Das Veganexperiment //
Verzichtest du noch oder genießt du schon?

28.03.2018 Gesellschaft

Seit zwei ganzen Monaten verzichte ich auf tierische Produkte. Das erschien mir auf Anhieb total schlüssig und sinnvoll. Zum Jahresanfang etwas gesünder zu Leben nimmt sich doch schließlich mindestens jede*r Zweite vor, oder nicht? Im gleichen Zug wollte ich außerdem häufiger den Kochlöffel schwingen, sodass der ganze Körper regelmäßig mit gesunden und vitaminreichen Speisen versorgt wird. Gut für Haut, Haar, sagen sie. Und obendrein, ohne den ganzen Bio-Käse, auch für den Geldbeutel ein Glücksfall. 

Was habe ich mir einst an die Stirn gefasst und die Leute bemitleidet, die sich den Parmesan auf der Pasta sparen, sich gar vor dem Omelett gruseln. Ich hatte ja keine Ahnung. Und auf einmal stehe ich in meiner Wohnung, im Hintergrund läuft der Hochleistungsmixer, um einen klischeebehafteten, grünen Smoothie zu schleudern und in der Pfanne brutzelt das vegane Hack. Das Handy verweist auf den 28. März und ich klopfe mir selbst etwas stolz auf die eigene Schulter: Schon zweieinhalb Monate vegan. Verzichtest du noch oder lebst du wieder? Ha, das fragt ihr euch sicher. Meine Antwort:

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Ich selbst habe erst kürzlich in einer Kolumne über Scham und Zweifel im Einkaufswagen sinniert. Und während mir die Chicken Nuggets Kopfzerbrechen bereiteten, gruselt es mich jetzt on Top noch bei dem Gedanken an eingeflogene Mandeln, die für meinen Milchersatz herhalten müssen. Von meiner neuen und furchtbaren Avocado-Sucht ganz zu schweigen. Damit wir, umweltbewusst oder auch nicht, auf Rindersteak und für das ganzheitliche Tierwohl, auch auf Eier verzichten, werden mir nix dir nix, eben so X Tonnen Avocado nach Europa exportiert. Da kann doch wirklich was nicht stimmen, immerhin ist es kaum vier Jahre her, dass ich die grüne Sündenfrucht das erste Mal skeptisch auf mein Brot schmierte und für gut befand. Nun, auch damit setze ich mich gerade auseinander. Mit den kritischen Stimmen die laut rufen, dass Avo-und Quinoa-Export so unglaublich schlecht seien für das Klima, dass die Gesellschaft am falschen Rädchen dreht und wir Lösungen für Probleme finden, um direkt das nächste Problem zu identifizieren – und es wieder zu Lösung. 

Ein merkwürdiger Teufelskreis oder nicht? Auch das Viertel/Vor-Magazin sinniert derweil darüber. Ich bin also schon mal nicht allein.

Jetzt aber mal ehrlich: Man muss doch irgendwo anfangen können? Reicht der bewusste Konsum, um Planet Erde am Ende retten zu können oder ist es bloß Schönfärberei und Scheinheiligkeit? Die bequeme Antwort sozusagen, die das eigene Gewissen besänftigt? Aber selbst mit dem bewussten Konsum hat es in meinem Haushalt bisher noch nicht so richtig geklappt – zumindest nicht konsequent. Und so landen am Monatsende, immer dann, wenn das Budget noch knapper wird, eben doch wieder die bedenkenswerteren Discounter Produkt-im Körbchen. Verdammt. Und dabei wollte ich von genau denen doch erst recht die Finger lassen.

 

 

 

Zurück zum Anfang. Denn irgendwann tat ich es und bewegte mich ohne Hintergedanken aus der Comfort-Zone: Ich schaute genauer hin und klickte Cowspiracy, Earthlings, und Forks over Knifes an – und bekam die volle Ladung Realität: Wegschauen war keine Option mehr und so sah ich nicht nur misshandelte Ferkel, sondern auch vergaste Küken. Es machte Klick und die gute, alte Verdrängung war keine Option mehr. Dafür waren die Bilder einfach zu stark für mic, die Aktionen einfach zu grausam. Es sollte die Peking-Ente auf der Berliner Kantstraße sein, dir mir schmerzlich wieder ins Gewissen rief, dass auch das leckerste Enten-Gericht vom Lieferservice keine Option mehr war, dass es sich hier um ein Lebewesen handelte, das unter unwürdigsten Bedingungen sterben musste. Der Verzehr von Fleisch sei selbstverständlich allen Menschen auf der Welt freigestellt, für mich ist genau der nach intensivster Auseinandersetzung schlicht und ergreifend einfach nicht mehr möglich. Und innerlich hoffe ich, dass das Bewusstsein nicht schwindet und die Bequemlichkeit meinen Alltag wieder übernimmt. 

Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung –
Vegane Ernährung

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) hat auf Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Literatur eine Position zur veganen Ernährung erarbeitet. Bei einer rein pflanzlichen Ernährung ist eine ausreichende Versorgung mit einigen Nährstoffen nicht oder nur schwer möglich. Der kritischste Nährstoff ist Vitamin B12. Zu den potenziell kritischen Nährstoffen bei veganer Ernährung gehören außerdem Protein bzw. unentbehrliche Aminosäuren und langkettige n-3 Fettsäuren sowie weitere Vitamine (Riboflavin, Vitamin D) und Mineralstoffe (Calcium, Eisen, Jod, Zink, Selen). Für Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder und Jugendliche wird eine vegane Ernährung von der DGE nicht empfohlen. Wer sich dennoch vegan ernähren möchte, sollte dauerhaft ein Vitamin-B12-Präparat einnehmen, auf eine ausreichende Zufuhr vor allem der kritischen Nährstoffe achten und gegebenenfalls angereicherte Lebensmittel und Nährstoffpräparate verwenden. Dazu sollte eine Beratung von einer qualifizierten Ernährungsfachkraft erfolgen und die Versorgung mit kritischen Nährstoffen regelmäßig ärztlich überprüft werden.

