Die grüne Modewelle – Teil 1: „Ursprung, Messen & Hochschulen“

23.02.2012 Allgemein, Mode, Trend

Rümpften wir noch vor Jahren die Nasen, gilt es jetzt längst als Kult: „Eco Fashion“. Viel diskutiert, getragen und gehypt. Doch wer und was stecken hinter den nachhaltigen Kreationen? In den kommenden Wochen stellen wir Design-Studenten und deren Projekte vor, zeigen die neuesten Eco-Labels und Kollektionen der großen Modefirmen, die grüne Mode anbieten. 

Wie alles begann…

Saskia saß von der ersten bis zur dritten Klasse neben mir. Dicker, blond geflochtener Zopf und eine große Zahnlücke zwischen den Vorderzähnen. Auf dem Schulhof stand sie immer allein und auf Klassenfahrt wollte niemand mit ihr in ein Zimmer. Woran das lag? Bis heute glaube ich den Grund zu wissen: ihre dunkelgraue, übergroße Cord-Latzhose. Qualitätssiegel Bio-Baumwolle von „Hessnatur“. Gefühlte fünf Mal umgekrempelt war dieses antike Stück Stoff über Generationen getragen wurden, und besaß einen unvergesslichen Eigengeruch, der mir noch knappe zwanzig Jahre später in der Nase hängt – der Duft von Mottenkugeln. Und genau das war Saskias Problem. Sie roch von Montag bis Freitag, Sommer wie Winter, von der ersten bis zur dritten Klasse nach alter Kleidung.

Was man ihr nicht zum Vorwurf machen kann. Ihre Mutter war Vertreterin des Öko-Chics der 90-er Jahre. Zu diesem Zeitpunkt wusste der Trend selber noch nicht, dass er in naher Zukunft einer werden würde. Saskias Mutter kaufte alle Lebensmittel im muffigen Demeter-Laden ein, damit die Kinder immer ausgewogenes Dinkelpausenbrot mit Hefepaste essen konnten. Die vor Jahren gekaufte Hessnatur-Kleidung der vier Geschwister flickte sie immer so liebevoll, dass die Kleinen gar keine Chance auf neue Klamotten hatten. So gingen die Phasen der Delphin-Leggins, Riesenschlaghosen und verboten tiefsitzenden „Miss-Sixty-Jeans“ komplett an Saskia vorbei. Dann kam alles anders… Für uns war öko immer doof, miefig und uncool – bis jetzt. Auf einmal ist „Green Fashion“ ein stylisches Lebensgefühl, das zum guten Ton gehört. In unseren Köpfen hat sich was verändert. Es geht nicht mehr nur um günstige Masse, sondern um nachhaltige Qualität. Gekauft werden Kleider aus Organic Cotton, Shirts aus Mischfaserstoffen oder Taschen aus Rhabarberleder.

Auch auf der diesjährigen Fashion Week in Berlin wurden die neusten „grünen Kollektionen“ vorgestellt. Auf der PREMIUM, dem GREENshowroom und der Ethical Fashion Show wurden die neuesten Designkreationen präsentiert. Alte und junge Labels zeigten eindrucksvoll, dass bewusstes Kleiden eine große Zukunft hat. Stylish und einfach unfassbar gut, unterscheidet sich diese Mode nur noch in der guten Qualität von bekannten „Nicht-Eco-Labels“.

Und was ist mit den Jungen?

Bilder aus dem Lookbook von Chaserbrand.

Das „Eco-Fashion“ ein großes Thema für die heranwachsenden Designer ist, zeigt das große Angebot an Design-Studiengängen, die sich den Themen Ökologie und Nachhaltigkeit widmen. Allein in Berlin kann sich der Designer-Nachwuchs an vier Hochschulen, Mode- und Berufsfachschulen ausbilden lassen.

Die Kunsthochschule Berlin-Weißensee gründete 2010 das GreenLab. In diesem Projekt lernen Studierende, Design im globalen Zusammenhängen von Ökologie, Ökonomie, Gesellschaft und Kultur kritisch zu betrachten und setzt bei den jungen Kreativen Impulse für Nachhaltigkeitskonzepte. So entstand 2010 auch das Projekt „SAKURA“ der Studentinnen Juliane Schäfer und Malin Bernreuther. Sie wollten ein Produkt schaffen, das der Natur nicht schadet, kreislauffähig, optisch ansprechend und vielseitig ist. Herausgekommen ist eine Kollektion in der Kirschkerne verarbeitet wurden. Durch erhitzen oder kühlen der Stücke, können die Designerteile noch zu therapeutischen Linderung von Schulter- und Rückenschmerzen beitragen.

Ähnlich wie in Weißensee gibt es Projekte an der Modeschule ESMOD in Berlin, die Modedesigner ausbildet. Sie hat ein eigenes Charity Label „Collection of Hope“, unter diesem Namen entwerfen Modestudenten ökologische Kollektionen.

Auch an der UdK Berlin werden im immer mehr Arbeiten aus Öko- und Recyclingmaterialien entworfen und die BEST-Sabel Berufsfachschule für Design bietet ihren Studierenden eine Art Naturstudium und arbeitet ausschließlich mit zertifizierten ökologischen Stoffen.

Die zukünftigen großen Designkünstler befassen sich schon längst mit dem bewussten Umgang von Mode und „Mode machen“ und nehmen uns voll ganz die Angst, allein auf dem Schulhof stehen gelassen zu werden, wie einst Saskia in ihrer übergroßen, dunkelgroßen Cord-Latzhose.

Text: Jessica Oemisch // Praktikantin

5 Kommentare

  1. Alf-Tobias Zahn

    Waren gerade mit Francois von der ESMOD auf den Etagen unterwegs und haben extrem viele Recycling und Upcycling Kreationen gesehen. Toll, welche Kreationen bei den NachwuchsdesignerInnen enstanden sind und weiterhin entstehen (werden).

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  2. Frl_Emma

    Dein Beitrag zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen.
    Als ich als Nordlicht – verliebt in einen Düsseldorfer und daher nun dort lebend – mit dem Aufbau vom kleinen Onlineshop http://www.definitions-sache.de begann, war das Ziel „typische Produkte aus meinem geliebten Schanzenviertel“ virtuell zu vermarkten.
    Einfach mal andere Marken sehen. Die Antwort auf die Frage nach meinem „USP“ gab mir dann auch die Antwort darauf, warum ich immer fand, dass die Marken die ich als „Besonders“ betitelte auch besonders waren. Handgemacht, ökologisch korrekt, produziert in kleinen Manufakturen, sozial engagiert oder einfach nur „nicht auf Masse geplant“ liessen schon immer mein Herzchen höher schlagen. Die Esprit’s dieser Welt habe ich schon immer gerne gemieden.
    Daher finde ich es besonders schön, dass innerhalb der letzten 7 Jahren ein so deutlicher Aufschwung auf dem öko-sozialen Markt statt gefunden hat und fairer Handel für viele Verbraucher schon fast zur Selbstverständlichkeit gehört. Zwar besiegt ein Markenname noch immer das „Made in China“, aber nicht jedem ist bewusst, unter welchen Umständen seine Lieblingsjeans oder Paillettenkleidchen produziert wurden. Je mehr wie berichten, desto mehr wachen auch jene auf und desto mehr ändert sich das Angebot – und die Nachfrage. Ich freue mich schon auf Teil 2 🙂

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