These: „Frauen* wollen alles immer ein bisschen früher und manchmal auch viel mehr mehr als Männer*“

23.10.2019 Leben, box1, Kolumne

Ich bin keine Psychologin, das wisst ihr, nur Mensch, oder besser: Frau*, was auch immer das bedeuten mag. Es ist also sehr gut möglich, dass sämtliche Erfahrungen, die ich im Folgenden kurz schildern und womöglich verallgemeinern werde, nichts als läppische Individualphänomene sind oder eben höchstens sehr subjektive Beobachtungen, die aber immerhin recht präzise auf mein eigenes soziales Umfeld anzuwenden sind und sich im Grunde genommen sogar in einem einzigen Satz zusammenfassen lassen: 

Frauen* wollen alles immer ein bisschen früher und manchmal auch viel mehr mehr als Männer*.

Da könnte ich ja persönlich erstmal kotzen. Über diese steile These drüber meine ich, im Schwall von oben bis unten, weil da gleich so eine schreckliche „Frauen-sind-von-derVenus-und-Männer-vom-Mars“ Assoziationskette losgetreten wird, von der ich mich rein intellektuell betrachtet und außerdem aus Gründen der zwingend zu überwindenden Geschlechter-Klischees gerne ausnahmslos distanzieren würde; nur grätscht mir dann immer wieder die Praxis, ergo das Leben, dazwischen, weshalb ich am Ende des Tages nicht selten zu dem Schluss komme: Ist so – Typen haben wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank, noch nicht einmal die besten, emphatischsten, kommunikationsfähigsten von allen. Vielleicht stimmt das sogar, nur müssten wir dann im Umkehrschluss wohl oder übel auch den eigenen Sprung in der Schüssel anerkennen, der ja automatisch mit unserer Sozialisierung (Hollywood, Gender-Marketing, pipapo) und der permanenten (unterbewussten) Auseinandersetzung mit fortwährenden patriarchalen (Gesellschafts-)Strukturen mitgeliefert wird. Kein Problem, bloß geht es darum gerade nicht. Oder etwa doch?

Ich halte nochmal kurz fest: Egal, ob es nun um den mutigen Sprung in Richtung echte, feste Beziehung und das dazugehörige Commitment, um das Aussprechen von Gefühlen, das miteinander Abhängen oder Zusammenziehen geht – es scheint fast so, als würden die meisten von uns stets zuerst „Hier! Ich! Wir! Jetzt!“ brüllen, woraufhin etliche Partner* schließlich reihenweise in Ohnmacht fallen, sich kurz mal zurückziehen und sammeln müssen, alles infrage stellen, Panik bekommen, mehr Zeit einfordern, „Ruhig Blut!“ antworten und Däumchen drehend darauf warten, dass sich irgendwo im eigenen Bewusstsein der Alles-oder-Nichts-Schalter umlegt, auf dass die Zukunft ihren Schrecken verliere. Als gebe es sowas überhaupt, eine Partnerschaft ohne den leiseten Zweifel oder Bammel, einen „perfekten“ Zeitpunk ohne Ecken und Kanten. Ich frage mich, wann immer ich solche Geschichten höre, natürlich zwangsläufig, woran das liegt. Dass Männer es tendenziell eher, sagen wir mal „schleppend“ mögen. Und dass Frauen bis heute Sorge davor haben (müssen), entweder zu viel oder zu wenig zu sein, für das Gegenüber. Ist das verrostete Märchen des ewigen Gefängnisses etwa Schuld? Liegt es daran, dass Männer* noch immer Sorge haben, an den Eiern gepackt und qualvoll in ihrem Leben festgenagelt zu werden? An der Torschlusspanik, von der so einige berichten? Oder sind „wir“ in Wahrheit echt ein bisschen zu schnell unterwegs, vor lauter Angst in diesen unsicheren Zeiten zu verlieren, was wir doch gerade so lieb gewonnen haben? Ist dieses tief verwurzelte Bedürfnis nach Sicherheit größer als gesund wäre?

Wir, ihr, die – Ich weiß. Fick die Pauschalisierung. Bei vielen meiner Freundinnen läuft der Hase ganz woanders lang. Bei mir sehr häufig auch (ein Hoch auf die Mauer des Selbstschutzes!). Aber dennoch entdecke ich mich wieder, in all den Geschichten, die wir hören, wenn ich anderen Frauen wirklich zuhöre. Ich fluche dann laut und schimpfe und fühle mit und frage mich wieder: Was läuft denn da schief? Bei uns allen. Und warum um alles in der Welt ist es so verdammt schwer, gleichzeitig das Gleiche zu wollen, und zwar gleich doll. Ehrlich? Keine Ahnung. Aber ich fürchte, dass dieser Umstand in erster Linie nervig, aber überhaupt nicht so tragisch ist, wie wir gern annehmen. Möglicherweise sind wir es ja nur nicht mehr gewohnt, nicht alles immer und überall auf Knopfdruck zu bekommen, sofort. Außerdem ist der Mensch kein Roboterwesen, was beruhigend ist. Denn das eint uns in der Uneinigkeit. So verschieden sind wir nämlich nicht. Wenn wir ehrlich sind, haben wir doch alle: Angst. Also endlich mal was gemeinsam. Und wenn man schon etwas gemeinsam hat, dann kann man zumindest: Miteinander reden. Über Erziehung, Traumata, immer wiederkehrende Muster, verquere Prägung durch Medien, Verletzungen, unsere Kindheit, unsere Eltern, beschissene Erfahrungen und Erinnerungen, die uns bis ins Jetzt verfolgen.

