7 Bücher im Dezember – von Kurzgeschichten, Göttinnen, Millionenerbinnen & einem neue Roman von Françoise Sagan

10.12.2019 Buch, box1

Ich habe gar nicht so viel Zeit, wie gerne ich gerne verlesen würde, aber am Wochenende, da nahm ich sie mir, weil es dringend nötig war. Auch, um weiter in Lauren Groffs Kurzgeschichten-Sammlung „Florida“ zu versinken, die sich ohne Weiteres auch im müden Zustand verschlingen lässt, so forttragend ist sie geschrieben; man fliegt geradezu von einer auf die nächste Seite. Ein Geschenk für alle, würde ich sagen. Solltet ihr noch ein Werk für sämtliche Frauen* eurer Familie suchen, empfehle ich euch außerdem „Der unvollendete Palazzo“, ein Buch, das mir mein liebster Buchhändler erst vor zwei Wochen empfahl. Und er sollte recht behalten: Sogar meine Tante ist ganz aus dem Häuschen vor lauter Sachbuch, das dennoch wie ein Roman daher kommt und die Geschichte dreier wahnsinnig eigener Frauen erzählt: von Peggy Guggenheim, Luisa Casati und Doris Castlerosse, die allesamt über viel Geld, aber auch Hirn verfügten. Oh, und Nikita Gill, eine der wichtigsten Poetinnen der Stunde, veröffentlichte gerade erst ihr neuestes Werk „The Great Goddess“, das ich zu Weihnachten ganz bestimmt mindestens einer lieben Freundin schenken werde. Wer sich zudem schon damals gefragt hat, wovon Sheryl Sandberg in „Lean In“ da überhaupt aus ihrem Elfenbeinturm heraus redet, sollte womöglich großen Gefallen finden an Dawn Fosters „Lean Out“. Dass Françoise Sagan („Bonjour Tristesse“) ihren letzten Roman „Die Dunklen Winkel des Herzens“ nicht vollenden konnte, heißt nicht, dass er nicht überaus lesenswert wäre. Es fühlt sich beinahe magisch an, 60 Jahre nach ihrem Tod etwas nie zuvor Veröffentlichtes von dieser großen, wilden Autorin lesen zu dürfen. Auf meiner Noch-To-Read-Liste stehen außerdem: Endlich Jackie Thomaes „Brüder“ (es scheint, als hätte ich da mächtig was verpasst!) und, hier bin ich etwas gehemmt, Edna O’Briens Werk „Girl“ – hat letzteres hier jemand schon gelesen, bzw. eine Meinung zu dem Vorwurf, eine 80-jährige weiße Frau könne und solle nicht aus einer Perspektive schreiben, die so unendlich weit von ihrer eigenen entfernt ist? Ich bin mir tatsächlch unsicher, lerne aber gern dazu. Denn auch in den Medien erntet „Girl“ unendlich viel Lob und gleichermaßen heftige Kritik. 

„Florida“ von Lauren Groff
– übersetzt von Stefanie Jacobs –

[typedjs]"Was solide gebaut schien, war doch so zerbrechlich im Angesicht der Zeit, denn die Zeit, mehr Tier als Mensch, war gleichgültig. Es kümmert sie nicht, ob man aus ihr herausfiel. Sie ging auch ohne einen weiter. Sie sah einen nicht; sie war schon immer blind gewesen für den Menschen und all das, was er tut, um sie aufzuhalten, das Einordnen, Putzen, Strukturieren und Sortieren."[/typedjs]

Der New-York-Times Bestseller von Lauren Groff: Geschichten von wilden Tieren, maßlosen Unwettern und dem Menschen, der die größte Bedrohung ist.

Erzählungen wie der Ort, nach dem sie benannt sind – Florida: wild und schön, gleißend hell, dunkel und unberechenbar. Eine Mutter läuft Nacht für Nacht gegen Wut und Zweifel an, zwei Mädchen werden allein in der Wildnis zurückgelassen, eine junge Frau gibt jeglichen Besitz auf. Situationen schlagen um, und Menschen verwandeln sich in der flirrenden Hitze Floridas, das hier viel mehr ist als ein Land: eine Atmosphäre, in der alles, was das Leben ausmacht, üppig gedeiht und gerade dann, wenn man es am wenigsten erwartet, die vertraute Oberfläche durchbricht. Mit grausamer Präzision und mitreißender Sprachgewalt erzählt Groff von Zorn, Furcht und Einsamkeit inmitten einer Natur, deren neue Schrecken wir selbst geschaffen haben.

„Der unvollendete Palazzo“ von Judith Mackrell
– übersetzt von Andrea Ott und Susanne Hornfeck –

Mitte des 18. Jahrhunderts beauftragte die Familie Venier, die in ihren Glanzzeiten die Dogen Venedigs stellte, Architekten mit dem Bau eines spektakulären Palazzos direkt am Canal Grande. Doch die Kosten explodierten und die ehrgeizigen Baupläne konnten nicht vollständig realisiert werden.

