#WomenWeLike // Jessie Cave

16.08.2016 Menschen, box1, Feminismus

women we love jessie caveJessie Cave ist das nerdige Mädchen mit der Riesenbrille, das im Internet alles über sich teilt – eigentlich aber unter Riesenkomplexen leidet. Und die verarbeitet die Schauspielerin, Komikerin und Künstlerin auf ihre ganz eigene Weise.

Jessie Cave war lange Zeit als das Mädchen bekannt, das mit nervtötender Stimme „Won-Won“ kreischt und mit Harry Potters bestem Freund Ron Weasley (eben jenem „Won-Won“) rumknutscht – bevor sie dann im Kampf gegen Voldemort eherenvoll stirbt. In Wahrheit hat die Londonerin wohl wenig mit der von ihr in den Harry Potter-Filmen verkörperten Lavender Brown gemeinsam. Ein bisschen zaubern kann sie aber trotzdem.

Natürlich nicht mit einem Zauberstab. Nein, Jessie Cave braucht nur ein paar Filzstifte, um ihre sogenannten „Doodles“ zu Papier zu bringen: kleine Sketche, die stark an Kinderzeichnungen erinnern. Der Stil ist natürlich gewollt kindisch, denn zeichnen kann Cave – sie hat Illustration und Animation an der Londoner Kingston University studiert. Caves Doodles (2015 erschien die Doodle-Sammlung Love Sick) werden bevölkert von neurotischen, unsicheren und meistens furchtbar nervigen weiblichen Charakteren. Charaktere, die bereit sind, sich für ihren Partner völlig zu ändern, sich von ihm ständig Bestätigung wünschen und ansonsten passiv-aggressive-Gespräche mit ihren Freundinnen führen – beziehungsweise mit Menschen, die irgendwie als Freundinnen gelten, man aber eigentlich nicht mehr so genau weiß, warum. Cave macht gar keinen Hehl daraus, dass in jedem Doodle eine gute Portion ihrer eigenen, nervösen und überängstlichen Persönlichkeit steckt. In einem Interview mit dem britischen Independent sagte sie: „I’m quite ridiculously honest about everything online. And actually, I think if nothing else, just be honest.“

via Instagram

Foto: Instagram @jessiecave

Eine Beziehung wie aus einer Rom-Com

Und ehrlich, das ist Jessie Cave. 2015 stellte sie ihre One-Woman-Show I Loved Her auf dem prestigeträchtigen Kulturfestival Edinburgh Festival Fringe vor, in der sie ihre Neurosen ungehemmt dem Publikum präsentiert: Eine Stunde im Kopf einer liebeskranken Frau. Kritiker und Publikum waren begeistert. Cave hat tatsächlich genug Rohmaterial, das sie für ihre Shows und Doodles benutzen kann – vor allem ihre Beziehung zu Alfie Brown, ebenfalls Komiker, bietet nahezu unendliche Inspiration. Cave und Brown wurden 2014 Eltern eines Sohnes, Donnie. So weit, so gut. Die Liebesgeschichte der beiden erinnert aber tatsächlich an den Film Beim ersten Mal von Judd Apatow: Wie die Filmprotagonisten hatten Cave und Brown einen One-Night-Stand, der prompt zu einer Schwangerschaft führte. Und wie im Film beschlossen sie, es doch einfach mal miteinander zu probieren. 2016 kam Baby Nummer zwei.

Foto: Instagram @jessiecave

Foto: Instagram @jessiecave

Laut Jessie Cave war sie zuvor noch nie in einer Liebesbeziehung, Alfie Brown hingegen war sogar verheiratet. Bei Cave führte diese Entwicklung – plötzlich verliebt, plötzlich in einer Beziehung, plötzlich Mutter – zu einer kleinen Krise. Dem Guardian erzählte sie: „Today, with Instagram, Twitter, Facebook and everything, you can find out what someone is like very very easily, just by going on your phone. These inventions have made us much more prone to being completely mad in love – and I’m addicted to all of them.” Folglich verbrachte die Frischverliebte eine Menge Zeit damit, ihren neuen Freund und seine Ex-Freundin online zu stalken. Liebe in Zeiten des Internets eben. Dass das Ganze völlig verrückt und ungesund ist, weiß Cave natürlich. Ihr Talent besteht genau darin, ihre Verrücktheit zu beobachten, anzuerkennen und dann in Kunst zu verwandeln – begleitet von ihrem eigenen, imaginären Hände-über-dem-Kopf-Zusammenschlagen angesichts dieses Irrsinns. Über ihre Show sagte Cave: „It’s me opening my heart and saying, please, just listen to me and like me. Please don’t judge me. I felt soooo exposed.”

Foto: Instagram @jessiecave

Foto: Instagram @jessiecave

Teilen – immer, überall, mit jedem

Dieses Gefühl des Entblößtseins halt Jessie Cave aber nicht davon ab, sich selbst immer und immer wieder zu, nun ja, entblößen. Zum Beispiel in ihren lustigen, kurzweiligen Vlogs. In Vlog eins erklärt Cave: „I have an incessant need to share everything with everyone at all times.” Den Vlog, so erfahren die Zuschauer dann auch direkt, gibt es unter anderem deswegen, weil Cave kein Geld mehr hat, um ihre Webseite zu betreiben – sie muss stattdessen Windeln für ihr Baby kaufen. Überhaupt spricht Cave gerne und ausgiebig über ihre beiden Kinder und was es bedeutet, Mutter zu sein. Offen, ehrlich und meistens unglaublich komisch (das Kind hat ins Bad gemacht, der Hund hätte das Produkt dieses Vorfalls fast gegessen, usw.). Die Geburt Donnies hat Cave direkt von ein paar ihrer schlimmsten Neurosen geheilt: „When I was single and living alone, a huge part of my day was online, and that’s the norm for so many people. But now my stalking and obsessions and neuroses I have to kind of minimize to five minutes a day when he’s not looking at me.” Zusammen mit ihrem Partner Alfie Brown widmet Cave sich in der Webreihe Chop Logic außerdem dem Beziehungsalltag eines Paares („I like forced fun!“).

Jessie Cave

Im Prinzip ist Jessie Cave das nerdige, schüchterne Mädchen mit der riesigen Eulenbrille, den bunten Klamotten und der ständigen Angst, sich lächerlich zu machen. Das Mädchen, das gerne und ausführlich über sich selbst spricht – das aber eigentlich nur tut, um mit sich selbst besser klarzukommen. Trotzdem ist Cave ihren eigenen Weg gegangen, hat Möglichkeiten gefunden, ihre schlechten Seiten in etwas Positives zu verwandeln. „I question my life every week and that’s what my drawings are about“, sagt Cave. “I think it’s okay to be a bit insane.”

6 Kommentare

  1. Madlén Bohéme

    Ich liebe euren Blog genau deshalb, weil er so ehrlich echt und eben nicht konstruierte Personen zeigt, die nur fröhlich überteuerte Scheisse in die Kamera halten…das ist natürlich auch Ok und ich würde es hin und wieder auch tun, wenn es das Bankkonto ergibt…for real. Also Merci.

    Liebst,

    http://www.madlenboheme.com

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    1. Julia

      Mh, das ist etwas unklar. Ich habe es im Film immer so interpretiert, dass sie da stirbt – aber offenbar sind mehrere Deutungen möglich.

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