Auch wenn man sich selbst bei Zeit Online leider auch nicht sicher sein kann, von völlig oberflächlichem Clickbait verschont zu bleiben, blinkt mir doch immer wieder mal ein Juwel aus dem Newsletter entgegen. Und zwar meistens dann, wenn Menschen brutal ehrlich sind, am besten zu sich selbst. Im aktuellen Fall handelt es sich um einen Artikel zum Thema maßlosem Konsum und wie wir ihm Herr werden können. Im Prinzip geht es um nichts anderes als den eigenen inneren Schweinehund, den wir einfach nicht zum Schweigen bringen können. Bewusst zu konsumieren ist nämlich keine Erfahrungs-, Wissens- oder Intelligenzfrage, sondern schlichtweg Bequemlichkeit und Selbstgerechtigkeit. Denn diejenigen, die ernsthaft denken, dass es moralisch völlig in Ordnung ist, viel Fleisch zu konsumieren, im Supermarkt Plastiktüten zu kaufen statt einen Jutebeutel dabei zu haben oder mit einem fetten SUV bei Sonnenschein in die Flachland-Innenstadt zu fahren, die mögen doch mal bitte kurz aufzeigen.
Genau. Der Autor des Artikels „Ich will Verbote“, Sebastian Dalkowski, bringt es auf den Punkt: „Niemand hat das Recht, sich mehr zu nehmen als er braucht“ und stimmt für ein knallhartes Verbot aller Konsumgüter und Konsumfreiheiten, die einzig und allein dem eigenen Wohlbefinden nutzen und gleichzeitig anderen schaden. Und weil ich den Chor der vielen Gegenstimmen schon förmlich hören kann, bin ich jetzt mal ganz ehrlich: Diese Gedanken habe ich schon so lange in meinem Kopf. Verbote sind das einzige, was uns jetzt noch helfen kann und wir sind alle selbst schuld.
Jedes Jahr am 8. August, so Dalkowski, überschreiten wir den Punkt, an dem wir die Ressourcen unserer Erde nachhaltig nutzen. Die folgenden 6 Monate eines jeden Jahres also leben wir auf Pump: Wir leben völlig über unsere Verhältnisse auf Kosten der Umwelt, anderer Menschen und vor allem zukünftiger Generationen. Wenn wir wenigstens unser eigenes Grab schaufeln würden, aber nein, wir schaufeln es für die Kinder unserer Kinder.
Die Theorie des Artikels, dass nur Verbote unseren Konsum einschränken können, beruht auf der schlichten Wahrheit, dass die meisten Menschen einfach zu bequem a.k.a. zu schwach sind, um die moralisch richtigen Entscheidungen zu treffen. Es geht dabei um die ganz großen Entscheidungen, die wir jeden Tag ohne Rücksicht auf Verluste fällen und die dringend komplett verboten gehören. Beispielsweise Fleisch essen und Produkte kaufen und wegschmeißen und dabei CO2 produzieren, als gebe es kein Morgen.
Verbote für alle!
Das wichtigste bei Dalkowskis Artikel: Er schließt sich selbst ausdrücklich mit ein. Er wünscht sich Verbote für sich selbst. Denn leider ist es doch so, dass es verdammt schwer ist, all den Verlockungen, die man eigentlich gar nicht braucht, zu widerstehen, jeden Tag, immer und immer wieder. Wir haben zu viel Auswahl und zu viele der Dinge, die wir wählen können, brauchen wir nicht nur nicht, sie sind auch noch schädlich. Für mich, meine Umwelt, zukünftige Generationen. Ich würde mich selbst als einen ziemlich konsequenten Menschen beschreiben, der sehr häufig die bestmöglichen Entscheidungen für sich selbst und seine Umwelt trifft. Aber ich bin mir völlig bewusst darüber, wie viel Luft nach oben bei mir noch ist. Wie viele Entscheidungen ich anders treffen müsste, wie viele Dinge anders laufen müssten. Ich habe mir hier einen hohen Standard erarbeitet. Aber er reicht (mir) nicht aus. Und eines der größten Probleme wahrscheinlich für uns alle, sind die Verlockungen, die ständigen Verfügbarkeit und die allgegenwärtige Legitimierung von schlechten Konsumentscheidungen – wenn das wirklich so schlimm wäre, wäre es verboten. Only it is and only it isn’t. Dinge die falsch sind, müssen auch offiziell als falsch deklariert werden – und sei es erst mal vor allem ein symbolischer Akt, sei es nur, um die gesetzliche und damit gesellschaftliche Legitimierung aufzuheben.
