This is Jane Wayne - Slow Sunday - Instagram

Slow Sunday // Instagram
-Mitmachen ohne gewinnen zu wollen

12.03.2017 Leben

This is Jane Wayne - Slow Sunday - InstagramImmer wenn ich Instagram öffne, löst das ein ganz bestimmtes Gefühl in mir aus. Ich kenne das Gefühl und kürzlich ist mir klargeworden, woher. Ich fühle mich im Insta-Feed wie damals auf meinen Leichtathletik-Wettkämpfen. Die Stimmung war immer gut, alle nicken sich freundlich zu. Aber trotzdem, ein sehr offenes Geheimnis, sind alle gekommen, um an den anderen vorbei zu ziehen und als Erster aufs Treppchen zu steigen. Die Stimmung auf so einem Wettkampf hat etwas schönes, es ist alle etwas aufregend und man fühlt sich aufgeputscht. Aber der latente Leistungsdruck ist allgegenwärtig und alle sind erleichtert, wenn es endlich vorbei ist. Das klingt nicht grade nach Ruhe, Sorgfalt und Entschleunigung – und tatsächlich schickt mich die das simplifizierte und oberflächliche Storytelling auf Instagram regelmäßig auf eine Achterbahnfahrt der Emotionen. Aber es hat mich einige Zeit gekostet, das für mich tatsächlich zu erkennen und daraus meine Schlüsse zu ziehen.

Der Comedian Louis CK wurde in einem Interview gefragt, warum er seinen Twitter Account (mit viereinhalb Millionen Followern) gelöscht habe. Seine Antwort: „It didn’t make me feel good. It made me feel bad instead. So I stopped doing it.“ Klingt nachvollziehbar und sehr stringent. Aber was ist eigentlich das Problem?

Nun, Instagram ist mein Twitter und auf meinem Twitter ist man Einzelkämpfer., auch wenn es anders aussehen mag. Verlinkungen, Erwähnungen und Kommentare dienen in der Regel – und das sage ich ganz objektiv – dem eigenen Weiterkommen. Ich freue mich für jeden, der die eigentlich „sozialen“ Spielregeln des Netzwerks wirklich noch so nutzt wie vielleicht ursprünglich mal angedacht. Good for you, denn es ist schwer, sie nach 5 Minuten auf der Plattform nicht umzudeuten und aus ihnen potentielle Hacks zu machen – um am Algorithmus zu drehen, die Followerzahlen zu steigern. Es gibt Do’s und Must-Do’s und mit einem Regelwerk kommt der Druck, ihm zu folgen. Wer kommentiert und verlinkt, drückt Zugehörigkeit aus. Zeigt, dass er nicht alleine ist. Und, dass die eigenen Insta-Moments echt sind (die Kronzeugen werden per Backlink einbestellt). Mit mir, meinen Freundschaften, meiner Persönlichkeit oder meinen Eigenschaften hat das Ganze wenig zu tun. Ich weiß das, ich verstehe das, man meint, ich sollte in der Lage sein, genug emotionalen Abstand davon zu halten und doch werde ich darüber von Zeit zu Zeit unglücklich.

Die Wahrheit ist: Ich bin das Gegenteil von einem typischen Instagram-Mädchen. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – ich in meinem Modeljob früher oft vor der Kamera stand, kann ich es heute keine Sekunde ertragen, wenn sich eine Linse auf mich richtet. Weder ungefragt und unvorbereitet noch mit Ankündigung möchte ich fotografiert werden. Ein Foto, so fühlt es sich an, stiehlt mir einen persönlichen Moment und gibt ihn frei für alle, die ihn betrachten und bewerten wollen. Fotos machen mich greifbar, bewertbar und sichtbar. Und zwar auch, wenn ich das gar nicht möchte.

Ich schreibe für einen der erfolgreichsten deutschen Blogs und kann keine 2000 Follower vorzeigen

Hinzu kommt: An schlechten Tagen, wenn ich mich sowieso schon nicht so gut fühle, kommt diese Stimme zu mir durch. Die, die mir sagt, dass ich das ja nicht ernst meinen kann, als Jane Wayne Autorin weniger als 2000 Follower zu haben. Ich müsste mehr posten, kommentieren, liken, Selfies hochladen. Ich tue nichts davon und lasse höchstens alle zwei Wochen mal was von mir hören.

Und ja, ich finde es von Zeit zu Zeit blöd, wenn die Bilder, in denen ich verlinkt bin, in meinem Profil nicht zueinander passen. Ja, ich werde kribbelig, wenn die Kombination mehrerer Filter einfach nicht perfekt zueinander passt. Und ich habe schon einige Bildverlinkungen entfernt, weil ich nicht mochte, wie ich auf dem Bild aussah. Warum also tue ich mir das Ganze überhaupt an und mache nicht einfach den Louis CK?