Die britische Autorin und Kritikerin Judith Mackrell erzählt in ihrem reich bebilderten und spannend geschriebenen Buch die Geschichte dieses Gebäudes. Im 20. Jahrhundert gingen hier u. a. Man Ray, Pablo Picasso, Cole Porter oder Yoko Ono ein und aus. Seine Bewohnerinnen, die Mailänder MiIlionenerbin und Modeikone Luisa Casati und Doris Castlerosse, die Geliebte Winston Churchills, machten den Palazzo zu einem weit über die Grenzen Italiens bekannten und berüchtigten Treffpunkt der internationalen Künstlerszene und der High Society.

Ende der 1940er Jahre kaufte die Mäzenin und Kunstsammlerin Peggy Guggenheim den Palazzo, nach ihrem Tod wird er Sitz der Collezione Guggenheim. Das Museum ist heute eine der touristischen Hauptattraktionen Venedigs. Das Porträt einer singulären Stadt, die Geschichte eines außergewöhnlichen Hauses und dreier atemberaubender Frauen.

„Great Goddess“
– Life Lessons from Myths and Monsters –
A Collection Of Poems
von Nikita Gill 

[typedjs]“Does the night ever tire of the darkness? Does the sea ever tire of her own depths? Do the trees ever tire of their roots? Do mortals ever tire of looking for other mortals to call home?”[/typedjs]

Wonder at Medusa’s potent venom, Circe’s fierce sorcery and Athena rising up over Olympus, as Nikita Gill majestically explores the untold stories of the life bringers, warriors, creators, survivors and destroyers that shook the world – the great Greek Goddesses.

Vividly re-imagined and beautifully illustrated, step into an ancient world transformed by modern feminist magic.

„Die Dunklen Winkel des Herzens“ von Françoise Sagan
– übersetzt von Waltraud Schwarze und Amelie Thoma –

 

65 Jahre nach ihrem weltberühmten Debüt »Bonjour tristesse« erscheint ein bisher unveröffentlichter Roman von Françoise Sagan.

Ein schwerer Autounfall hätte Ludovic Cresson beinah das Leben gekostet. Doch gegen alle Wahrscheinlichkeit überlebt er das Unglück, und nicht nur das: Nach einiger Zeit ist er vollständig genesen. Sehr zum Bedauern seiner Frau Marie-Laure, die sich in der Rolle der vermögenden Witwe gut gefiel. Sie erträgt die zärtlichen Avancen ihres wiederauferstandenen Mannes kaum, schließlich hatte sie bereits die Musik für seine Beerdigung auswählt. Eines Tages belauscht Henri, Ludovics Vater, eine unschöne Szene zwischen den Eheleuten, er bangt um das männliche Selbstwertgefühl seines Sohnes und beschließt einzugreifen. Sein Plan scheint zunächst aufzugehen, bis plötzlich Fanny auftaucht, die charmante Mutter der launischen Marie-Laure, und für einigen Wirbel in der Industriellenvilla sorgt. Ein zeitloser, unvollendet gebliebener Roman, der den Geist von »Bonjour tristesse« atmet: kühl und schlicht im Stil, mit großem Gespür für Witz und Ironie, für Dialoge und Charakterzeichnung.

„Girl“ von Edna O’Brien
(erscheint im März 2020 als „Das Mädchen“ auf Deutsch)

The Sunday Times bestseller: Girl is the new novel by the legendary Edna O’Brien, author of The Country Girls (dramatised on BBC Radio 4 in August 2019). Captured, abducted and married into Boko Haram, the narrator of this story witnesses and suffers the horrors of a community of men governed by a brutal code of violence. Barely more than a girl herself, she must soon learn how to survive as a woman with a child of her own. Just as the world around her seems entirely consumed by madness, bound for hell, she is offered an escape of sorts – but only into another landscape of trials and terrors amidst the unforgiving wilds of northeastern Nigeria, through the forest and beyond; a place where her traumas are met with the blinkered judgement of a society in denial. How do we love in a world that has lost its moorings? How can we comprehend the barbarism of our enemies, and learn forgiveness for atrocities committed in the name of ideology? Edna O’Brien’s new novel pierces to the heart of these questions: and the result is her masterpiece.

„Brüder“ von Jackie Thomae

Zwei Männer. Zwei Möglichkeiten. Zwei Leben. Jackie Thomae stellt die Frage, wie wir zu den Menschen werden, die wir sind.

Mick, ein charmanter Hasardeur, lebt ein Leben auf dem Beifahrersitz, frei von Verbindlichkeiten. Und er hat Glück – bis ihn die Frau verlässt, die er jahrelang betrogen hat. Gabriel, der seine Eltern nie gekannt hat, ist frei, aus sich zu machen, was er will: einen erfolgreichen Architekten, einen eingefleischten Londoner, einen Familienvater. Doch dann verliert er in einer banalen Situation die Nerven und steht plötzlich als Aggressor da – ein prominenter Mann, der tief fällt. Brüder erzählt von zwei deutschen Männern, geboren im gleichen Jahr, Kinder desselben Vaters, der ihnen nur seine dunkle Haut hinterlassen hat. Die Fragen, die sich ihnen stellen, sind dieselben. Ihre Leben könnten nicht unterschiedlicher sein.

