Ich würde wirklich nie, niemals Leggins tragen.

04.04.2019 Mode, Wir, box2

Ich hätte meinen Allerwertesten darauf verwettet, dass mich keine drei Ochsen und schon gar kein Trend jemals dazu treiben könnten, Leggins zu tragen. Ich meine draußen auf offener Straße (mit Ausnahme von Sonntagen), nicht drinnen in sicheren Gefilden, beim Bingen oder Yogieren. Versteht mich nicht falsch, wann immer Fremde oder Freundinnen in alter Jane Fonda-Manier an mit vorbei scharwenzelt sind (ich dachte übrigens einunddreißig Jahre lang, es hieße schlawenzeln), wurde ich fast grün vor Neid. Es sieht ja niemand Banane aus in Sporthose, nur eben sportlich und quietschfidel, vital und lebensbejahend. So leichtfüßig! Allerdings bot mir vor allem das zuerst genannte Attribut lange keinerlei Identifikationsfläche; wie eine Heuchlerin wäre ich mir in dieser international seit Jahren beliebten Leisure Wear vorgekommen, mit Schweißperlen verziert an der ersten roten Ampel nach ein paar Metern Fahrradweg ächzend und anschließend wie aus dem Nest gefallen eine Belohnungs-Zigarette niederqualmend. Ich hätte demnach nie gedacht, dass sich meine eingefleischte Abwehr gegenüber regelmäßiger Bewegung außerhalb des Spielplatzes jemals legen würde. Aber der Kopf ist ja bekanntlich rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. Oder auch, verzeiht es mir: Was muss, das muss.

 

[typedjs]Ch-ch-ch-ch-changes / Turn and face the strange / Ch-ch-changes / Don't tell them to grow up and out of it / Ch-ch-ch-ch-changes / Turn and face the strange / Ch-ch-changes / Where's your shame? - David Bowie [/typedjs]

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Seit mir besagte Faulheit neulich den Körper einer 90-Jährigen beschert hat, stehe ich morgens wie von der Tarantel gestochen eine volle Stunde früher als mein Kind auf, um mit Thera-Bändern rumzumachen und mich wie ein Teig über Styropor-Rollen zu schieben, ich mache beim Duschen Kniebeugen, dehne mich zwischendurch an Hauswänden und habe ein neues Abo für das Fitness-Studio ums Eck, das ich sogar nutze, so in etwa jeden zweiten Tag. Nicht ohne zu leiden natürlich,  da brauchen wir uns nichts vormachen, aber immerhin. Weil dieser ungewohnte Aktionismus manchmal aber noch nicht reibungslos in meinen Zeitplan passen mag, bin ich vorgestern also nur halb umgezogen aus der Umkleide gerast, um noch gerade so rechtzeitig im Büro anzutanzen – da bin ich aufgrund meiner zweimonatigen Abstinenz derzeit nämlich klein mit Hut. Scheiße, dachte ich da Leggins-tragend, in der Hoffnung zumindest obenrum ein klein wenig an Pretty Women zu erinnern.

Aber dann fühlte ich sie mit einem Mal, die Metamorphose. Es guckte ja auch keiner komisch und ich kam mir auch nicht komisch vor, was ich richtig komisch fand. Aber auch spitze. Das machte nämlich irgendwas mit mir, dieses Presswurst-Commitment. Ich fühlte mich plötzlich exakt wie all die Freundinnen und Fremden in ihrem Sporthosen, wie ein Gummi-Mensch mit allerhand Muckis in dien Waden und das, obwohl in selbigen gerade ehrlich mehr Pudding als Kraft drin steckt. Hach, die Magie der Mode, da war sie endlich wieder! Fake it till you make it ergab auf einmal Sinn:

Wenn ich Leggins trage, schwillt die Brust meiner Sportlichkeit von ganz allein an. Ich will dann Bewegung! Bin die Bewegung! Gleite so präzise und sicher von einem Bein auf das andere wie Kill Bill’s Kiddo und komme niemals aus der Puste – allein Kraft meiner Gym-Wear-Gedanken. Auf einer Fitness-Skala von The Big Lebowski bis Lara Croft bin ich in Wahrheit, also Jeans-tragend, nämlich tendenziell Steve Urkel, noch immer. Was nicht verkehrt ist, aber auch nicht das Gelbe vom Ei. Da geht noch was. Und vielleicht geht’s ja sogar schneller, wenn ich ab sofort viel häufiger trage, was ich wirklich nie, niemals tragen würde.

Ich trage einen Blazer von Acne Studios, eine Leggins von Hessnatur, einen Pullover von Closed, Sneaker von Adidas und einen Schal von Acne Studios.

9 Kommentare

  1. frida

    I feel you! Ich mache seit kurzem Yoga – auch bei mir haben Körper und Seele SOS gefunkt – und schaffe die morgendliche Herausforderung Kinder zu versorgen, in Bildungseinrichtungen abzugeben, dann tiefenentspannt im Hier und Jetzt zu turnen und anschließend im Büro Entscheidungen zu treffen auch nur, wenn ich manche Wege im Sportdress erledige… Am Anfang war es mir peinlich, fand den Look bei anderen aber immer irgendwie frisch und tatendurstig. Und inzwischen fühle ich mich damit echt ok, ich fahre schneller Fahrrad (gefühlt), und hüpfe bei der Morgenorganisation munter durch die Wohnung. Ich denke, ich werde mit eine ZWEITE Leggins kaufen.

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  2. Anna

    Das L in Schlawenzeln steht für AthLeisure! Scharwenzeln klingt nach Schawarma und das würde hier ja mal überhaupt gar nicht passen..
    Grandioser Text, danke dafür!

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  3. Carolin

    Liebe Nike, schön, dass du wieder da bist! Ganz profan: Woher ist denn deine tolle Haarspange?

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