Mager-Irrsinn //
Entweder dir passt „Brandy Melville“
oder du bist zu dick.

16.10.2014 Mode, Gesellschaft

branddy melville usaAls das Unternehmen Piper Jaffray jüngst eine Liste der aktuellen „Up-Trending Brands for Teen Girls“ veröffentlichte, da tauchte noch vor H&M, Urban Outfitters und Free People der ursprünglich italienische Retailer „Brandy Melville“ auf, nämlich auf Platz 1. Man könnte sich jetzt natürlich für die Inhaber dieser textilen Goldgrube freuen oder selbst zum hippen Jünger werden – wäre da nicht ein überaus perfides Marketingkonzept, das zwar Produktionskosten drückt, dafür aber Komplexe fördert.

Wer Brandy Melville tragen und Teil vom Hype sein will, muss schlank sein, basta. Für die Exklusion sämtlicher Mädchen, die Kurvigeres als eine 60cm-Hüfte zu bieten haben, sorgt die Zwei-Größen-Regel: Das gesamte Sortiment der rapide wachsenden Ausgeburt der Mager-Hölle ist ausschließlich in Small und One Size shopbar. „Body-Blaming“ nennt manch einer dieses Vorgehen. Oder eben „freie Marktwirtschaft.“ 

 „It’s an exclusivity thing: Congratulations, you fit in the clothes! Join the club (…) There will always be the girls who will try to squeeze into it. They’ll do whatever they can to fit in Brandy Melville,“ erklärte Rachel Simmons, Co-Gründerin des Girls Leadership Institute kürzlich in einem Beitrag der Huffington Post.

Um dem „Club“ anzugehören, bedarf es längst keinem dicken Geldbeutel mehr, dafür sorgen vergleichsweise niedrige Verkaufs-Preise. Nein, die Ebene, auf der heute miteinander konkurriert wird, ist viel persönlicher. Alles dreht sich um das Aussehen und  vor allem die Statur des eigenen Körpers, der möglichst perfekt und selbstverständlich schmal geraten sein muss, um die Nase modisch vorn behalten zu können. Getreu dem Motto: Passt du nicht rein, bist du zu fett.

Brandy Melville

Nun haben wir es hier eigentlich mit einer Tendenz zu tun, die ganz offensichtlich an Perversion grenzt, wenn nicht sogar an fahrlässige Körperverletzung, denn ich möchte gar nicht wissen, wie viele Hamburger schon rückwärts gegessen wurden, bloß weil die Pellwurst-enge Skinny Jeans im Laden nicht über den Hintern gepasst hat. Über den Hintern einer höchstwahrscheinlich 14-Jährigen, die sicherlich schon genug pubertäre Konflikte mit sich selbst auszutragen hat, es ist ja schließlich kein Geheimnis, dass wir in der Blüte unserer Jugend allesamt zu einer etwas schrägen Selbstwahrnehmung und großen Unsicherheiten neigen.

Umso verachtenswerter, dass Brandy Melville wie selbstverständlich Salz in Millionen potentieller Wunden beeinflussbarer Teenagerherzen streut: „They’re getting a really toxic message of what makes them worthy. All that matters is your body type,“ so Simmons weiter. Und als seien all die gephotoshopten Magermädchen in den Medien noch nicht genug, zeigen diverse Twitter-Meldungen, wie real der Druck ist, der durch das Konzept von Brandy-Melville zusätzlich auf die oft minderjährigen Kundinnen ausgeübt wird:

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Was die großen Fische hinter Brandy Melville selbst dazu sagen? Na, ist doch logisch: Wem die Klamotten nicht passen, dem bleiben noch immer Accessoires – Handtaschen und Ketten würden schließlich jedem stehen. (USA Today)

Hier lang geht es zu einem offenen Brief an Brandy Melville.

Bilder: Brandy Melville Instagram

26 Kommentare

  1. Sveni

    Zum Glück gab es das noch nicht, als ich zwischen 14 und 18 war und gute acht bis zehn Kilogramm mehr auf den Hüften hatte. Das hätte die eh schon vorhandenen Selbstzweifel noch angefeuert. Dass die aber nie ganz verschwinden, hab ich gerade bemerkt, als ich mich beim Gedanken ertappt hab, beim nächsten Berlin-Besuch doch mal in eine solche Hose reinzuschlüpfen…

