Immer diese feministischen Spaßverderberinnen!

12.12.2018 Leben, box3, Feminismus

Letztens hatten meine Großeltern (Omma und Oppa, wie man im Ruhrgebiet so schön sagt) einen Streit. Nicht ungewöhnlich, die beiden meckern seit 65 Jahren leidenschaftlich am jeweils anderen herum. Meine Oma, darum drehte sich der Streit, fühlte sich von meinem Opa bevormundet. Sie fand, er nehme sie nicht ernst. Das sah mein Opa naturgemäß ganz anders. Es ging hin und her und am Ende sprach meine 85-jährige Oma folgenden Satz: „Ich lasse mir das von dir nicht bieten, ich bin schließlich die Großmutter einer Feministin!“ Meine Mama erzählte mir diese Geschichte und wir amüsierten uns köstlich über meine plötzlich rebellische Oma. Gleichzeitig dachte ich: „Schön, wie ich auch indirekt mit meinem Feminismus für familiären Unfrieden sorge.“ Es ist nun einmal so: Ich bin und bleibe eine feministische Spaßverderberin.

Feminismus macht kaputt

Denn mal ganz ehrlich: Feminismus öffnet die Augen, man sieht Dinge, die man vorher nie so richtig wahrgenommen oder erfolgreich verdrängt hat – die vielen kleinen und großen Ungerechtigkeiten, von denen unsere Gesellschaft, unsere Welt, so durchdrungen ist. Feminismus öffnete die Augen, ja, aber er zerstört auch ziemlich viel. Und damit meine ich nicht das Patriarchat – das hoffentlich auch, irgendwann. Nein, ich meine vormals simple Vergnügungen wie Germany’s Next Topmodel. Um nur ein Beispiel zu nennen. GNTM kann ich, seit ich Feministin bin, nicht mehr gucken, oder zumindest nicht, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Problematisches Frauenbild, Beförderung von Körperwahn und Essstörungen, und so weiter.

[typedjs]Durch Feminismus wird man automatisch zur Spaßverderberin, schlicht, weil man gewisse Dinge nicht mehr ertragen kann und keine Lust hat immer so zu tun, als sei alles heiapopeia. [/typedjs]

Wenn mein Rentner-Papa auf dem Sofa rumhängt, statt sich den Staubsauger zu schnappen und meine arbeitende Mama haushaltstechnisch zu unterstützen, dann kann ich nicht nichts sagen. Auch das sorgt für Unfrieden, weil die Beziehung meiner Eltern bis zum Renteneintritt meines Papas eben dem klassischen Modell folgte – er verdiente den Großteil des Einkommens und musste dafür nichts im Haushalt machen, sie verdiente dazu und machte „nebenbei“ noch alles andere. Das bisschen Haushalt eben. Mittlerweile findet meine Mama es doch etwas unfair, dass sie immer noch alles macht, obwohl es ja im Haus einen Herrn mit jeder Menge Freizeit gibt. Ich kann meinen Eltern nicht vorschreiben, wie sie ihr Leben und ihre Beziehung zu leben haben (wäre ja noch schöner), aber mein Unverständnis äußern, das kann ich schon. Mein Papa schaltet dann auf Durchzug und wird bockig. Vielleicht auch, weil er merkt, dass meine Mama zuhört – und einiges eben nicht mehr hinnimmt.

 
 
 
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Spaßbefreit, so ein Blödsinn

Für familiären Unfrieden zu sorgen ist weder ein Anliegen, noch ein Hobby von mir. Das Ding ist aber: Als Feministin muss man manchmal die Spaßverderberin sein. Sonst ändert sich nämlich nichts. Weder in der Familie, noch in der Gesellschaft. Wenn man mal in der Geschichte zurückblickt, entdeckt man überall feministische Spaßverderberinnen: Olympe de Gouges, Hedwig Dohm, Maya Angelou, die britischen Suffragetten… Um nur ein paar zu nennen. Sie alle verstanden, wenn es um Gleichberechtigung und Gerechtigkeit ging, keinen Spaß.

Und verdarben dadurch wiederum anderen den Spaß. Denen nämlich, die die Probleme nicht sahen oder nicht sehen wollten.

[typedjs]Daran denke ich, wenn es über Feministinnen mal wieder heißt, diese seien ja komplett humorbefreit und immer so ernst. Sind sie nicht, sie finden Sachen wie Sexismus nur schlicht nicht besonders lustig. Weil sie nicht lustig sind! [/typedjs]

Ich jedenfalls habe mich damit abgefunden, eine feministische Spaßverderberin zu sein. Und meiner Oma scheint es auch nichts auszumachen, so eine Enkelin zu haben. Als ich mit ihr telefonierte, berichtete sie mir stolz von dem Streit mit Opa. „Das kann ich doch nicht auf mir sitzen lassen“, sagte sie, „wenn meine Enkelin doch so eine Frauenrechtlerin ist!“ Dazu fiel selbst meinem starrköpfigen Opa nichts mehr ein – und das wiederum bereitet meiner Oma jede Menge Spaß.