Fleischverzicht ist kein Freiheitsentzug
Ich habe sie immer noch im Ohr, die gewagten Thesen, die wir rund um das Thema „Veggie Day“ erleben durften – aber keiner, der sich dazu lautstark zu Wort gemeldet hat, kann ernsthaft behaupten, das Verbot von übermäßigem Konsum sei eine unzumutbare Einschränkung der eigenen Freiheit. Dalkowski schreibt völlig treffend: „Fleischverzicht ist kein Freiheitsentzug. Und es stellt auch keine unzumutbare Härte dar, mit dem Bus statt dem Auto in die Stadt zu fahren. Oder mit dem Fahrrad“. Man brauchte nicht lange warten auf den allgemeinen Aufschrei, als das BMUB kürzlich bekannt gab, Gästen bei Empfängen nur noch vegetarische Kost vorzusetzen – dabei ist das der einzig richtige erste Schritt für ein Bundesumweltministerium im Jahr 2017. Woher diese abstruse, reflexartige Abwehrhaltung? Was kann das schon sein außer der Angst davor, sich endlich mal auf den Hosenboden setzen und tatsächlich das Richtige tun zu müssen, auch wenn es nicht mehr die 200%ig bequemste Lösung ist?
„Verbietet doch einfach Plastikverpackungen da, wo sie nicht nötig sind! Verbietet überflüssige Autofahrten, indem jeder Bürger nur noch das Recht auf eine bestimmte Menge Sprit hat! Verbietet die Neuzulassung von Autos, die einen bestimmten Verbrauch überschreiten! Und bei der Gelegenheit: Führt ein generelles Autobahn-Tempolimit von 120 ein! Verbietet auf alte Art erzeugten Strom! Macht Ökostrom zur Pflicht!“
Konsumentscheidungen, die die Rechte und die Unversehrtheit anderer Lebewesen und zukünftiger Generationen einschränken oder beschädigen, müssen ihre rechtliche Legitimation verlieren. Es gibt absolut kein Argument dagegen, sie einzuschränken. Und wer ernsthaft behauptet, Fleisch oder billig produzierte Kleidung zu brauchen, der ist entweder falsch informiert oder ignorant.
Weniger Auswahl bedeutet mehr Freiheit
Vor allem ist für mich aber ein Punkt hier sehr wichtig, denn ich habe diesen Effekt selbst erlebt: Sich den Kampf mit dem eigenen Schweinehund sparen zu können und gar nicht anders als richtig entscheiden zu können, schränkt uns nicht ein. Es macht uns freier. Politisch frei sind wir nach wie vor, das meint auch Dalkowski. Nur unsere Konsumfreiheit, die so groß ist, dass wir sie ganz offensichtlich nicht in Eigenregie gehändelt bekommen, die gehört eingeschränkt. Nicht, um uns Freiheit weg zu nehmen. Sondern, um dabei zu helfen, sich nicht mehr mit den lästigen Fragen der Nachhaltigkeit rumschlagen zu müssen. Mehr Zeit, sich den viel wichtigeren Dingen zuzuwenden.
Konkret spricht der Autor übrigens von einem CO2-Konto, von dem je nach Aktivität Punkte abgebucht werden, zum Beispiel für ein neues Auto, den Inlandsflug oder für das XXL-Steak vergangenen Freitag. Und ist es nicht eine wahnsinnig schöne Vorstellung, dass man dieses Konto nicht durch Geld wieder aufladen kann, sondern nur durch Aktivitäten, die der Umwelt und anderen Lebewesen nutzen? Auch wenn meine Traumwelt eine wäre, in der die Menschen freiwillig gute Entscheidungen treffen, so wäre die Welt Dalkowskis meine zweitliebste.
Vielleicht hat unsere Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ja noch Lust auf ein paar unpopuläre Entscheidungen vor der nächsten Bundestagswahl.
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