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  2. Greta

    Oh Gott….Wie furchtbar…. ich bin so froh, dass ich nicht mehr 14 bin. Ich habe bestimmt 10 Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass ich nicht pummelig/mollig => häßlich bin, sonder einfach normal/schlank. Ach ich will garnicht mehr weiterschreiben, und all die Dinge, dir mir so spontan einfallen wie Frauenkörper kontrollieren, Bodyshaming, Vielfalt fördern, Menschen in Ruhe lassen, Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (dazu gehört auch eine individuelle Figur zu haben) ausführen, so traurig macht mich das und so großes Mitleid habe ich für diese jungen Frauen.
    Aber wir sind auch so schlecht Vorbilder…Wir, also erwachsene Frauen, die freier entscheiden können, in welchem Umfeld sie sich aufhalten, reden ja auch viel zu viel von unseren „Problemzonen“. Hattet ihr nicht sogar dazu mal einen Artikel? Wenn man nur gefotoshoppte Kackscheiße zu sehen bekommt und es außer Lena Durham keine erfolgreichen nicht-dünnen Frauen in der Popkultur gibt, was soll man denn da machen? Wenn alle weiblichen Vorbilder um einen herum auch noch anfangen zu weinen, wenn sie nicht mehr in die Jeans passen, die sie als 16-jährige gekauft haben???

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  3. Carolin

    Liebe Nike,

    wie verrückt und perfide die Welt doch immer mehr wird. Da kann man nur froh sein, wenn man sich jenseits der Pupertät befindet und gleichzeitig an sich selbst appellieren, dass man es schafft seine Töchter, wenn man denn mal welche hat, zu solch selbstbewussten, starken und klugen Frauen zu erziehen, dass sie die Kraft haben werden bei diesem ganzen Zirkus nicht mitzumachen. Vielen Dank für diesen Beitrag, der einem auch die unschönen Seiten der Modewelt vor Augen hält.
    Liebe Grüße

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    1. Amir

      Es ist nichts gegen dich, aber es würde mich so freuen, wenn Leute endlich aufhören würden Pubertät falsch zu schreiben. Vor allem im Zeitalter von Autokorrektur.

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  4. REDSteffi

    Abartige, kranke (Mode)Welt. Zum Glück bin ich kein Mädchen mehr, sondern eine Frau und beuge mich diesem Druck nicht (mehr). Wenn solche Labels von allen Käuferinnen verlangen, körperlich wie ein 12-jähriger Knabe auszusehen, dann grenzt das an Perversion. Nicht nur der Magerwahn ist ärgerlich und gefährlich, auch die Gleichschaltug. Jeder will zwar individuell sein – aber in der Realität rennen lauter gleiche Abziehbilder durch die Gegend. LG Steffi

    http://www.redseconals.com

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    1. maria

      Ich kann Deine Gedankengänge und Wut nachvollziehen, jedoch sollte hier auch beachtet werden, dass Bodyshaming nicht nur in eine Richtung geht, sondern dass „körperlich wie ein 12-jähriger Knabe auszusehen“ auch eine Abwertung des weiblichen Körpers ist.
      Um eine Sache gut zu finden, muss man eine andere nicht niedermachen.

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      1. Chael

        Bin ganz bei dir: Körper kommen in unterschiedlichen Formen und Größen, keiner davon ist „falsch“ oder „richtig“.

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  5. Kali

    Ich liebe solche Beiträge, weil ich mich zuweilen für genau den perfekten Typ Mensch halte, an dem solcherlei wahnwitzige Mo-de-monstration total abprallt. Ich war als junges Mädchen eine Kandidatin für „magersüchtig“. Zwar war ich´s nie, ich war einfach von Natur als dürr, doch ich habe es gehasst. Ich habe kaum zugenommen, alle fanden meine „Form“ erstrebenswert und ich konnte mich im Bikini nie leiden.
    Inzwischen bin ich sowas von heilfroh, dass mir echte „Formen“ gediehen sind und ich in keine XS oder Größe 0 (oder wie sowas genannt wird) mehr passe.
    Ich ließe mich nur zu gern für eine Mode begeistern, die aus dem Bild des „Strichs in der Landschaft“ das einer attraktiven Frau macht, die sich selbst schön findet, die ihren Körper liebt. Hosen, die einen knackigen, runden Po machen, Shirts die bequem sind und trotzdem der Figur schmeicheln… hach ja, das wäre schön <3

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  6. Lara

    Ehrlichgesagt, finde ich es furchtbar, dass schlank automatisch mit mager gleichgesetzt wird. Man könnte meinen, die Welt besteht nur aus kurvigen Frauen und Magersüchtigen, nichts dazwischen. Was ist denn, wenn man von Natur aus schmale Hüften und wenig Busen hat? Ich war immer flach: wenig Po, schmale Hüften, kleiner Busen, bei einer Körpergröße von 1,63 (‚petite‘ heisst das heute). Keine weiblichen Rundungen, kein großer Busen oder J-Lo Hintern. Ich hätte auch Komplexe bekommen können. Und ja, mit 14/15 habe ich keine Klamotten gefunden, die nicht schlabbernd runterhingen, 34 sah aus wie 44. Früher (und auch heute noch) gibt es genug Frauen, die in der Kinderabteilung einkaufen, weil 164 ihnen einfach besser passt.

