#MeTwo // Eine endlose Rassismusdebatte, in der sich keiner angesprochen fühlt.

01.08.2018 Gesellschaft, box1

Da sind wir wieder, als hätten wir von den vergangenen letzten Monaten, ja Jahren, oder viel besser – aus der deutschen Geschichte – nichts mitgenommen. Muss es eigentlich immer erst richtig rundgehen, damit Bemerkungen und Geschichten über Rassismus die Runde machen und auf den Titelseiten bekannter Publikationen stattfinden? Die Antwort ist: Ja! Und die Gemüter sind aufgeheizt. Immer dann, wenn sich die Deutschen mit dem Vorwurf des Rassismus konfrontiert sehen, sind alle ganz gekränkt und fühlen sich auf den Schlips getreten. Genau da, wo es nicht um sie geht, um die weißen Westler, die privilegiert ihren Lebensweg beschreiten, werden sie alle auf einmal ganz laut, die Stimmen über zu unrechtes Urteilen, über die Anstrengungen von politischer Korrektheit und Zurückweisungen von Vorwürfen, die zu Zeiten von H&M Jungelkönigen und zurückgetretenen Fußballspielern zu einer noch nie dagewesene Präsenz der Rassismusthematik im intermediären Raum führen.

Doch wofür kämpfen wir hier eigentlich, wenn die gefühlte Mehrheit nicht einmal versteht wofür es sich zu kämpfen lohnt?

 

Mesut Özil ist vor über einer Woche aus der deutschen Fußballnationalmannschaft ausgetreten und nennt als Grund Rassismus und Diskriminierung gegen seine Person. „Wenn ich gewinne, bin ich deutscher, verliere ich aber bin ich ein Migrant“. Unter anderem diese Aussage ist seitdem Anlass für eine deutschlandweite Debatte über Rassismusvorkommen. Unter #metwo, ein Hashtag ins Leben gerufen von Ali Can, wobei das two für zwei Identitäten zu verordnen ist, posten seither betroffene von ihren Erfahrungen mit Rassismus und der Backlash ließ nicht auf sich warten.

 

Die Idealvorstellung einer Gesellschaft? Eine solche, in der wir uns als Teile einer Weltgesellschaft verstehen, ohne Ländergrenzen zu forcieren und mit dem Verständnis für Ethnien über solche hinwegzusehen. Eine, in der Nationalität für den Einzelnen aber nicht für das Gegenüber eine Rolle spielt und in der ein Jeder Verantwortung übernimmt. Wie kommen wir dorthin? Mit Nationalstolz jedenfalls nicht und auch nicht dann, wenn dieser protektiv oder durch Angst ums eigene Wohlergehen induziert ist.

Die Angst vor dem Anderen, der Überpräsenz derer mit dem offensichtlich differenten Aussehen und den fremden Sprachen, macht die, die sich nicht sicher fühlen, zu solchen, die sich wehren wollen. Zum Beispiel vor dem schwarzen Mann, denen mit dem Kopftuch und denen mir der fremden Sprachen in der KiTa. Aber es sind auch die mit der Angst und der Wut im Bauch, die nicht zuhören und verstehen wollen, wenn ihnen dann jemand sagt, wie es sich anfühlt, wie die andere, die interkulturelle Lebensrealität eigentlich ist und wie es manchmal schmerzt, so auszusehen wie man nunmal aussieht.

Reaktanz als Konsequenz nie zu Ende geführter Debatten über Rassismus und Xenophobie: Während die einen es nicht mehr hören können, haben die anderen nicht einmal angefangen, ihre Lauscher zu spitzen. Wir haben dann ein Problem, wenn sich jene zurückhalten, die wir hören müssen, um die andere Seite zu verstehen. Und wenn das bedeutet, dieselbe Geschichte über systematisch schlechte Schulnoten von muslimischen Kindern, die vom ungefragten in die Haare fassen, von der ewigen Frage nach der tatsächlichen Herkunft, das 500. Mal zu hören, wie schlimm es sich anfühlt, in einer endlosen Legitimationsschleife festzustecken. So schlimm, dass man beginnt an der eigenen Meinung zu zweifeln und irgendwann nichts mehr sagt, um den anderen nicht auf die Nerven zu gehen – oder aus Angst, jemand könnte und wollte einfach nicht verstehen, wie man sich fühlt.

