Kolumne // Das ist keine Krise,
das ist bloß der Winter

22.02.2018 box1, Kolumne, Leben

Ich möchte heute alle beruhigen, die derzeit der Ansicht sind, das Leben sei eine Pissnelke. Das Leben ist eine Pissnelke. Aber ihr seid nicht daran Schuld. Sondern der Winter. Und vielleicht auch ausnahmsweise mal die Anderen. Möglich wäre es ja. Außerdem wahrscheinlich ist zu dieser Jahreszeit das Zutreffen der Schatten-Theorie, die besagt, dass die meisten Anfälle von unerklärbarem Wahnsinn weniger auf faktische Scheiße am Schuh zurückzuführen sind, als vielmehr auf eingebildete Persönlichkeitskrisen und wetterbedingte Frustrationslöcher. Herunter gebrochen bedeutet das: Wo kein Licht ist, da kann auch niemandem die Sonne aus dem Arsch scheinen. 

Wir sollten dieser Tage also nicht nur weniger streng zu uns selbst, sondern auch zu anderen sein. Den Anfang habe ich heute morgen schon gemacht, denn: Ihr seid nicht allein. Mein Pipi-Pflänzchen wuchs sehr plötzlich und mit viel Eifer und nun steht das Monster da, mit seinem breiten Maul, gekommen, um all meinen Optimismus herunter zu würgen und mich mit seinem gigantischen Schatten zu plagen. Nimm dir doch die metaphorische Heckenschere, denkt ihr jetzt. Nur habe ich momentan absolut überhaupt keinen Zugriff auf ein solches Werkzeug. Zu schwer. Mir fehlt die Energie! Weshalb ich schon ganz zornig werde; wer will, dass sich was ändert, muss schließlich den Arsch hochkriegen – wird gern behauptet. Ich sage: Papperlapapp.

Dieses ganze Gerede über „Du bist deines eigenen Glückes Schmied“ setzt uns im Angesicht solcher Tiefpunktphasen im schlimmstem, aber realistischsten Fall ja noch viel mehr unter Druck. Als würde man sich wegen solcher Floskeln plötzlich hochmotiviert aus seiner Wasserschluck-Haltung aufbäumen um den Tageslichtprojektor samt fertiger 5-Punkte-Plan-Präsentation anzuschmeißen und bald darauf zielstrebig gen High Life zu starten. Genau. Sowas macht doch wirklich niemand, der gerade dabei ist, eine Pissnelke zu gießen.

Entgegen aller Selbstfindungsmotivations-Gurus plädiere ich in den Monaten Januar und Februar deshalb für ein temporäres Reinfallenlassen in die Gesamtscheiße. Weil wir sonst noch viel mehr dieser kostbaren Energie verschwenden, die wir schon bald sehr gut gebrauchen könnten, zum Beispiel für das Tragen von Hängematten oder Picknick-Körben, die vollgestopft sind mit Früchten und süßen Verführungen, mit Hoffnung und Spaß! Dann, wenn die Sonne wieder loco ist. Wenn das Licht mit Zweifeln und Sinnkrisen macht, was es auch mit allen anderen Arschgeigen der Unterwelt tut: Sie vernichten. Auf dass sie ausnahmslos zu Staub zerfallen mögen. So wie jedes Jahr, wenn der Frühling kommt. Ihr erinnert euch? Ist doch auch schön. Einfach mal abwarten zu dürfen und dabei zusehen, wie sich die meisten Probleme plötzlich ganz von selbst lösen. 

In diesem Sinne:

[typedjs]Something makes you feel like // The grass is greener on the other side // But where is the other side? // Oh something makes you feel like // Life was better once upon a time // But when is upon a time?[/typedjs]
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18 Kommentare

  1. Lena

    Danke für den Text und das schöne Lied liebe Nike! Genau das, was man an grauen Februartagen braucht.

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  2. Rike

    Seit wann ist das Winter-Bashing eigentlich so in Mode gekommen, dass sich gefühlt Jeder beschwert und dem armen Kerl jedes Zipperlein in die Schuhe schiebt?

    Leider meist nicht auf solch unterhaltsame Weise wie Du, liebe Nike. Also unbedingt „Reinfallenlassen“! Das ist vermutlich auch gar nicht so weit weg von den Ratschlägen mancher „motivations-Guru“. Denn findest Du nicht, dass Akzeptanz (anstelle von anstrengender, ständiger Gegenwehr) ein erster Schritt in Richtung Besserung ist? 😉

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  3. Sassi

    Und wenn dann wieder Frühling ist und die Sonne scheint, und man sich immer noch so unfassbar nutz- und wertlos fühlt, dann ist es eben leider doch ne Krise und nicht nur der Winter 🙁

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  4. Sabine

    Och je. Also Moment, es ist – wie immer! – ein ganz wundervoller Text von dir, liebe Nike. Trotzdem: wie herrlich erfrischend wäre es, mal nicht so doll über den Winter zu jammern?
    Abgesehen davon, ich weiß nicht wo du dich grade rumtreibst, aber in Berlin ist doch seit Tagen schönster himmelblauer Himmel mit Wintersonne angesagt (Zugegeben genau jetzt ist es etwas wolkig, vor 2 Stunden noch hab ich mit bei meinem Mittagsspaziergang mit halbzugekniffen Augen von der Sonne blenden lassen).

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  5. Lisa

    Ich finds super, dass ich in einer Region mit vier Jahreszeiten lebe. Daher mag ich auch den Winter!

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  6. Amelie

    Ich muss auch ein Wort für den Winter einlegen. Ich mag nämlich genau das: Mich einfach reinfallen lassen, mich abends mit einer Tüte Chips und einem guten Film auf die Couch legen und auch gaaaanz lange Winterspraziergänge. Das ist im Gegensatz zum Sommer so herrlich unaufgeregt <3

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  7. Lisa

    Danke, danke, danke für diesen herrlich-zauberhaft passenden Text! So starte ich gleich viel optimistischer in den Tag <3

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  8. Schirinsche

    Hallo? Der Winter ist doch was Feines!

    Nur seinetwegen darf man sich pissnelkig benehmen, grummelig sein, zu Hause bleiben ohne schlechtes Gewissen, rumgammeln, weils draußen nix gibt und so weiter und so fort. Also: Den Winter nicht mies machen, sondern ihn genau dafür nehmen, wofür er gut ist: Pause machen, in sich gehen, Kraft sammeln, Winterschlaf… genau wie die Natur!

    Ich bin froh, dass es dieses Jahr hier in der Mitte Deutschlands seit Wochen mal richtig frostig und winterlich ist. Besser als dieses regnerische nasskalte 10-Grad-Gehabe.

    Also: bitte kein Winterbashing! Ohne ihn wäre der Sommer doch gar nicht so toll!
    Denn wer immer Käsekuchen isst, weiß gar nicht mehr, wie gut Käsekuchen schmeckt … 😉

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  9. ann

    Also hier in Hamburg (Schietwetter ade) zeigt sich der Winter seit einigen Wochen schon von seiner wunderschönsten Seite. Kein Grund für Gram <3

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