Books that shaped & saved my life //
Mit Autorin Mirna Funk

20.02.2017 Buch, box2

Mirna Funk wurde 1981 in Ostberlin geboren, studierte Philosophie und Geschichte an der Humboldt Universität und veröffentlichte 2015 schließlich ihren ersten Roman „Winternähe„, der noch im selben Jahr mit dem Uwe-Johnson-Förderpreis für das beste deutschsprachige Debüt ausgezeichnet wurde. Weil all das, was Mirna uns und der Welt zu sagen hat, aber wohl kaum auf 352 Seiten passt, schreibt die freie Journalistin und Autorin weiter und mitunter sehr persönlich für Publikationen wie »Neon«, »ZEITmagazin«, »L’Officiel Germany« oder das »Süddeutsche Magazin« – über Feminismus, Kultur, Antisemitismus und ihr Leben zwischen Berlin und Tel Aviv, das sie mitunter auf Instagram dokumentiert.

Im Interview mit uns sprach Mirna damals über die Angst der Deutschen vor dem Fremden, über die Liebe zu ihrem Mann, den sie als Tochter einer nicht-jüdischen Mutter in Israel nicht heiraten darf und die Zeit im Krieg. Heute wollen wir von ihr wissen: Welche Bücher haben dich selbst eigentlich am meisten geprägt? Und dir womöglich sogar geholfen?

„„Winternähe“ erzählt eine Geschichte zwischen Berlin und Tel Aviv, die Geschichte von Lola. Lola ist aber nicht Mirna, Mirna nicht Lola. Ein paar Gemeinsamkeiten gibt es trotzdem: Den von Fremden aufgemalten Hitlerbart zum Beispiel. Die Suche nach der eigenen Identität als Vaterjüdin, den Versuch, selbstbestimmt zu leben und die Fassungslosigkeit darüber, dass selbst Freunde sich zu antisemitischen Kommentaren in der leichtsinnigen Wonne der Social Media Welt hinreißen lassen. Ein bisschen soll „Winternähe“ auch Aufklärung sein, sprachlich schlau und provokant, eine Art Handbuch, das die Vielfalt der israelischen Gesellschaft aufzeigt und Wissen gegen gefährliche Vorurteile austauscht.“

1. Fragmente einer Sprache der Liebe, Roland Barthes

Ich hatte mich gerade von meiner ersten großen Liebe getrennt. Das war 1999 und ich achtzehn Jahre alt. Was ist das eigentlich, die Liebe, wollte ich wissen. Wie macht man das mit der Liebe? Gibt es Liebe überhaupt und wie lässt sie sich leben, wenn sie existiert? Das waren die Fragen, die ich mir damals stellte, und die ich hoffte in dem Buch beantwortet zu finden. Die Wahrheit ist, dort werden die Fragen beantworten, aber trotzdem hilft es einem nicht.

2015 erschienen bei Suhrkamp.

2. Biografie: Ein Spiel, Max Frisch

Der Protagonist Kürmann glaubt, dass sein Leben anders verlaufen wäre, hätte er niemals Fräulein Stein kennengelernt. Und auch ich, ja wir alle, fragen uns doch oft genug, wie wäre mein Leben verlaufen, hätte ich eine andere Entscheidung getroffen oder wäre ich anders abgebogen. Kürmann hat die Chance dieses Gedankenexperiment in der Realität umzusetzen. Wird er ohne Fräulein Stein glücklicher? Oder kann er gar nicht ohne sie leben? Das erzählt einem dieses Buch und lehrt einem eine wichtige Lektion über das eigene Leben.

Neufassung erschienen 1985 bei Suhrkamp.

3. Der gebrauchte Jude, Maxim Biller

Von Maxim Billers letztem Buch „Biografie“ konnte ich nur 30 Seiten lesen, so unerträglich fand ich es. Wer den richtig guten, schlauen, warmherzigen und melancholischen Biller lesen will, der versucht es lieber mit „Der gebrauchte Jude“. Ein tolles Buch über Biller und Deutschland zugleich.

2009 erschienen bei KiWi.

4. Das Ich und die Welt der Objekte, Nikolai Berdjajew

Ich habe Philosophie studiert und bin auf Berdjajew während meines Studiums gestoßen. Der Titel klingt anstrengend philosophisch, das Buch ist aber leicht zu lesen. Und wer sich für die Frage interessiert, wie wir die Einsamkeit aushalten können, weil wir ja grundsätzlich allein auf dieser Welt sind, und wie wir das mit der Liebe so machen sollen, weil wir den anderen niemals in seiner Ganzheit begreifen können, der holt sich das Buch und liest immer wieder ein bisschen. Einfach Sätze erklären großen Fragen.

Erschienen im Holler Verlag.

5. Zehn Wahrheiten, Miranda July

Ich liebe Miranda. Und „Zehn Wahrheiten“ ist ein toller Geschichtenband, den man wunderbar im Urlaub lesen kann. Am Meer oder am Pool oder in der Wüste. Die Geschichten sind kurz und behandeln immer große, tiefe Themen mit der typischen Julyischen Weirdheit.

206 erschienen bei KiWi.

6. Das große Haus, Nicole Krauss

Ein großes, dickes Buch. Ein verschachteltes Buch. Ein Buch über Geschichte. Ein Buch darüber, wie wir alle und wie alles miteinander zusammenhängt. Das ist ein großes Thema von mir. Wie Geschichte bis ins Jetzt wirkt und darüberhinaus. Auch Krauss hat sich diesem Thema angenommen und ein dramaturgisch geniales Buch darüber geschrieben.

2012 erschienen bei Rowohlt

7. Ist das ein Mensch?, Primo Levi

Das ist nichts für nebenbei. Dieses Buch lässt einen nie wieder los. Es ist die Geschichte von Levi selbst und wie er ein Jahr in Auschwitz war. Ich wollte gerade „lebte“ schreiben, aber das geht gar nicht. Nicht mal „war“ passt an dieser Stelle. Kein Verb kann beschreiben, was es bedeutet in Ausschwitz anwesend gewesen zu sein. „Schindler’s Liste“ kann einpacken. Alle Filme und alle Bücher über den Holocaust können einpacken. Leise und tastend geht Levi der nicht beantwortbaren Frage „Wie konnte das geschehen?“ auf den Grund. Wer sich wirklich dafür interessiert, wie es so war, damals, vor 70 Jahren, im Konzentrationslager, wie die Juden dort um ihr Überleben kämpften oder längst aufgegeben hatten zu überleben, der nimmt sich ein Wochenende frei, legt sich ins Bett und hört von der ersten bis zur letzten Seite nicht mehr auf zu weinen, ob des unerträglichen Schmerzes wegen.

2010 erschienen bei dtv.

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