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Wenn da jemand ist, für den das Kostüm als stylischer Scheich verletzten ist, dann ist es verletzend. Wenn jemand gekränkt ist, weil sein Aussehen immer wiederkehrenden Debatten über sein Deutschsein zu legitimieren scheint, dann ist er gekränkt. Wenn jemand bei einer Personenkontrolle als einziger von seinen sonst weißen Freunden nach deinem Ausweis gefragt wird, dann ist es Racial Profiling und somit rassistisch. Basta.

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Hass und Hetze auf Twitter und Co. sind ein alter Hut, das versteht man spätestens, wenn man sich einmalig in eine Spiegel Online Kommentarspalte bei Facebook verirrt hat und nicht aufhören kann, dort zu lesen. Nur, wie kommen wir raus aus der Abwärtspirale und wie entgegne ich denen, die meine Geschichten nicht hören wollen, sie verspotten oder hinterfragen?

Wir, und damit gemeint sind solche, die es besser wissen, solche die Rassismus erfahren haben oder solche, die den Opfern zuhören, wir sind gefordert, Präsenz zu zeigen, einzusteigen in die Facebookthreats und Twitterkommentare. Vielleicht gilt es, die Anstrengungen auf sich zu nehmen und bloß nicht zuzulassen, dass jemand konservative Gleichgültigkeit und rechtes Gerotze als Mehrheitsbild akzeptiert. Und wenn es sich anfühlt, als würde man gegen Wände reden, ist der Nachmittag im Kommentar-Dschungel kein verschwendeter, sondern einer für die Gesellschaft in der wir leben wollen. Eine, die das Wort Multikulti schon lange nicht mehr braucht, weil wir alle anders und dabei alle eins sind. Eine, in der die ganz unbedarften Leser*innen erfahren müssen, dass nicht nur braunes und verständnisloses Geistesgut im Internet unterwegs ist.

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Leseliste zum Thema Internet Hetze und #MeTwo:

„Die Angst vor dem Anderen“ – Zygmunt Baumann

Why I’m No Longer Talking To White People About Race – Reni Eddo-Lodge

Taz / „Einfach mal zuhören“- Carolina Schwarz

Film von Rayk Anders – „Lösch dich“

FAZ / „Der geheime Hass im Netz“ – Alexander Daydov

Tagesspiegel / „Der Fall Özil und die Doppelmoral“– Caroline Fischer

ZEIT / „Hetze im System“ – EIke Kühl

10 Kommentare

  1. Pauls

    Die Rassismus-Debatte ist unglaublich wichtig und jeder, der sie nicht führen will, mehr als bescheuert. Demnach ist dein Artikel sehr wichtig und richtig. Nur eine Sache ist mir ein Dorn im Auge: die Özil-Thematik. Dass ein Mensch mit Migrationshintergrund sich gezwungen fühlt aus der deutschen Nationalmannschaft auszutreten – es ist unglaublich wichtig darüber zu sprechen und die mediale Präsenz hat alle Daseinsberechtigung der Welt. Aber wir dürfen den Zusammenhang mit Erdogan hier, meiner Meinung nach, nicht vollkommen außer Acht lassen. Der türkische President ist ein Despot, mit dem sich der besagte Fußballspieler getroffen und fröhlich grinsend hat ablichten lassen. Das ist natürlich ein Signal und die Kritik, die eben dieses nach sich zog ist – meiner Meinung nach – absolut berechtigt. Kurz darauf aus der Nationalmannschaft auszutreten und Kritik an der eigenen Person mit Rassismusvorwürfen (die, wie gesagt, absolut wichtig sind zu besprechen) in einen Topf zu werfen und alles kräftig durchzumischen, ist allerdings absolut nicht okay. Wenn er als Spieler sich auf Grund seiner Herkunft angefeindet fühlt, dann MÜSSEN wir darüber sprechen. Aber das Thema zu missbrauchen, um damit einen Artistokraten zu unterstützen, geht gar nicht.

    Antworten
    1. Fabienne Sand Artikelautorin

      Hallo Pauls!
      Ich verstehe was du meinst und Stimme dir im letzten Punkt absolut zu. Tatsächlich finde ich aber, dass die Besprechung von Rassismus in Deutschland und die auf dem Ausstieg von Özil basierende #MeTwo Debatte nur bedingt bis kaum mit den Bildern die selbiger mit Erdogan gemacht hat, zusammenhängt. Sicherlich ist es wichtig zu beleuchten was genau hier passiert ist und nicht alles über einen Kamm zu scheren, allerdings ist Rassismus, und das schreibst du ja auch, eindeutig zu diskreditieren und ebenso kein Weg einen Fußballspieler für seine Handlungen zu kritisieren. Den Missbrauch des Themas sehe ich demnach nicht. Es ist eher tragisch den einen Misstand erst durch den anderen wieder auf den Tisch bringen zu können. Und seien wir mal ehrlich; ich kann mir zur Zeit keinen anderen Dunstkreis als Fußball vorstellen, in dem alle nicht zumindest mal die Ohren spitzen.

