
- Investieren mehr in Andere, in Beziehungen und Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, weniger in Dich
- community over competition: Achte weniger auf extrinsische (Status, Image, Anerkennung) und mehr auf intrinsische Motive und Lebensziele (woran glaubst du, was spiegelt deine Werte wieder, was bringt dir und deinen Lieben Freude?)
- Begib dich aus der passiven Konsumentenhaltung heraus und nimm dein Leben in die Hand. Finde heraus, was dich glücklich macht, woran du glaubst, was du vom Leben willst. Worin findest du deinen „Flow“? Und wie kannst du das nutzen, um auch andere Menschen ein wenig glücklicher zu machen, die Welt ein Stückchen besser?
Zugegeben, es ist schwieriger, mal in sich gehen zu müssen, um zu schauen, was man eigentlich wirklich will vom Leben, als sich das in wunderschönen Bildern von den Medien und schlauen Marketingfüchsen vormalen zu lassen. Und man fühlt sich verletzlicher, Besitz verspricht immerhin ein schönes Leben UND er kann einem nicht wehtun. Aber das Problem ist: Geht man den Weg des geringsten Widerstandes, baut man sich seinen goldenen Käfig immer weiter aus und kapselt sich vom echten Leben da draußen ab, an dem man wachsen und stark werden kann. Materialismus führt immer weiter in ein psychisch stark vereinnahmendes Vermeidungs- und Kontrollverhalten, bei dem extern orientierte Selbstdarstellung, Selbstschutz und Impression Management eine zunehmend dominante Rolle einnehmen, dadurch verliert man immer mehr den Bezug zu sich selbst und zur größeren sozialen und natürlichen Umwelt. In diesem Sinne kann Besitz doch verletzen, er kann einen ersticken, indem er langsam eine Mauer baut und einen einsperrt. Es lohnt sich für jeden, mal ein bisschen soul searching zu betreiben, und selbstbestimmt zu reflektieren, welche Werte und Lebensziele einem wirklich wichtig sind, und wieviel Zeit, Geld, Herz und Gehirnschmalz man der Jagd nach schönen Dingen und schönem Schein widmen will. Wer das nicht tut, lässt den Konsumismus für sich entscheiden, und der zieht einen automatisch immer tiefer in die Mühle hinein.
Eine Distanzierung von Materialismus und Hyperkonsum macht freier, zufriedener, glücklicher, dankbarer, kreativer, offener für Mitmenschen, die Umwelt und neue Erlebnisse. Sie hilft dabei, das, was wir haben, mehr wertzuschätzen und kreativer damit umzugehen, ohne es auf einen Podest zu stellen. Diese kritische Distanz hilft auch dabei, den Modezirkus eher von einer neugierigen Meta-Ebene aus betrachten zu können, Mode als Ausdruck von Kunst und Kultur wertzuschätzen und darüber zu philosophieren, wie Trends gesellschaftliche Werte reflektieren und wie sie in den größeren Kontext einzuordnen sind, ohne all die schönen Dinge gleich besitzen zu müssen. Wir müssen ja nicht gleich zu super achtsamen, weltlichem Besitz vollkommen entsagenden buddhistischen Mönchen werden (auch, wenn die nachweisbar wirklich mega glücklich zu sein scheinen). Mehr Selbstreflexion und kritische Distanz zum Konsum tut aber trotzdem jedem gut. Konsumieren müssen wir in unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem ja alle, zwangsläufig, täglich. Wir müssen essen, brauchen adäquate Kleidung, wollen uns und unseren Lieben eine schöne Zeit machen. Wenn man sich nicht mehr von Werbung und Medien verführen lässt, sein Geld in tausend schöne, leere Hüllen zu investieren, hat man viel mehr Zeit und Geld zur Verfügung, die man selbstbestimmt und intentional nutzen kann. Mit diesen freigewordenen Ressourcen kann man bei den Dingen, die man konsumieren muss oder wirklich, wirklich will, in Werte investieren, an die man vollen Herzens glauben kann und die einen selbst und die Welt vielleicht wirklich ein kleines Stückchen besser und schöner machen. Bei Essen z.B. in selbstangebautes, lokales, saisonales, bio, fair trade, mit Liebe zubereitetes. Bei Kleidung z.B. in Kunst und Handwerk, in Selbstgemachtes, oder in kleine Labels, die Herzblut in ihre Arbeit stecken, in Second Hand und Vintage, Tauschbörsen und Sharing Economy, Produkte, die fair und nachhaltig produziert und vertrieben werden etc. Das kann ja jeder für sich selbst entscheiden. Es gibt genügend Optionen und genügend Menschen, die etwas bewegen wollen, die langlebige Produkte und Services kreieren, die sinnstiftende Arbeit schaffen und Unternehmen gründen, an die sie glauben und mit denen sie die Welt ein Stückchen besser machen wollen. Diese Menschen und ihre Ziele bewusst und aktiv zu unterstützen oder gar selbst einer von ihnen zu werden geht tiefer, als sich mit fremden Federn zu schmücken. Wenn man mit Konsum Freundschaft schließen will, ist ein guter Schlüssel immer, sich darauf zu besinnen, wie das gekaufte die eigenen Werte und Lebensziele reflektiert und nicht, was es anderen signalisieren soll.
Danke, liebe Pi.
Die nächste Frage lautet: Social Media – wo liegt die Grenze zwischen gesunder Selbstliebe und gefährlichem Narzissmus?
Wer mag, schreibt eine Mail an: nike@thisisjanewayne.com.