Es könnte nämlich sein, dass wir unser Gegenüber dann plötzlich verstehen. Und uns selbst noch ein bisschen mehr. Und dass wir dann endlich mal etwas genau gleichzeitig und gleich doll wollen: Es zusammen auf die Kette kriegen.

 

6 Kommentare

  1. Jemima

    Hallo Nike 🙂
    Als ich deinen Text gelesen habe ist mir direkt ein Gespräch mit meinem Freund zum Thema Hochzeit eingefallen. Wir sind seit 5 Jahren zusammen und ich (25) werde oft wenn ich das erzähle gefragt ob wir denn heiraten möchten. Das habe ich mal beiläufig erwähnt (ohne dass ich die Absicht habe bald heiraten zu wollen) und mein Freund (28) war völlig perplex, denn er wurde das noch nie gefragt. Es scheint unsere Gesellschaft (Mars, Venus etc.) spielt eben eine entscheidende und oft unterbewusste Rolle…

    Antworten
  2. maki

    liebste nike, kann nur danke sagen – der text war alles was jetzt gerade nötig und wichtig ist!
    <3 lichst!

    Antworten
  3. Tine

    Du sagtest es ganz genau: Fick die Pauschalisierung. Die Männer, die du beschreibst, kenne ich auch, aber nicht nur. Es gibt auch die anderen! Vielleicht ist es auch eine Generationsfrage. Ich bin 41 und vielleicht macht man dann auch ab und an einfach ohne zu viel darüber nachzudenken, oder auszusprechen, einfach weil klar ist, das Leben ist endlich, aber jede Entscheidung, die getroffen wird, ist auch korrigierbar. Wenn es nicht funktioniert, dann macht man eben wieder was anders. Man muss sich ja nur trauen. Anfang Mitte 30 habe ich auch anders gedacht. Ist vielleicht der Weisheitsvorsprung. Wenn man sich viel ausprobiert, wird auch irgendwann klar, Geschichte wiederholt sich. Irgendwann steht man wieder an einem gewissen Punkt in der Beziehung mit jedem. Aber mit dem einen kommt man da durch und entscheidet sich, bei dem anderen merkt man, ne, das funktioniert nicht. Kurzum, vielleicht hast du ein gewisses Männerschema, landest immer wieder an dem Punkt, an dem du dich festlegen willst, der Mann aber nicht und dann wird daraus: Männer wollen nicht so schnell so viel wie Frauen. Aber eigentlich heißt es: Die Männer, die du dir auswählst, wollen nicht so schnell dahin wo du sein willst.

    Antworten
  4. Frauke

    Liebe Nike,
    lies mal „Jokastes Kinder“. Da wird psychologisch ganz gut hergeleitet, warum das mit den Männern so ist. Zumindest noch in dieser Generation. Denn gleichzeitig kann man sich selbst gut ableiten, was wir mit unseren Söhnen und Töchtern anders machen können, damit es nicht für immer so bleibt ♥️

    Antworten
  5. Eva

    Früher dachte ich auch, das wäre so, aber ich glaube heute, es kommt einfach drauf an, wer mehr verliebt ist in der Beziehung. Ist es der Mann, will er am liebsten heiraten, macht Kompromisse etc.,ist es die Frau oder wer auch immer genauso. Leider ist es einfach nur sehr schwer, das „Beuteschema“ zu ändern oder wie Miranda von Sex and the City einmal sagte: He’s just not that into you, was man natürlich nicht gern hört. Zumindest war es bei mir so, das muss für die Allgemeinheit freilich nix bedeuten. Ich rate aber allen jüngeren Mädels: Der Typ oder die Frau, die sowieso bei euch sein will, ist der oder diesselbe, der/die eure Doktorarbeit, Karriere und Kinderpläne mitträgt und kein Problem damit hat, wenn ihr erfolgreicher seid oder mehr Geld verdient. Das ist wahre Coolness, nicht zwingend der Heini mit den individuellen Klamotten und dem Bartdutt dort an der Bar. (kann natürlich trotzdem auch sein) Sorry wegen der Klischees, meine Erfahrung.
    In jedem Fall alles Gute für euch!

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr von

Related