    Alle wollen schlank sein, aber die Schlanken sollen sich schämen?!? Das ist doch pervers. Und außerdem: es gibt genauso Marken nur für Übergrößen, soll ich jetzt sauer sein, weil ich da nicht einkaufen kann?

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  7. JARA

    Die Aussagen von Simmons, die hier zitiert werden, klingen natürlich echt irre und daneben. Auf der anderen Seite: Brandy Melville kommt ja scheinbar ursprünglich aus Italien und da ist One Size nicht ganz so unüblich. Ich hab mir bei denen auch schon mal in Rom Sachen gekauft, wobei ich gar nicht wusste, dass die so eine exklusive Größenpolitik betreiben, sondern bin da eher reingestolpert. Allerdings bin ich weder dick noch dürr und mir hat alles gepasst, ohne dass ich jetzt hungern würde oder man mich mit nem Magermodel verwechselt. Ne Jeans hab ich allerding nicht probiert, eher die schlabberigen Teile. Dass die sich über ihre Größen allerdings pseudoexklusiv machen wolle, find ich lächerlich. Das soll wohl ausgleichen, dass vieles sonst nicht so hochwertig ist. Man kann nur hoffen, dass den Teenagern jemand sagt, dass es kein Privileg ist, in diesen „Club“ zu gehören, sondern ne Scheiß-PR-Masche.

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  8. Zehra

    Liebe Nike, Danke für diesen wertvollen Beitrag! Mode ist für Menschen gemacht und nicht Menschen für Mode!
    Nicht der Körper muss in die Sachen passen, sondern die Sachen müssen an den Körper passen!

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    1. Mareike

      Aber das ist ja eben der Punkt.
      Wenn wir uns die Models anschauen, dann ist klar, dass die Zielkundschaft 14Jährige sind.
      Als ich damals 14 war, hätte ich mir genau ein solches Geschäft gewünscht. Dass mich aufgrund seiner Größenpolitik auf dem Weg zum Frausein begleitet und Kleidung anbietet, die meiner noch androgynen Figur passt und steht.
      Als Mitte 20jährige Frau sich über sowas zu echauffieren, finde ich übertrieben und unangemessen.
      Da hilft auch kein Artikel übers Skinnybashing wie angekündigt.
      Offensichtlich scheint ja niemand so richtig mit seinem Körper zufrieden zu sein und so wird jede Marketingidee direkt als Bashing gesehen.
      Ich denke daher ist es wichtig einen Bezug zwischen Werbung und Zielgruppe zu ziehen.

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  9. Nina

    Wow, als ich das gelesen habe, war ich im ersten Moment wirklich sehr schockiert und fragte mich selbst, ob das überhaupt möglich ist. Aber wie es scheint, gibt es nichts, das es nicht gibt. Ganz furchtbar zu versuchen alle Menschen in eine Größenschublade zu stecken. Ganz schlimm finde ich es jedoch für die Mädchen, die gern dort einkaufen würden, weil ihnen einfach die Mode gefällt und die es nicht dürfen/ können.

    Ganz liebe Grüße
    Nina
    http://ninaitwanina.blogspot.co.at/

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  10. Jacqueline

    Ich selbst arbeite im Schuheinzelhandel und selbst da fangen die Mädels, egal welchen Alters, auch die Generation 40+,an, sich Gedanken um ihre Schuhgröße zu machen…
    Da gehts dann wirklich darum, dass eine 37!!!! zu groß ausschaut, weil eine 36 ja viel hübscher aussehen würde…
    Ich weiß wirklich niiie, was ich darauf antworten soll und ich find es furchtbar, dass wir in so einer Gesellschaft leben.
    Was ist mit Ausstrahlung, Charakter? Es zählt wirklich nur noch Size Zero und viele setzten sich viel zu sehr unter Druck.
    Schön sind doch alle die, die sich selbst schön finden!! Und nichts anderes zählt!