FAQ.

 

Manko und Vorteil zugleich? Vom DM über den Biomarkt bis hin zum Aldi um die Ecke: alle haben sie herrliches veganes Junkfood im Sortiment, das mit der simplen Rechtfertigung der Tierfreiheit ohne Bedenken in den Einkaufswagen wandert. Ich will so viel und lande doch regelmäßig bei Tortellini mit Pesto und Chips auf der Couch. „Hach, schon wieder ein tierfreies Mal“, denke ich mir dann zufrieden und vergesse all’ den ungesunden Firlefanz, aus dem sich mein Guten-Abend-Snack zusammengesetzt hat. Auch wenn der Mixer mir ab und zu noch Grünzeug im Uhrzeigersinn um die Ohren schleudert, ganzheitlich gesünder ist meine Ernährungsweise bis dato noch nicht geworden. Umso besser ist aber das Gefühl, auf nichts verzichten zu müssen. Denn sogar milchfreien Käse gibt es im Supermarkt zu Biopreisen und gar nicht mal so schlechten geschmacklichen Konditionen.

Vorerst geht meine vegane Reise noch ein bisschen weiter. Was bleibt, ist die Frage, wie die Zukunft aussehen soll. Tierfrei und Tabletten schluckend für das körperliche Wohl und den beruhigten Geist? Oder doch hin zu einem ausgewogenen und sehr bedachten Allesfresser-Konsum? Das Interesse ist geweckt und die Motivation in der Küche für Stunden zu brutzeln auch. Und im gleichen Zug werden direkt die Liebsten vegan bekocht: Mit Tofu-Fleisch und Pancakes ohne Ei. Dass eine dauerhafte Umstellung ärztlicher Aufsicht und gehöriger Auseinandersetzung bedarf, ist klar. Ob es dazu erst kommen muss, um mit seinem Einkaufsverhalten und der eigenen Ernährung im Reinen zu sein, wird sich noch herausstellen. Bis dahin lese ich fleißig vegane Blogs und Kochbücher, verlasse mich weitestgehend auf die Signale meines Körpers und dem währenden Bedürfnis, mit dem Essen auf meinem Teller eine gesunde Beziehung zu pflegen. 

 

 

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2 Kommentare

  1. Anna

    Liebe Fabienne,

    danke für den differenzierten Ansatz und den spannenden Artikel! Leider machen sich noch immer viel zu wenige Leute Gedanken darüber, was sie essen und woher die Nahrung kommt 🙁 Wo das alles noch hinführt…

    An dieser Stelle von mir ein kleiner Gedankenanstoss (mich beschäftigt nachhaltiger Konsum sehr): Ist /sind Fleisch, Milch, Honig, Eier und Co. nicht ok, wenn es sich um richtig gute und regionale Produkte glücklicher Tiere handelt? Ich persönlich konsumiere zum Beispiel ausschließlich die Eier von einem Hofladen bei mir im Stadtteil. Ich sehe, wie die Hühner glücklich über den Hof watscheln und ein tolles Leben führen. Die Milch ist Almmilch, der Honig von Imkern aus der Region. Und wenn ich (sehr selten, weil mir das meiste nicht schmeckt) Fleisch esse, dann in Bio-Qualität. Zu Weihnachten gibt es einen Truthahn vom regionalen Bio-Bauern für die ganze Familie. Ich habe festgestellt, dass man mich ein wenig Recherche überall an gute regionale Produkte kommt, die auch nicht unbedingt teurer sind.

    Ich denke es ist überhaupt nicht verwerflich, wenn die Menschen tierische Produkte essen die regionalen Ursprungs sind, die Tiere artgerecht (und glücklich) gehalten werden UND wenn man einfach deutlich weniger und seltener Fleisch und Co. isst.

    Das gleiche mit Gemüse etc: Früher habe ich auf meinem Mini-Balkon Tomaten, Kräuter und Co. gepflanzt. Ein kleiner Schritt auf kleinem Raum, aber ich hatte den ganzen Sommer über beste Tomaten. Heute habe ich das Glück einen (wenn auch kleinen) Garten zu haben, in dem ich sogar noch mehr anbaue und sogar ein paar Obstbäume habe. Alles, was ich nicht anpflanzen kann bzw. im Winter schaue ich halt, dass ich regionales/saisonales Gemüse und Obst kaufe. Mir will der Unsinn nicht in den Kopf, im Winter Erdbeeren aus was-weiß-ich-woher zu kaufen oder Äpfel aus Neuseeland. Und mich nervt es so sehr, dass alles in Plasitk verpackt sein muss. Ich weiß mir bei dem ganzen Müll auch keinen Rat. Auf dem Wochenmarkt werde ich immer wieder blöd angeguckt wenn ich den Beschickern sage „Nein danke, ich brauche keine Plastiktüte. Ich habe meinen Korb und Pötte dabei.“

    Auch dieser totale Avocado-Konsum ist bedenklich. Ich will mich nicht auf`s Podest heben: Avocados sind einfach leeeecker! Aber ich habe mir als Richtwert genommen, nicht mehr als 2 Avocados im Monat zu kaufen und sie dann sehr bewusst zu genießen.

    Sicherlich ist das alles eh nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ob sich der ganze Aufwand lohnt? Man rennt doch eigentlich gegen Windmühlen. Es wird sich in allen ökologischen Bereichen eh nichts wirklich ändern. 🙁

    Antworten

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