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8 Kommentare

  1. Romy

    Ich schmunzle, nehme das aber sehr ernst & fühle mich an meine Eltern erinnert. Die männlichen Rentner sollten sich in Sachen Haushalt wahrlich mal emanzipieren aka den Lappen schwingen.

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  2. Rike

    „Feminismus öffnet die Augen, ja, aber er zerstört auch ziemlich viel.“ – Ja, das stimmt. Aber es ist auch okay, wie du selbst sagst, denn sonst ändert sich nichts.
    Ich nenne dieses „Augen öffnen“ den „feministischen Filter“, den man quasi automatisch anwendet, seitdem man angefangen hat sich bewusst mit Feminismus zu beschäftigen. Man kann ihn nicht mehr ausschalten..und das ist auch gut so! <3

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  3. J.

    Liebe Julia, du kennst es sehr wahrscheinlich bereits, aber auch für alle anderen Spaßverderber*innen da draußen und in weiser Voraussicht auf die Feiertage, die ja traditionell so einiges an Sprengstoff liefern: Sara Ahmed hat sich sehr umfangreich mit der Figur ‚Feminist Killjoy‘ auseinandergesetzt und bringt mit Sätzen wie diesem – „We become a problem when we describe a problem“ – so einiges wunderbar auf den Punkt.

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    1. Sandra

      Ich bezeichne mich nichtmal als Feministin. Ich lebe in dem Danach. Haushalt? Pflicht aller Mitbewohner, egal ob Ehemann oder was auch immer. Mein Freund kocht besser als ich, gut so, ich hasse kochen. Und überhaupt so Haushaltskram.

      Wo ich meine innere Feministin auskrame, das ist bei den richtig wichtigen Dingen wie Diskriminierung bei der Arbeit. Fangen wir gar nicht erst mit dem Thema gerechte Bezahlung an. Es reichen so Sachen wie Blicke zu dem Mann neben mir im Geschäftstreffen – „nee Schätzcken, ich bin hier der Boss“ denke ich mir. Da merke ich dann ansatzweise wie es sein muss, afroamerikanischer Mann irgendwo in China oder den USA zu sein, wo Diskriminierung noch ganz andere Formen annimmt. Klar, Whataboutism, aber gerade was Haushalt und so was angeht (oder GNTM), halte ich es mit einfachem drüber hinweg sehen. Wen der Zustand meiner Küche nicht passt, dem kann ich gern zeigen wo der Putzschrank ist.

      Oder das Thema Kinder. Gehören doch zu dem Leben jeder Frau dazu. „Du wirst es irgendwann bereuen“ „Werd mal älter, dann…“ Nein, dann gar nichts. Feminismus hat uns die Freiheit zu entscheiden gegeben. Nicht jede muss den Alice Schwarzer Weg gehen, aber die Stereotypen von was eine Frau ist und sie ausmacht, gehen mir immer noch auf den nicht vorhandenen Sack.

      Die Damen vor uns haben viel geschafft. Respekt und ein dickes fettes Danke!

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  4. Franziska

    Das Thema trifft aktuell bei mir genau ins Schwarze.
    Gestern war ich (mal wieder) die Spaßverderberin auf Arbeit.
    Eine DHL-Mitarbeiterin kam in die Firma um unsere Pakete abzuholen. Es handelte sich dabei um eine Frau, die nicht den typischen Modelmaßen entsprach (was natürlich völlig absurd ist das überhaupt zu erwähnen) und meine beiden männlichen Kollegen haben sich unter anderem mit dem Spruch „die DHL-Tante hat halt ein gebährfreudiges Becken“ darüber amüsiert.
    Ich war völlig schockiert und dies auch deutlich gemacht woraufhin ich natürlich als große Spielverderberin abgetan wurde. Es wäre doch nur ein Späßchen unter Männern gewesen hieß es dann…

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  5. Josie

    Liebe Julia, danke für den Artikel! Sag du noch Lesetipps bzgl feministischer Magazine im Internet? Vermisse da nämlich Input, gerne auch englisch sprachigen.
    Merci!

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  6. Suzie

    Ich habe bei einem Team-Essen (vorwiegend Männer, Techniker Branche) in einem Burgerrestaurant darauf hingewiesen, dass ich es abartig finde, dass die vegetarischen & Hähnchenburger Frauenbezeichnungen hatten („kleines Häschen“, „feige Ziege“, „Rotkäppchen“), während die Burger mit Rind „Macho“, „Supermen“ oder „Feuerwehrmann“ hießen. Die Herren waren völlig verwirrt, als sie darauf achteten und dann fielen ihnen viele andere Beispiele aus ihrem Leben ein, die ihnen so noch nicht bewusst waren. Sprache generiert Gedanken und selbst beim Essen ist das weibliche „klein und schwach“, dass männliche „groß und stark“. Wobei mich keiner als Spaßbremse angesehen hat. Die Herren waren wirklich überrascht.

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