Das hier soll überhaupt kein ausufernder Text über die Deformierung der Realität mithilfe von Photoshop & Co sein, kein Vorher-Nachher-Bericht, sondern ein kleiner Reminder. Insbesondere nach unserem Shooting für Isabel Marant pour H&M erreichten mich Nachrichten, die mich ein kleines bisschen verunsicherten. „Hast du abgenommen, du siehst so schlank aus auf den Fotos“, oder „so schön wie ihr müsste man sein.“ Ich meine, hallo. Ich war gerade im Urlaub, habe tonnenweise Tapas verdrückt und meine Haut befindet sich in etwa auf dem Reinheitsstand eines Pubertisten. Das Leben ist schließlich kein Fashion-Shoot.
Offensichtlich vergessen wir trotz unseres Wissens über kleine Hilfsmittel jedweder Art immer und immer wieder, dass professionell geschossene Bilder so gut wie nichts mit der Realität zu tun haben. Dass da geübte Fotografen am Werk sind, die genau wissen, in welchem Winkel man das Birnenbecken zur Kamera drehen muss, um es optisch schrumpfen zu lassen. Dass findige Computermenschen imstande sind, Pickel binnen Sekunden wegzuradieren und schiefe Gesichtszüge zu korrigieren. Dass jedes Magazin, das wir in den Händen halten zu 100% aus Schummeleien besteht. Es gibt also nicht der geringste Grund für Selbstzweifel. Und ich schwöre: Auch ein Outfitpostschnappschuss, der längst nicht so hübsch ausschaut wie oben genannte Bildexemplare, erfordert ein bisschen Geschick. Mein Gesicht braucht morgens nämlich auch mindestens eine Stunde, um sich zu entknautschen.
Natürlich betrachte ich manchmal auch solche mühevoll erarbeiteten Fotos meiner Selbst und wünsche mir, des Öfteren mal ähnlich grazil oder attraktiv daher zu kommen. In Wahrheit schleppe ich nämlich eine Brille mit mir herum, züchte ein mehr oder weniger stumpfes Haargestrüpp auf meinem Kopf, lächle mit einem Zahn, statt einer Zahnlücke in der Mitte meines Mundes (alles etwas nach links verschoben), trage einen minikleinen Höcker auf der Nase herum und starre mit zwei unterschiedlich großen Augen durch die Welt. Auch meine Brüste sind nicht exakt gleich groß, so wie bei 90% aller Frauen. Mein Bauch sieht an manchen Tagen geschwängert aus und Hüfthosen halten meinen Waffel-Speck in Zaun. Und ganz ehrlich: Stellt euch vor, ich würde permanent mit einem schräg gelegten Kopf von A nach B robben, den rechten Beckenknochen etwas vorgeschoben und meine Augen lasziv zusammen kneifend, bloß um meinem Foto-Zwilling im echten Leben ein bisschen ähnlicher zu sein. Gott sei Dank ist das überhaupt nicht nötig.
Denn ohne unsere kleinen und großen Makel wären wir nichts weiter als ein trostloser Haufen Klone.