Ich bin gekommen um nicht teilzunehmen

Ich habe oft darüber nachgedacht meinen Account zu löschen, weil es mir ehrlich gesagt nach einem Besuch in der Instawelt noch kein einziges Mal besser ging als vorher und ich zusätzlich eine Menge meiner Zeit diesem und andere Kanälen widme. Aber ich habe mich dagegen entschieden – weil ich das eben auch nicht will. Denn es gibt sie ja, die (oft theoretischen) guten Aspekte dieser Welt. Sie kann inspirieren, sie kann erfreuen, sie kann entertainen. Und außerdem, da muss ich wieder mal ehrlich zu mir sein, bin ich doch zu neugierig auf die Welt da draußen und hätte gleichzeitig das Gefühl, dass durch eine völlige Abstinenz etwas verpasse. Statt dem radikalen Schritt musste also ein Mittelweg her, wie man Instagram zu dem macht, was man sich wünscht, anstatt sich von verlorenen Doubletaps und verpassten Likes unter Druck setzen zu lassen. Ich gestalte meinen Feed jetzt so, wie er mir Freude bereitet. Dass mir regelmäßig eine gute Handvoll Leute entfollowt, weil ich immer mal wieder Weißräume poste, die zwar in meinem Profil gut aussehen, aber im Newssfeed irritieren – das versuche ich wegzuschieben und mich daran festzuhalten, dass ich Instagram eben nach meinen eigenen Regeln bespielen muss, um nicht unglücklich zu werden.

Und doch: Irgendwas in mir glaubt, dass ich zufriedener wäre, hätte ich mehrere zehntausend Follower. Gleichzeitig weiß irgendwas anderes in mir schon jetzt, dass dem nicht so ist. Das ist ja wohl zum Haare raufen. Das Klügste was ich machen kann, ist nicht mehr Lebenszeit in dieser Meta-Realität zu verplempern, als mir zu verplempern Spaß macht. Mir war es vor allem wichtig, den Kontrollverlust in Bahnen zu lenken, eine bewusste Entscheidung treffen, auch wenn sie ein Kompromiss ist. Denn wenn es sich nicht gut anfühlt, kann man es auch sein lassen. Wenn wir mal ganz ehrlich zu uns sind, wissen wir alle: Ein Leben ohne Instagram wäre auch gerade noch lebenswert.

Es wäre leicht hier von First World Problem zu sprechen und überhaupt war ich noch nie ein Fan davon, lebensnahe Probleme kleinzureden, nur weil es anderen noch viel schlechter geht. Das hier ist nun mal unser aller Lebensrealität, ob wir es uns nun schönreden wollen oder nicht. Für mich, meine Generation und für die Generation nach mir erst recht. Das nicht ernst zu nehmen hilft niemandem weiter und darum hier mein ungeschönter, ehrlicher Zwischenstand, auf der ewigen Suche nach Antworten in einer Welt voller Versuchungen. Happy Sunday!

Credits: Pinterest (Briar Forrester, Nadine Batista, Hermine on Walk), tumblr (stremplerart), desenio.com, grownupshoes.com

5 Kommentare

  1. Nathalie

    Liebe Julia,
    ein toller Artikel, der dieses schwer zu fassende Gefühl gut in Worte packt. Mir geht es ähnlich wie Dir. An manchen Tagen empfinde ich den „Leistungsdruck“ als spannend – Instagram ist eine tolle Plattform und schön kuratierte Accounts spornen mich oft an, meinen eigenen Feed zu verbessern.

    Und dann gibt es diese Tage, an dem mir alles so unwirklich vorkommt. Ein Spiel, das ich vielleicht doch nicht mitspielen will. Und irgendwie fehlt mir der tiefere Sinn.

    Letztendlich denke ich, dass man sich seine Lockerheit bewahren sollte – und so wie Du schreibst, die eigenen Spielregeln festlegen muss – ohne Blick auf die Followerzahl. Dann ist es auch sinnstiftend, weil es aus kreativer Freude entsteht.

    Viel Spaß auf deiner Reise auf Instagram 🙂

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  2. Sarah

    Julia, ich mag deine Texte!
    Bei mir ist es so: da mein Handy derzeit kaputt ist, ich es mir finanziell nicht leisten kann ein neues zu kaufen, besitze ich nun also ein altes Mobilgerät – ohne Internet.
    Und man entwöhnt sich von all diesen Apps und merkt schnell: es geht auch ohne. Zudem feier ich mich selbst in der Bahn, wenn die ganze Welt sich durch Bilder scrollt, ich aber schlichtweg aus dem Fenster gucke.

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  3. Anne

    Julia, danke danke danke für diesen Artikel. Ich habe vor kurzem plötzlich gemerkt, dass ich immer in schwierigen Situationen fast schon unbewusst zu Instagram oder Facebook gehe – und mich dann darin verliere und schlussendlich manchmal gar nicht mehr in meine vorherigen Gedanken zurückfinde. Wie viel schöne Lebenszeit geht beim scrollen durch den Feed drauf? Ich finde das, mal drüber nachgedacht, wirklich sehr beängstigend. Ebenso wie die Gefühle, die du beschreibst, die ich zu hundertprozent nachvollziehen kann.

    Auch musste ich mir kürzlich eingestehen, dass ich manchmal Momente danach bewerte wie viel Aufmerksamkeit sie in der digitalen Welt bekommen. Als ich das festgestellt habe, musste ich wirklich schlucken. Seitdem logge ich mich nach jeder Nutzung bei Facebook und Instagram aus, damit ich beim kommenden Mal wirklich eine bewusste Entscheidung treffen muss mich in diese Welt zu bewegen. Das hat mir definitiv schon so manche Minuten geschenkt – und mit steigender Nutzung steigt definitiv auch die zugemessene Bedeutung. Anders herum funktioniert es aber auch.
    Aber merci für deine Worte – es tat ehrlich gesagt ganz gut zu hören, dass ich nicht die einzige bin, die mit so einer Banalität wie Instagram eindeutig zu viel Gefühle verbindet.

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