„Lean Out“ von Dawn Foster

[typedjs]“Rather than leaning in and trying to forge a path within structures that are so hostile to them, they're leaning out and refusing to play the game anymore.”[/typedjs]

Sheryl Sandberg’s business advice book, Lean In, was heralded as a defining moment in attitudes to women in business. But for all its commercial success, it proposed a model of feminism that was individualistic and unthreatening to capital.

In her powerful debut work Lean Out, acclaimed journalist Dawn Foster unpicks how the purportedly feminist message of Sandberg’s book neatly exempts patriarchy, capitalism and business from any responsibility for changing the position of women in contemporary culture. It looks at the rise of a corporate ‘1% feminism’, and at how feminism has been defanged and depoliticised at a time when women have borne the brunt of the financial crash and the gap between rich and poor is widening faster than ever.

Surveying business, media, culture and politics, Foster asks whether this ‘trickledown’ feminism offers any material gain for women collectively, or acts as mere window-dressing PR for the corporations who caused the financial crash. She concludes that ‘leaning out’ of the corporate model is a more effective way of securing change than leaning in.

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8 Kommentare

  1. Anna

    Liebe Nike, meine Meinung zu Deiner Frage: die Kunst ist frei. Wenn eine 80-jährige weiße Frau sich in eine andere Perspektive hineinimaginieren möchte, dann soll sie das tun dürfen. Und wenn sie Schriftstellerin ist, soll sie das auch aufschreiben dürfen. Die Frage, ob das literarische Resultat „gut“ oder „schlecht“ ist, sollte doch vielleicht nach anderen Kriterien bewertet werden. Mir wird es immer ein bisschen schummerig, wenn ich Menschen nach irgendwelchen Denkverboten im Kunstbetrieb rufen höre… Ich meine, wo ist dann die Grenze? Und soll nicht Fiktion und Literatur genau das tun: Unmögliches imaginieren, um daraus wunderbare Geschichten zu spinnen?

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    1. Nike Jane Artikelautorin

      Liebe Anna, danke für deine Perspektive. Ich habe es auch bisher so gesehen und stimme ebenfalls mit der Herangehensweise New York Times-Journalistin überein (im Tect oben verlinkt). Dennoch bin ich nach wie vor vorsichtig, möchte zuhören, hinsehen und dazulernen. Deshalb bin ich so froh über verschiedene Meinungen, damit am Ende, nach einem langen Denkprozess und viel Gehörtem, eine ganz eigene Meinung entstehen kann – genau hier bin ich bezüglich dieses Themas nämlich noch nicht angelangt. Also nochmal: Danke, danke!

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      1. Anna

        Danke für deine Antwort, Nike! Ich würde auch gern noch eine andere Perspektive hören, das Thema ist so spannend! Mir ist da übrigens noch ein anderer Gedanke gekommen: Vielleicht sollte man im Fall, dass literarische Texte irgendwie „falsch“ sind, trotzdem das Werk und den Autor im Sinne der Kunstfreiheit von jeglicher Kontrolle entbinden und die ethische Pflicht eher bei den LeserInnen ansiedeln? Also im Sinne einer kritischen Distanz… Sonst würden alle SchriftstellerInnen ja irgendwann nur noch regelbasiert/-konform schreiben und das wäre mir dann doch zu fad! Lieben Gruß!

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  2. Diplomarbeit schreiben lassen

    Ich mag „Nur ein Wort von dir entfernt“.. Das Leben der zwei Schwestern Jess und Lily veränderte sich wegen einer traumatischen Nacht in ihrer Kindheit, welche sie entzweite. Seitdem wechselten sie kein Wort mehr und führen heute zwei Leben, so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Als ihre Mutter Audrey jedoch nur noch wenige Monate zu leben hat, setzt sie alles daran, ihre beiden Töchter wieder zu versöhnen. Nichts ahnend, von den unvorstellbaren Geheimnissen, die nun ans Licht zu kommen drohen.. Sehr interessant.

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  3. Christiane Grindel

    Schöne Buchempfehlungen! Allerdings ist Francoise Sagan 2004 gestorben und dementsprechend nicht seit 60 Jahren tot… oder habe ich mich da verlesen???

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  4. Marie

    Ich bin bei Büchern immer sehr langsam, aber jetzt habe ich von Francoise Sagan „Ein gewisses Lächeln“ gelesen – mein erstes Buch der Autorin nach diesem Tipp von euch. Es hat mir gut gefallen – vielen Dank deshalb für eure Tipps, dadurch finde ich oft sehr spannende Bücher 🙂

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