Zum drüber Streiten: Die Sache mit den Bandshirts…

26.04.2011 Musik, Wir, Leben

Ich mag Bands und ich mag Shirts. Aber wie sieht’s mit der allgegenwärtigen Kombination aus beidem aus? Bandshirts sind Segen und Fluch zugleich. Sie lösen Begeisterung und Hassparolen aus, sind Ausdruck von Zugehörigkeit und vermögen es, dem Träger mit dem Kauf eines solchen die erhoffte Portion Anerkennung mitzuliefern – sofern der bekennende Musik-Fan zum richtgen Logo greift und dann auch noch in die vermeintliche Subkulturen-Schublade passt. Andernfalls kann das Ganze ziemlich bitter ausgehen. Für alle Beteiligten.

Denn wie immer gibt es zwei Seiten der Medaille, viele Sichtweisen und einen gigantischen Streitpunkt: Wer darf Bandshirts eigentlich guten Gewissens tragen? Hinsichtlich dieses Themas klafft zum Beispiel eine riesige Wunde im Herzen des passionierten Konzertgängers. In der Seele des eingefleischten Fans, der diesen überteuerten Merchandise-Artikel im todesmütigen After-Concert-Geschubse am Stand neben der Jackenausgabe ergattert hat. Der seit Jahren auf dieses eine Konzert seiner Lieblingsband gewartet hat, um anschließend die glorreiche Trophäe in Stoffform in den Händen halten zu können. Dann der Schock: Eine Woche später im Supermarkt. Eine vierzehnjährige Tussi streicht sich eine Peroxid-Strähne aus dem Haar, während sie mit ihren Leoparden-Pfennigabsätzen auf dem Diätjoghurt ausrutscht, der ihr gerade aus ihren widerlichen mit Strassteinen verzierten Fingernägeln gerutscht ist. Auf ihrer Brust: ein SLAYER-Schriftzug. „Warst du auch auf dem Konzert am Freitag?“ – „Häh??“. What The Fuck.

Dolce & Gabbana 2008

Es gab Zeiten – und hier stimme ich missmonster zu – da wusste man noch, wo man dran ist, wenn einer „Bikini Kill“, „Motörhead“ oder „David Bowie“ auf sein Oberteil gebügelt hatte. Einvernehmen, sekundenschnelle Sympathie, kurzweilige Verknalltheistanflüge oder auch insgeheime Fragezeichen im Kopf, die sich angesichts des offensichtlich unterirdischen Musikgeschmack des Gegenübers bildeten. Ob man das, was der andere da mit sich umher trug nun selbst vergötterte oder genial daneben fand, war einerlei, aber zumindest hatte das alles noch was mit der Musik an sich zu tun, statt mit einem seltsam ausgeprägten Ego.

Wo wir wieder beim Thema wären: Mann kann und sollte niemandem verbieten, Nirvana, BOY, Beatles und Co freien Geistes auf seiner Kleidung spazieren zu führen. Darüber empört sein darf man aber sehr wohl. Denn wenn man tatsächlich einen persönlichen Helden hat, der von großen Modeketten à la H&M urplötzlich zum Hype-König empor gehoben wird, um darauf hin von unwissenden Modegeiern in den Dreck gezogen zu werden, dann tut mir das tatsächlich in der Seele weh. Neulich sah ich ein hübsches Mädchen mit tollem Geschmack und David Bowie-Jutebeutel. Automatisch dachte ich „Klasse, von Ziggy Stardust hat sie sicher noch nie was gehört und trotzdem meint sie, sie sei mit Bowie im Gepäck die personifizierte Hipness.“

Die sind jedenfalls noch true.

Es ist wahrscheinlich, dass besagte junge Dame nicht mehr als Bowies Hit „Heroes“ kennt, sicher kann man aber nie sein. Und hier zeigt sich das Problem: Das Tragen von Bandshirts lässt uns inzwischen alles andere als authentisch wirken. Egal, ob wir für eine Auferstehung Kurt Cobains töten würden oder Slayer den Soundtrack zu unserer Jugend geliefert hat – abnehmen würden uns das auf den ersten Blick sicher keiner mehr. Danke H&M dafür, dass ihr John Lennon und Yoko Ono ihre Würde genommen habt. Danke Dolce&Gabbana, dass ihr David so toll findet. Danke intoleranters Hirn, dafür, dass du mich gerade mit so vielen Aufreger-Hormonen versorgst. Nun denn. Anscheinend ist nur noch auf die Turbo-Jugend Verlass. Turbonegro, liebes glitzernägeliges Mädchen von damals an der Supermarkt-Kasse – kennste?

Ich werde trotzdem irgendwann ein Bikini Kill Shit besitzen. Basta. Und welches tragt ihr trotzdem?

6 Kommentare

  1. katja

    spannender und durchaus mitreißender artikel, ich steh dem thema auch zwiegespalten gegenüber. es wäre schön, wen man anhand des shirts immernoch gleichgesinnte erkennt. aber ich denke wenn man genau hinsieht, funktioniert das schon. ich denke die anzahl der echten slayer-fans, die glitzernägel haben, beträgt null 😉

    ich trage nur zwei bandshirts: ein uraltes joy division tshirt von meinem freund, das fast auseinander fällt, und seit kurzem ein the cure tshirt, das ich mir endlich passend zum schon vergilbten poster in meinem zimmer geholt habe. ich liebe beide bands, war aber noch nicht auf deren konzerten. bei joy division auch schwierig. bin ja erst sechs jahre nach deren auflösung geboren. und bei the cure steh ich am meisten auf die alben aus den 80ern. irgendwann möchte ich robert smith aber schonmal live sehen.

    boy ist aber doch keine band? aber ist schon ein ähnlicher sachverhalt. den ursprung und die geschichte der marke sollte man schon kennen, wenn man die shirts jetzt stolz durch die clubs trägt.

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    1. Nike Artikelautorin

      liebe katja, ich denk auch schon so lang drüber nach, mir trotzdem ein david bowie shirt zuzulegen, obwohl ich ihn nie live sah. ich verbinde aber eine ganze menge mit ihm, was ich wohl auch meinem freund zu verdanken habe. du hast schon recht, man sollte vielleicht nicht so viel drauf geben. im grunde ist es egal, was irgendwer denkt. aber der beigeschmack ist trotzdem doof. :/
      meinst du boy london? BOY ist aber tatsächlich eine band. eine sehr schöne, wie ich finde. hier, schau mal:
      http://www.youtube.com/watch?v=ctgLh7ekE1s
      liebst,
      nike

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  2. Marie

    Ja, diese Frage habe ich mir auch schon oft gestellt, ich bin Heavy Metal Fan, trage ab und an Bandshirts und liebe Katja auch mal glitzer Nägel, auch wenn ich auf Slayer und ca abfahre 😀

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  3. jule

    hey,
    interessanter artikel..ich stand dem thema auch erst zwiegespalten gegenüber, dann habe ich mich aber doch sehr gefreut als es bei h&m das madonna shirt mit dem cover meines lieblingsalbums gab. mir ist es relativ egal, ob die leute mich für eine musikkennerin halten oder nicht. sollte jemand anderes david bowie tragen und keine ahnung haben, reicht es immerhin zum lästern 🙂

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  4. katja

    achso, ja ich meinte boy london. hätte ich vielleicht dazu schreiben sollen. die band war mir bisher unbekannt. danke für den tipp 🙂

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