Manchmal, wenn das Internet über Social Media oder wir Blogger_innen über Veränderungen in der digitalen Welt schreiben, frage ich mich, wer von euch wohl längst mit rollenden Augen vor dem Bildschirm sitzt. Man kann sich auf der einen Seite nämlich köstlich darüber amüsieren, wie bierernst scheinbar nebensächliche Themen zuweilen diskutiert werden, andererseits haben wir es hier faktisch mit einem mittlerweile millionenenschweren Business zu tun: Wer viele Follower vorzuweisen hat, etwa auf Instagram, rüttelt häufig heftig am Kooperations-Baum. Das ist neu. Früher galt: Je höher der Traffic auf der eigentlichen Website, desto besser – Social Media existierte ausschließlich als positive Begleiterscheinung. Heute jedoch läuft der Hase oft komplett anders herum, die hellsten Sterne am Himmel der sozialen Medien kommen gar komplett ohne Webseiten aus. Instagram-Ikonen und Snapchat-Profis lassen vorrangig schöne Bilder statt getippten Content sprechen. Und zwar sehr zur Sorge der schreibenden Blog-Front. Auch ich erbrach mich erst jüngst verbal auf das Phänomen mit dem gelben Geist – bis ich prompt zur Bekämpfung meiner offenbar frühzeitigen Vergreisung zum Selbsttest überredet wurde und schließlich höchst vergnügt aus der Woche voller „Snaps“ hervor ging. Es kommt womöglich also nicht darauf an, was wir konsumieren, sondern wie wir konsumieren. Wie berechtigt ist aber die mitunter handfeste Kritik an diversen, sagen wir mal, „Fast-Media“-Stars, die seit geraumer Zeit über unsere Smartphone-Displays hüpfen?
Sarah fragt sich derzeit beispielsweise öffentlich, ob der leichtfüßige Bunte-Bilder-Feed, der inzwischen in die Hände von Facebook übergangenen ist, womöglich geradewegs zum Wertverlust von Blogs und damit auch des geschriebenen Wortes führt, Masha gruselt sich ein wenig vor der Macht all jener, die ihr gesamtes Leben für Snapchat abfilmen und bei unseren Kolleginnen von Journelles geht es aufgrund des inflationär gebrauchten Begriffs „Digital Influencer“ heiß her. Die ersten beiden Diskussionen ließen mich beim Lesen mit dem Kopf nicken wie ein nach Futter suchender Spatz; da ist viel Wahres dran und die Kratzbürste in mir gab sich hoch erfreut über so viel Ehrlichkeit. Spätestens mit dem Gesprächsstoff-Beitrag von Jessie ließ sich aber ein kerniger Beigeschmack zwischen den Zeilen heraus lesen: Nämlich die omnipräsente Angst von uns alten Hasen, das junge Gemüse könne uns irgendwann von der Bildfläche verdrängen.
Man kann sich das, ganz vereinfacht dargestellt, in etwa so vorstellen: Da schreibt man sich jahrelang die Finger wund, brainstormt etliche Konzepte und flutet durchdesignte Seiten mit Herzblut, um am Ende schön blöd aus der Wäsche zu schauen, weil plötzlich eine ganz neue Generation von Internet-Bekanntheiten wie Unkraut aus dem Boden sprießt, zuweilen sogar meterhoch, ergo saumäßig erfolgreich. Ausschließlich durch das Hochladen makelloser Bilder und Sammeln hunderttausender Follower, versteht sich. Es ist also nur logisch, dass viele von uns am guten alten Content-ist-King-Prinzip Festhaltenden über Bauchweh klagen und darüber hinaus auf Krawall gebürstet sind; niemand wird gerne überholt. Damit allerdings begehen wir einen meines Erachtens mittelgroßen Fehler: Wir vergessen, dass wir nicht der Nabel der Welt sind. Dass ihr, die Rezipienten ganz allein entscheidet, wem ihr wo folgt. Dass in der digitalen Welt noch immer Platz für alle ist. Und dass sich ein Jeder, der über eine gewisse mediale Reichweite verfügt, seiner Vorbildfunktion im Klaren sein und damit endlich Abstand vom Konkurrenzdenken nehmen sollte. Andere doof finden, das ist schon ok. Andere mit Argwohn und einer subtilen Portion Missgunst zu beäugen schon weniger. Auf jeden Fall besser ist es, einfach gelassen zu bleiben. Selbstvertrauen zu haben. Und sich zu allererst an die eigene Nase zu verfassen. Da hat jemand 375.000 Instagram-Freunde und bezahlt damit seine Miete? Herzlichen Glückwunsch und vor allem: Respekt. Ich schaffe das nämlich nicht. Dafür bin ich in anderen Dingen gut.