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  11. Yvonne

    Danke, für diesen tollen Artikel. Ich mochte die Marke wirklich gerne und habe bei eurem Artikel gemerkt, wie wenig ich eigentlich das Konzept hinterfragt habe. Ich habe mich gewundert, aber pam – die Mauer geschlossen und nicht weiter darüber nachgedacht. Danke, fürs Augen öffnen, weiterdenken, über die Grenzen hinaus denken und vor allem: versuchen dafür Verantwortung zu übernehmen und es in der Zukunft vielleicht ein Stückchen besser zu machen.
    Alles Liebe,
    Yvonne

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  12. Lena

    Ich freue mich auch immer, wenn ich mal so einen Artikel lesen kann! An einige der Vor-Kommentatoren: auch in der Zielgruppe der 14-jährigen gibt es Mädels wie mich damals, die in einer Levis 501 Größe 32/30 haben und deswegen in BM Klamotten bestimmt nicht reinpassen würden und dadurch echt geknickt wären! Diese PR Strategie ist für mich pures Mobbing. Da lob ich mir Firmen wie ASOS, die sowohl „petite“ als auch „curvy“ anbieten. Die Größen müssen sich nach den Körpern richten und nicht anders herum!

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  13. Lena

    PS: wenn ich die Stöckchenbeine der Mädels in der Werbung oben sehe wird mir ganz anders. Natürlich gibt es auch dünne oder gar staksige Teenie-Beine, aber das dann als Ideal für Alle darzustellen-schlimm! Viel spannender würde das Foto aussehen, wenn alle unterschiedliche Beine hätten!

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    1. Hannah Freude

      Liebe Lena, das was du hier schreibst (Stöckchenbeine) ist GENAUSO Bodyshaming/Mobbing wie die one-size Wirtschaft von Brandy. Nur weil jemand von Natur aus schlank geraten ist oder gerne Sport macht, muss man ihn nicht als schlecht darstellen.

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  14. Pingback: Passt es dir nicht, bist du zu mager

  15. Lena

    Wenn man die wachsende Zahl der ungesund übergewichtigen Menschen in unserer Gesellschaft sowie die steigenden Prozentanteile der Teenager darunter betrachtet, könnte man zugeben müssen, dass eine Sonderstellung derer, die noch eine sportliche Figur besitzen nicht verwerflich ist. Ich jedenfalls bin absolut zufrieden mit dem Brandy Melville Konzept, da ich mir dort sicher sein kann, dass mir die Sachen, die mir gefallen auch passen. Ihr solltet neben eurem Antimagerhype nämlich auch jene nicht vergessen, die nicht mit soviel Leibesfülle „gesegnet“ sind und heutzutage wirklich Probleme haben, in normalen Läden Kleidungsstücke zu finden, die nicht zu groß sind. So ist es nämlich: 80% am Markt sind bereits an „normale“ und „mollige“ Körper angepasst und gegen den Rest wird gehetzt, weil schmälere Größen ja den Magerwahn unterstützen. Könnt ihr mir bitte einfach auch was zum Anziehen übrig lassen!

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  16. Dana

    Großes Lob an euch und Daumen hoch für diesen Beitrag! Ganz schlimm. Schön das ihr das auch so seht und darauf aufmerksam macht. Auch wenn ich evtl. in das eine oder andere Teil hineinpassen würde, darf man solch eine Firmen/Marketingpolitik keinstenfalls unterstützen. Mal abgesehen davon das die Produkte für Teenager doch ganz schön überteuert sind bei super-schlechter Qualität. Man möchte gar nicht wissen wie die Sachen produziert werden. Die Mädels vor Ort im Shop sehen im übrigen auch nicht besonders glücklich aus.

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  17. Stella

    ich war schon in den laden brandy melville drinne und zu sagen das brandy nur für schmale mädchen ist ist komplett falsch.die meisten haben ein falsches bild davon.ich bin jemand der nur 0(32-34) tragdn kann bei jeans und xxs bis xs (xs ist mir öfters bisschen zu groß) trage und als ich die sachen anhatte waren sie nicht eng die meisten sachen haben nicht gepasst.aber die die gepasst haben habe ich gekauft.brandy ist eher für leute mit „normalen“ körper aber gibt auch für sehr dünne mädchen was, aber halt weniger wie für normale.leute die s haben denen werden die sachen an besten passen.von ein laden für dünne kann jemand wie ich nur träumen..wäre toll wenn es ein laden gäbe wie brandy mit one size nur halt für wirklich dünne leute.ich frag mich generell wann es mal auch läden gibt für extra dünne und nicht nur für übergrößen..

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