Track des Tages // „#MyClitoris“
– gegen weibliche Genitalverstümmelung

23.03.2017 box1, Feminismus, Musik
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Die britische Wohltätigkeitsorganisation Integrate UK hat vor einiger Zeit ein Video veröffentlicht, das weiblicher Genitalverstümmelung den Kampf ansagt. Und zwar weniger durch harsche Provokation als vielmehr durch einen klugen, offenen und zugänglichen Umgang mit der Thematik. Moment mal. Genitalverstümmelung, würde man vielleicht meinen, ist ein Problem, mit dem Europa und auch Deutschland nicht viel am Hut haben. Die Realität zeigt jedoch recht deutlich das Gegenteil auf: Knapp 50.000 Frauen und Mädchen sind auch in der Bundesrepublik von FGM (female genital mutilation) betroffen – anlässlich des Internationalen Tages gegen weibliche Genitalverstümmelung am 6. Februar hatte das Bundesfrauenministerium erstmals eine empirische Studie mit aktuellen Zahlen vorgestellt. Demzufolge habe mitunter die Zuwanderung von Frauen und Mädchen aus Ländern wie Eritrea, Irak, Somalia, Ägypten und Äthiopien, in denen Genitalverstümmelungen noch immer gängig ist, dazu beigetragen, dass die Zahl betroffener Frauen und Mädchen in Deutschland von Ende 2014 bis Mitte 2016 um 40% stieg. Kann denn die Regierung nicht helfen? 

Nach deutschem Recht ist weibliche Genitalverstümmelung zwar strafbar, auch im Ausland, aber das reicht nicht aus. Es gibt noch viel zu tun, vor allem in Sachen Aufklärungsarbeit. Bevor wir nicht verstehen, weshalb es noch immer so häufig zu den manchmal sogar tödlichen Eingriffen kommt, bevor wir das Problem also nicht im Kern begreifen, angehen und bekämpfen, wird nur Strafe als Prävention nie die ultimative Lösung sein. Denn die meisten FGMs finden trotz scharfer Verbote statt – vermehrt in den Ferien. Sogenannten „Ferienbeschneidung“ werden in der Regel in den Heimatländern der Mädchen durchgeführt. Oft aus Überzeugung und mit Einverständnis der Mütter, die bereits ähnliche Schicksal erleiden mussten. Dann müssten sie es doch besser wissen, denken wir jetzt. Und übersehen dabei nicht nur gravierende kulturelle Unterschiede, sondern auch mangelnde Bildungschancen. Wir dürfen unter keinen Umständen den Fehler begehen, diese Frauen zu verurteilen oder ihnen mit blindem Unverständnis entgegenzutreten. „Sie glauben daran, dass der Eingriff notwendig ist. Zum einen besteht das Gerücht, dass die Klitoris zu einem Penis heranwächst, wenn sie nicht abgetrennt wird. Zum anderen dient vielen Männern die zugenähte Vagina, die bei vielen FGMs zur Praxis hinzugehört, als ultimativer Beweis der Jungfräulichkeit, weshalb sie keine unbeschnittene Frau heiraten“, erklärt Edition F. Der Umstand allein, dass die weibliche Genitalverstümmelung als schwere Menschenrechtsverletzung gilt und mit zahlreichen körperliche Qualen und seelischem Leid einher geht, reicht als Argument gegen die quälenden Eingriffe bisweilen also nicht aus. Zu schwer wiegen religiös und kulturell bedingte Überzeugungen.

Das Empfinden von Schmerz etwa wird immer wieder als unausweichlicher Teil des Frauseins betrachtet. Diese Gewissheit führe mitunter so weit, dass Frauen, die später Schmerzen beim Wasserlassen oder Geschwülste hätten, oft nicht wüssten, dass der Grund dafür die Genitalverstümmlung sei, betonte unter anderem Tiranke Diallo von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes bei einer Pressekonferenz Anfang des Jahres. Der Weg in eine Gesellschaft ohne FGM ist nicht nur deshalb ein steiniger. Wer selbst Opfer ist, traut sich aus Scham oft nicht, Hilfe einzufordern. Zahlreiche internationale und nationale Organisationen setzen sich infolge dessen nicht nur für Prävention und Aufklärung ein, sondern auch für die Enttabuisierung von weiblicher Genitalverstümmelung, für einen besseren Zugang zu Betroffenen und einen offeneren Umgang mit der Gesamtheit der Thematik innerhalb unserer Gesellschaft. Denn wer Bescheid weiß, ist vielleicht auch aufmerksamer. In der Kita oder der Nachbarschaft. Ausreisen etwa können im Falle eines Tatverdachts mittlerweile verweigert werden. Das ist nur ein kleiner, wenn auch richtiger Schritt. Aber einer, der ein wenig Hoffnung macht. Darauf, dass ab sofort noch mehr getan wird. Für das uneingeschränkte Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit.

3 Kommentare

  1. Desiree

    Auch hier bei uns, tagtäglich. In einer der hilflosesten Situation, in der sich eine Frau befinden kann, bei der Geburt ihres Kindes. Dammschnitte geschehen zum größten Teil ohne medizinische Notwendigkeit, bewusst wird an der intimsten Stelle des Körper eine Schere angesetzt, was bleibt sind Narben am Körper und an der Seele. Eines der größten Tabuthemen in unserer Gesellschaft- diese Art der Genitalverstümmelung.

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  2. Michi

    Danke für den Artikel! Ich bin wirklich geschockt über diese Zahl und möchte über die Dunkelziffer am liebsten gar nicht nachdenken. Es wird wirklich Zeit, dass auch solche Themen kein Tabu mehr darstellen und das sich für die Frauen was ändert!

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  3. e.

    Ich wünsche mir so sehr eine öffentliche Diskussion über Umstände wie diese, die passieren, weil Menschen ihre rückschrittlichen Kulturen und Bräuche in den Westen importieren und kaum jemand wagt etwas zu sagen, aus Angst als Rassist dargestellt zu werden! Siehe auch meinen Kommentar unter dem Artikel zu Julia Korbiks widerlicher Belästigung.

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