Kolumne: Bedroom Stories # 1 //
Jungs, wir haben genauso viel Spaß wie ihr.

09.01.2017 box3, Feminismus, Sex

bedroom stories thisisjanewayneEin Gastbeitrag von Ann, protokolliert von Nike Jane.

Ich kenne Nike jetzt schon ein knappes ganzes Jahr. Meist sehen wir uns bei Wein und Kerzenschein, mit ein paar anderen Freundinnen und nicht selten reden wir in dieser Runde über Privates, das allgemein hin nicht für fremde Ohren bestimmt ist, über Sex zum Beispiel. Warum man sich derart über einen der gängigsten Zeitvertreibe des Planeten echauffieren kann, darüber diskutierten wir erst neulich, was in folgender Erkenntnis gipfelte: Unsere Geschichten, die sich nunmal auch zwischen Laken oder nackend abspielen, sollten gelegentlich sehr wohl erzählt werden. Am besten sogar laut und deutlich. Einfach, weil es da ein paar Dinge gibt, die auch im größeren Kreis diskutiert gehören. Weil das Reden übers Vögeln nichts schmuddeligen ist, sondern höchstens sehr menschlich. Weil die Leute noch immer viel zu verklemmt sind. Finde ich. Und auch die Janes sehen das so, weshalb sie mir ab sofort erlauben, regelmäßig über Tabus und Gefühle und die Normalste Sache der Welt zu schwadronieren. Weil ich aber weiß, dass mein Partner das maximal anders sieht, genau wie andere Sexpartner oder meine Eltern, verrate ich euch zwar meinen echten Namen, aber lasse das dazu passende Foto vorerst weg. Ich hoffe, das ist ok. Auch wenn es meiner oben genannten Erkenntnis zweifelsohne widerspricht. Schuldig. Aber jetzt zu meinem jüngsten Erlebnis.

Ich war noch ganz beschwipst von den Likörpralinen meiner Tante und außerdem heilfroh, dass Weihnachten nun endlich vorbei war, als ich vor meiner Heimreise nach Berlin noch bei einem alten Freund vorbei gurkte, der zum Abschiedstrunk geladen hatte. Ich rechnete mit vielem, aber nicht mit meinem Exfreund, der mein allererster war und ein wenig, sagen wir, beschränkt. Daran hatte sich offenbar auch nach zwölf Jahren nichts geändert, was gut daran zu erkennen war, dass er nach dem üblichen Smalltalk Blabla alsbald auf das Thema „Bumsen“ umsattelte. Ich weiß noch nicht einmal mehr, wie es dazu kam, bloß, dass ich irgendwann auf einer Bierbank saß und mich daran zu erinnern versuchte, ob Felix früher schlecht oder gut im Bett gewesen war. Weder noch. Mittelmaß und der Prototyp eines „Rammlers“. Der Rammler sagte also plötzlich: „Ich bin ja so froh, dass ich ein Mann bin“. Aha, dachte ich und fragte „Wieso?“. Natürlich hätte ich ahnen können, dass nichts Geistreiches folgen würde, aber das Ausmaß der mit entgegen wehenden Idiocracy erschütterte mich trotzdem zutiefst: „Ja weil unser Orgasmus viel geiler ist als eurer!“. Ich verschluckte mich am Neujahrsstollen, der Rammler lachte laut und drückte seine Zunge von innen an die Wange. Blasen, haha. „Natürlich“, antworte ich. „Lass mich raten: Der männliche Höhepunkt MUSS viel geiler sein als der weibliche, sonst hättet ihr ja nicht ständig Bock zu Ficken und wir häufig Migräne.“ Die Ironie kam nicht an. „GENAU!“. Erfreut darüber, dass ich ihn offenbar verstanden hatte, verschränkte Felix selbstgefällig die Arme vor der Brust. „Das glaubst du echt, ne?“, fragte ich. „Ja klar! Ihr habt ja auch keinen Schwanz.“ Haha. Ganz offenbar redete Rammlerboy ausschließlich mit Kumpels über sein Liebesleben, nie aber mit seinen eigenen Freundinnen oder überhaupt mit irgendwelchen Frauen. Er erklärte nämlich außerdem, dass „das bei Männern auch viel einfacher von statten gehen würde“, wir Weibers „bräuchten ja ewig“ bis wir mal einen Orgasmus hätten. Es folgte ein Monolog meinerseits:

