In unserem Format „5 Frauen“ lassen wir regelmäßig unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen. Jetzt wollen wir auch eure Meinungen, Gedanken und Erfahrungen zu verschiedenen Themen hören, um Diskussionen und einen Austausch zu fördern. In „JW Community“ stellen wir euch deshalb künftig Fragen, die uns beschäftigen und über die wir mit euch sprechen wollen. Wir geben zwar auch unseren Senf dazu, aber hier geht es aber vor allem um EURE Meinung – ihr seid also herzlich dazu eingeladen, eure Ansichten und Überlegungen fleißig in den Kommentaren zu teilen. Diesmal lautet die Frage:
Würdet ihr euch Botox spritzen lassen? |
Sarah:
Es gab schon die unterschiedlichsten Meinungen in meinem Kopf zu dem Thema und ganz offenbar kann ich mich einfach nicht richtig festlegen, denn: Irgendwann einmal war ich strikt gegen solche „Eingriffe“, zu einer Zeit, in der mein Gesicht einem Babypopo glich und Fältchen ewig weit entfernt erschienen. Ich war mich sicher, dass die erste Spritze als Gatekeeper für weitere Veränderungen verstanden werden könnte und die Hemmschwelle sich dadurch herabsetzt. Kurzum: Wurden die ersten Fältchen einmal glatt gebügelt, sind die aufgespritzten Lippen nicht mehr fern und auch vor der Nasen-OP ist kein Halt. Steile These, ich weiß. Irgendwann aber, und zwar mit den ersten Krähenfüßen um meine Augen, den kleinen Furchen auf meiner Stirn und fehlender Spannkraft in meinem Kinn, keimte der Gedanke des „Ausprobierens“ doch in mir. „Warum eigentlich nicht?“, dachte ich, „es ist ja schließlich nicht von Dauer.“ Heute hallen beide Argumente nach wie vor in meinem Kopf und wann immer ich näher vor einem kleinen Vergrößerungsspiegel stehe und meine Augenpartie glatt ziehe, ist da wieder dieses Pro-Argument, es doch noch einmal zu versuchen. Bloß hallt diese Idee nicht nach, denn: Sobald der Blick abgewendet wird und ich mich wieder den wirklich wichtigen Dingen und dem Alltagswahnsinn widme, vergesse ich den zunehmenden Alterungsprozess auch schon. Ach, vielleicht bin ich auch einfach zu uneitel und auch ein wenig zu faul, um mir jemanden für diesen kleinen Piekser zu suchen, dort auch wirklich hinzugehen und es ernsthaft und wahrhaftig zu wagen und durchzuziehen. Vielleicht habe ich aber auch einfach Bammel davor, Blut zu lecken und mit sämtlichem Zeug weiterzumachen. Ich denke allerdings, es ist vor allem die eigene Faulheit, die mich bis heute ja nicht mal richtig zur Pedi und Mani bewegt, gar den Weg zum Friseur ebnet, die bisher dazu geführt hat, dass die Idee Botox wohl irgendwie nie in die Tat bei mir umgesetzt wird. Wobei ich natürlich eines über all die Jahre gelernt habe: Ich würde niemals nie sagen!
Julia:
Früher schoss mir beim Wort „Botox“ das glattgebügelte Gesicht von Nicole Kidman in den Kopf. Die Medien erklärten mir damals schnell, dass so ein Mensch, der sich das Nervengift spritzen lässt, ordentlich belächelt und kritisiert wird, also speicherte auch ich den Eingriff als verwerflich ab. Ich war mir verdammt sicher, dass ich mir dieses Zeug niemals in die Stirn oder sonst wohin spritzen lassen würde und hakte das Thema für mich ab. Dass ich irgendwann einmal mehr Verständnis haben könnte, ja es sogar an mir selbst nicht für immer und ewig felsenfest ausschließen würde, würde mir mein Teenager-Ich vermutlich ganz schön übel nehmen. Ich weiß nicht, ob es am Alter liegt oder daran, dass die kleinen Fältchen, die sich immer dann bilden, wenn ich mich konzentriere, mittlerweile auch bei mir sichtbarer sind, aber heute bin ich der ganzen Sache gegenüber ein wenig offener. Natürlich ist es noch immer etwas anderes, tatsächlich einen Termin zu vereinbaren und auch den letzten Schritt zu gehen und zum jetzigen Zeitpunkt würde ich es auch keineswegs tun, zumindest aber verteufle ich es nicht mehr — ob das nun gut oder schlecht oder herzlichst egal ist, und ob ich an dieser Stelle nicht nur die Gesellschaft, sondern auch mich hinterfragen müsste, ist natürlich noch mal eine ganz andere Sache.
Nike:
Bis vor etwa einem Jahr hätte ich bei dieser Frage ganz laut gerufen: NIEMALS nie, im Leben nicht. Für mich war die Ablehnung von derartigen Eingriffen in die eigene (optische) Identität, die aus Eitelkeit statt aus ernsthafter Unsicherheit geschehen, untrennbar verknüpft mit meinem persönlichen Verständnis von Feminismus – der mir beigebracht hat, mich jeden Tag aktiv gegen das mir und uns von der Gesellschaft auferlegte Korsett der hundert Ideale zu wehren. Gegen das gelernte Vergleichen mit anderen Frauen und die Vorstellung, alles würde besser, wenn doch jener oder dieser Makel bloß endlich nicht mehr zu sehen wäre. Und bis heute inkludiert Feminismus für mich die Befreiung der Frau von Erwartungen, auch optischen. Wir schulden es niemandem, perfekt zu sein. Deshalb wäre ich gern stark genug zu sagen: Botox, nein danke. Heißt Feminismus aber nicht auch, dass wir uns aussuchen können, wie wir als Frauen leben wollen? Choice Feminism nennt man das: „Wenn es sich für dich gut anfühlt, dann ist es richtig“. Grundlegend ist hierbei übrigens auch das altbekannte Leben und Leben Lassen. Es steht uns ganz einfach nicht zu, über andere (Frauen) zu urteilen. Aber eben: Über uns selbst. Nur will ich das, in diesem Fall? Will ich mit etwas anfangen, was am Ende womöglich ein Fass ohne Boden sein könnte? Natürlich schaue ich hin und wieder in den Spiegel und sehe, dass ich mir einen gehörigen Tick eingefangen habe. Permanent ziehe ich meine linke Augenbraue hoch, sodass sich darüber drei tiefe Furchen bilden, wie ein Regenbogen, und mich viel kritischer aussehen lassen, als ich eigentlich bin. Das hat noch nicht einmal etwas mit dem natürlichen Alterungsprozess zu tun. Sondern vielmehr mit dem Druck, den der Alltag mit sich bringt. Ungefähr ein Mal im Monat denke ich inzwischen also darüber nach, diese Stelle zu betäuben. Um mir das Runzeln abzugewöhnen, wenn man so will, und mein Gesicht endlich zu entspannen. Denn auch Kopfweh kann daher kommen. Und wieder: Sind das jetzt gute Gründe oder nichts als Rechtfertigungen? Ich weiß es (noch) nicht. Was ich aber sicher weiß ist, dass ich zu mir und meinen Entscheidungen stehen werde, wie auch immer sie in Zukunft aussehen werden. Das erlaube ich mir nämlich auch: Gelegentlich einzuknicken. Weil ich sicher bin, dass ich nichts tun würde, was nicht gut für mich ist. Auf welche Weise auch immer.