      Antworten
      1. Pauls

        Vielen Dank für deine Antwort Fabienne. Ich verstehe genau was du meinst und du hast vollkommen Recht: Es ist schrecklich, dass wir erst einen Missstand brauchen, um einen anderen zu besprechen. Keineswegs wollte ich der Debatte die Wichtigkeit absprechen. Ich denke, wir können das Thema nicht oft genug auf den Tisch bringen. Das hast du ganz richtig beschrieben. Deshalb danke für diesen wertvollen Artikel!

        Antworten
    2. Damla

      Es geht doch bei der ganzen „MeTwo“ Debatte gar nicht mehr um Özil und Erdogan. Die Sache war ein Aufhänger, ein Startschuss für etwas, das viel bedeutender ist, weil es viel mehr Menschen betrifft. Von dem Foto kann man halten was man will, es hat aber nichts mit den zahllosen Erfahrungen von Menschen zu tun, die eben KEIN Foto mit politischen Führungspersonen gemacht haben.
      Es geht nicht um Özil und wie er zu dem Land seiner Vorfahren steht. Es geht um deine Kommilitonen, die du fragst, ob sie mal lecker Lahmacun für alle machen können oder um die Klofrau, der du ungefragt erzählst, dass du mal in Afrika warst und das voll super findest und die Kinder da sind auch alle voll süß.
      Also hört doch mal auf, wenns um MeTwo geht, immer direkt über Erdogan reden zu wollen. Darum gehts nämlich schon lange nicht mehr. Und „ja, Rassismus ist blöd, aber Erdogan auch“, macht Rassismus halt auch nicht weniger blöd.

      Antworten
      1. Pauls

        Bingo! Es hat eben nichts miteinander zu tun. Dass es einen Aufhänger gibt, ist natürlich gut. Denn ohne Anstoß keine neue Debatte. In meinen Augen ist nur der Aufhänger falsch und wird durch die belastete Thematik eben nicht all den Menschen, die verletzende Erfahrungen gemacht haben, gerecht.

        Antworten
  2. Suzie

    Meine Tochter wird von einem Mädchen geärgert, beleidigt, gemobbt. Als ich die Mutter daraufhin ansprach, wurde mir unterstellt, dass ich doch eh ein Nazi bin & mich nicht so anstellen soll. Kinder seien nun mal so. Aha….

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    1. Fabienne Sand Artikelautorin

      Hallo Sozie!
      Der Kommentar der anderen Mutter ist ohne Frage vollkommen daneben, unreflektiert und nicht korrekt. EIn Nazi bist du ganz sicher nicht, weil du eine Mutter die nicht rein deutsche Wurzeln hat (nehme ich jetzt einfach mal an) oder ihr Kind kritisierst.
      Mit ist es wichtig zwischen solchen „Beschimpfungen als Nazi“ und meine Besprechung von Rassismus in Deutschland klar zu unterscheiden. Nur weil Handlungen und Gedanken von vielen menschen auf Rassismen beruhen und sich diese oftmals gegen Menschen wenden, die einen vermeintlichen Migrationshintergrund richten und diese diskriminieren, sind sie noch keine Nazis. Trotzdem ist es wichtig diese Vorkommen ernst zu nehmen, seine eigenen Gedankengänge zu hinterfragen und achtsam auf das zu hören was POC und andere betroffene berichten. Hoffentlich haben wir dich in dieser Debatte nicht an diesem doofen Vorfall verloren. Im Zweifelsfall kann man davon ausgehen, dass die gemeinte Mutter lediglich schon oft ein Opfer von Rassismus war und mit Argwohn und Misstrauen durch die Welt wandelt..

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      1. Suzie

        Genau das denke ich mir auch. Wenn man immer wieder mit unreflektierten Sprüchen, Gedanken und Vorurteilen zu kämpfen hat, wird man sicher dünnhäutiger. Und dann erzieht man sicher auch sein Kind nach dem Motto „du darfst dir nichts gefallen lassen“! Dein „angry black women“-Artikel (so ähnlich hieß er doch), hatte mich auch sehr schon an dieses Mädchen erinnert.

        Antworten

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