Es ist selbstverständlich streckenweise richtig, aber vor allem schrecklich leicht, sich darüber zu echauffieren, dass diverse wie aus dem Ei gepellte Instagram-Kanäle die 500k-Grenze knacken, obwohl sie wenig innovativ erscheinen, darüber, dass der Einheitsbrei die Herrschaft an sich reißt, dass irgendwelche jungen, in teure Fummel gekleidete Frauen sich selbst als „Influencer“ bezeichnen, obwohl ihr Einfluss kaum messbar ist (aber durchaus denkbar und logisch). Es ist einfach, darüber zu schimpfen, dass dort im Handumdrehen Geld verdient wird mit Urlauben auf Bali und augenscheinlichem Müßiggang. Zu einfach. Denn wer selbst bloggt, weiß eigentlich, wie viel verborgene Arbeit hinter den Kulissen steckt. Wie viel Privatsphäre flöten geht, wie viel Arbeit so ein Shooting ist. Wie anstrengend es ist, ständig durch die Welt zu reisen und kaum Zuhause zu sein. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass die Allerwenigsten von uns tauschen wollen würden. Und ja, wieso nicht. Ich lese gerne Texte, schaue aber nunmal auch gern Bilder. Kritik am Marketingtool „Person mit gutem Aussehen“ ist ganz grundsätzlich dringend vonnöten und Aufklärung sowie Transparenz ein Muss, das allzu häufig unter den Marmor-Tisch gekehrt wird. Das steht außer Frage. Es ist nicht egal, dass Hunderttausende durch etliche Produktplatzierungen mal ziemlich aggressiv, mal eher unterschwellig zum Kauf stimuliert werden, rückgängig zu machen ist dieser Mechanismus jedoch vorerst nicht. Also: Augen auf beim Eierkauf. Sich dessen Bewusst werden und schlau entscheiden, wen wir uns zum Vorbild nehmen.
Nicht unerheblich ist außerdem der Zweifel an der Beständigkeit solcher Kanäle. Schnelligkeit und übermäßige gesponserte Beiträge bleiben zumindest im Angesicht mündiger Konsument_innen Gift für Authentizität, nicht wenige Instagram-Starlets werden von Firmen durchgenudelt wie nasse Handtücher und könnten schneller wieder in der Senke verschwinden, als wir überhaupt den „Folgen“-Button gedrückt haben. Aber: Es gibt auch jene, die sich schlichtweg völlig zu Recht großer Beliebtheit erfreuen dürfen. Und wer entscheidet überhaupt darüber, wer über eine sogenannte Daseinsberechtigung verfügt und wer nicht? Wohl immer noch der eigene Geschmack. Und mit dem muss der geschriebene Inhalt sämtlicher mit Liebe gepflegter Blogs nunmal mithalten können, um nicht zu verlieren. Ich bin mir übrigens ganz sicher, dass er das kann. Auch in Zukunft. Aber ganz gewiss nicht, indem wir die Foto-Königinnen auf der anderen Seite schlecht reden. Ein bisschen mehr gegenseitiger Support zum Beispiel, könnte beide Branchen eventuell sogar stärken. Warum nicht die, die sonst stumm bleiben, auf Blogs zu Wort kommen lassen? Womöglich steckt ja hinter vielen Fassaden mehr als ein hübsches Näschen, ausschließen sollte man diese Eventualität jedenfalls nicht. Bis dahin gilt für uns Blogger_innen: Ruhig bleiben. Auf die Leser_innen eingehen, neue Ideen sammeln, sich weiterentwickeln. Friedlich koexistieren, statt mit Giftpfeilen zu schießen. Damit wir nicht irgendwann an uns selbst ersticken, weil wir vergessen haben, dass nicht wir die wichtigsten Menschen in dieser Blubberblase sind, sondern ihr.
Bild: Gilda_Garzia_It