Felix,
jetzt pass mal gut auf. Bevor du mit deinen 30 Jahren noch weiter im Dunkeln herum tappst, solltest du zunächst einmal damit aufzuhören, zu denken und anfangen, zu reden. Und zwar mit den Personen, in die du deinen Penis reinschiebst. Frag sie doch mal, was und wie sie es am liebsten haben, hör einfach mal richtig zu. Es fällt uns nämlich auch nicht immer leicht, zu intervenieren, wenn einer ständig so tut, als hätte er die Weisheit der Lust mit Löffeln gefressen. Auch aus Rücksicht auf Gefühle, ihr seid ja schließlich nicht aus Stein. Frauen finden es in Wahrheit jedenfalls genau so geil zu kommen wie du. Es geht beim Pimpern also nicht darum, dass du möglichst schnell abspritzt. Vögeln ist keine Solo-Perfomance, außer du lehnst in deinem Schreibtischstuhl. Sollte deine Partnerin tatsächlich lieber Migräne als Sex mit dir haben, schlage ich dir dringend Selbstreflexion vor. Der weibliche Orgasmus ist in Wahrheit die reinste Wonne und ganz bestimmt nichts, auf das wir freiwillig verzichten. Bloß kommt der nunmal in den meisten Fällen nicht durch ein bisschen Rein-Raus zustande. Und hier hast du recht, wir sind da unten womöglich ein wenig komplexer gebaut. Aber lass dir gesagt sein: Wenn wir es uns selbst machen, dann gehts trotzdem ruckzuck. Think about it. Die Scheide trägt diesmal also keine Schuld. Dann schon eher die Pornoindustrie, die so tut, als sei jeder Orgasmus ein vaginaler und der Kitzler bloß eine lustige rosa Kugel, die sich hin und wieder zur Freude des Mannes abschlecken lässt. Frauen und deren Bedürfnisse sind übrigens sehr unterschiedlich, genau wie eure auch (manche Männer brauchen sogar Blümchensex, echt) – falls du das nicht wusstest. Solltest du also je davon ausgegangen sein, ein toller Hecht im Bett zu sein, mag das für eine spezielle Partnerin durchaus gegolten haben, aber: Neues Spiel, neues Glück. Mit immer neuen Regeln. Die Gleichung, die du dir da in deinem Kopf aufgestellt hast (Männer = dauerspitz, Frauen = nur mittel horny), ist, gelinde gesagt, ein fataler Trugschluss, für beide Seiten. Ich wünsche dir nämlich auch richtig guten Sex, aber der ist doch nur möglich, wenn man nicht nur selbst Lust hat, sondern auch die des Partners spürt. Fang am besten bei 0 an und mit den Fingern. Stopf sie nicht einfach rein, sondern erkunde, was es zu erkunden gibt und dann mach dich locker. Sei mal forsch und mal einfühlsam und vor allem emphatisch. Dann bittet dich deine Freundin irgendwann vielleicht sogar augenklimpernt darum, ihr doch bitte endlich das echte Kopfweh wegzuvögeln. Danke.

Jetzt schob Rammlerfelix sich wortlos den Rest des Christstollens rein und nickte artig mit dem Kopf. „Ja, aber warum sagt mir das denn mal niemand, wenn ich nackt bin?“ – Weil wir Menschen eben grundsätzlich noch viel lernen müssen. In diesem Fall zum Beispiel, dass Reden über Sex vor allem das Äußern von völlig legitimen Wünschen bedeutet. Go for it.

12 Kommentare

  1. Lea

    Danke für diesen Artikel! Wie oft habe ich schon mit Freundinnen diskutiert und berätselt, warum es immer noch so schwierig ist normal über Sex zu reden. Dabei meine ich nicht nur die ganz krassen Stories zu erzählen sondern auch, warum man sich als Frau immer noch manchmal unwohl fühlt wenn man erzählt, dass man unverbindlich Sex hat. Dabei sind es noch nicht einmal immer die Männer, die den moralischen Zeigefinger heben. Ein offener Umgang damit, dass Sex (solange er einvernehmlich ist) in den verschiedensten Beziehungs- oder eben Nichtbeziehungskonstelationen okay, normal, und manchmal einfach auch sehr schön sein kann, ist immer noch nicht selbstverständlich. Vielleicht wäre das ja auch eine Idee für die Rubrik, auch Raum für Leserinnen bieten, die Geschichten haben, die banal sind, oder unglaublich aufregend waren oder einfach unglaublich witzig, aber die zeigen: Communication is Key und es ist am wichtigsten sich uneingenommen, offen und wertfrei zu begegnen.

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  2. Jay Bee

    Wohl wahr! Endlich spricht es einer mal aus — nämlich, dass der weibliche Orgasmus überhaupt nicht ein Ding der Unmöglichkeit ist, wenn man sich nicht permanent auf den vaginalen Orgasmus versteift. Jede, die regelmäßig selbst Hand anlegt, weiß, wie einfach und schnell es gehen kann. Jungs, strengt Euch an! It ain’t that difficult 🙂

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