Kolumne // Von der Last, gefallen zu wollen

27.03.2019 box1, Kolumne

Im Kindergarten redete ich nicht viel, presste meinen abgegrabbelten Teddybären noch fester an mich, und hoffte, möglichst unbemerkt zu bleiben. Zu groß war meine Angst, etwas Falsches zu sagen und – für mich viel schlimmer – dabei auch noch zu laut zu sein. Ich wollte gemocht werden, am liebsten von allen. Geändert hat es sich bis heute nicht, ganz im Gegenteil, Plattformen wie Myspace und Instagram machen es mir seit meinem 17. Lebensjahr nämlich ziemlich einfach, mich meinen Ängsten vollends hinzugeben, mich anzupassen und an mir selbst zu zweifeln. Oft genug schwamm ich mit der Welle, postete das, was anderen gefällt, blieb dabei möglichst neutral und stürzte mich nach und nach in Identitätskrisen, die ich mit etwas mehr Selbstvertrauen ganz sicher hätte vermeiden können. Klar, jetzt geht es in diesem Punkt natürlich nur um die Selbstdarstellung auf irgendwelchen Plattformen, was durchaus zweitrangig ist. Mein Drang, möglichst allen gefallen zu wollen, zieht sich allerdings auch durch jegliche andere Lebenslagen, die mich tatsächlich mehr beeinträchtigen, als es mir lieb ist.

So tue ich mich zunehmend schwer, über Themen zu schreiben, die vielleicht nicht bei jedem Leser auf Zustimmung treffen. Gleichzeitig wächst die Angst davor, Fehler zu machen – denn immerhin, wer in der Öffentlichkeit schreibt, macht sich auch angreifbarer. Das Schlimmste an der ganzen Sache ist ja, dass ich mich dabei selbst wahnsinnig einschränke und gleichzeitig jeglichen Möglichkeiten, zu diskutieren, aus dem Weg gehe, was letztlich ja auch niemanden – am wenigsten mich selbst – weiterbringt. Und dennoch baue ich einen regelrechten Druck auf, mir ja keine Fehltritte zu erlauben, nie vorschnell zu urteilen und stets einen guten Eindruck zu machen. Natürlich habe ich mich schon oft gefragt, warum all das überhaupt so ist, wie es ist und wo nun eigentlich mein Problem liegt. So wirklich kann ich das nicht einmal sagen, denn etwas Schlimmes ist noch nie passiert – auch nicht dann, wenn mich Leute mal wirklich nicht leiden konnten. Zuerst dachte ich ja, es sei einfach die Angst vor Kritik, dann wiederum fällt es mir nicht schwer, andere Meinungen anzuhören und auch zu akzeptieren.

Vielleicht liegt es auch schlicht und einfach an meinem Bedürfnis für Harmonie, das bereits als Kleinkind wahnsinnig ausgeprägt war. Streitereien unter Freund*innen, in der Familie oder auf offener Straße ließen mich zusammenzucken und beschäftigten mich nachhaltig. Unter keinen Umständen wollte ich der Auslöser für Auseinandersetzungen sein oder gar meine Freund*innen verlieren – was sich natürlich nicht immer vermeiden ließ, wie sich in meinen Teenagerjahren herausstellte, als ich die Kehrseite von sogenannten Cliquen kennenlernte. Ab einem gewissen Punkt ist es also natürlich hinderlich, stets nach Harmonie zu eifern, spätestens dann, wenn man sich selbst im Weg steht. Furchtbar anstrengend ist dieser Trieb im übrigen auch, so viel kann ich sagen. Ein bisschen etwas möchte ich künftig also durchaus ändern, auch, wenn ich keinen Masterplan zurechtgelegt habe. Lockerer möchte ich werden, mir nicht ständig so den Kopf zerbrechen und mich auch mal trauen, Dinge zu sagen und zu schreiben, die auf Gegenmeinungen stoßen können – auch, wenn ich ganz sicher nie ein wahnsinnig kontroverser Mensch sein werde. Aber auch das ist völlig in Ordnung, solange ich ehrlich zu mir selbst bin und lerne, Grenzen, die ich selbst gezogen habe, endlich einmal zu lockern.

Denn, mal ehrlich, am Ende ist es doch so, dass wir alle ziemlich großartig sind mit unseren verschiedenen Meinungen und Auffassungen und Geschmäckern. Alles andere wäre zugegebenermaßen auch gewaltig langweilig. Noch dazu ist es ja vielleicht auch mal ganz gesund, ab und an die eigene Zufriedenheit über die der anderen zu stellen, auch dann, wenn es nicht immer leicht ist.

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11 Kommentare

  1. Franziska

    Der Text könnte von mir kommen. Ich stimme dir 100% überein.
    Was mich besonders ärgert: wenn ich dann doch mal „Fehler“ gemacht habe, einen falschen Kommentar gemacht habe oder mich irgendwie mal kurz falsch verhalten habe, dann quält mich das teilweise ewig – auch wenn niemand anderem dieser Fehler überhaupt aufgefallen ist, sich überhaupt noch daran erinnern kann oder es überhaupt als Fehler ansieht. Woran liegt das?!

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  2. Ruma

    Ich hatte das früher auch sehr extrem! Und mit Kritik, war sie noch so nett oder konstruktiv formuliert konnte ich auch nicht gut umgehen. Zwar verstand ich schon, wann sie berechtigt war, aber ich habe mich dann immer noch wirklich lange damit rumgequält, mich geschämt und konnte nicht abschließen.
    Für mich lag es letztendlich an einem mangelnden Selbstwert und dass jeder Konflikt, jede Kritik mein hart erarbeitetes Selbstbewusstsein sofort zu Einsturz brachte und ich mich defensiv gefühlt habe. Seit ich daran gearbeitet habe, ist es mir wirklich ein gutes Stück egaler geworden, was andere denken und ich fühl mich SO viel besser und freier. Und wenn jetzt jemand etwas sagt oder ich mich sonst angegriffen fühle, schließe ich kurz die Augen und atme fünf Mal ganz tief ein und geb meinen unangenehmen Gefühlen etwas Raum sich zu entfalten. Und frage mich dann „Ändert diese Meinung/Aussage jetzt wirklich etwas an dem wer ich bin oder was mir wichtig ist?“ Die Antwort darauf war noch nie ja und das lässt mich jedes Mal wieder erkennen, dass auch dann noch alles okay ist und ich noch ich bin, wenn ich kritisiert werde. Und schwupps, sind die unangenehmen Gefühle dann ganz schnell wieder weg. Funktioniert echt!

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    1. Ruma

      Und noch als kleiner Nachtrag: für mich war es auch ganz wichtig zu lernen, es einfach mal auszuhalten, wenn es dicke Luft gab oder sich jemand ein blödes Kommentar erlaubt hat. Einfach das ganze wegatmen und den Blick kurz nach innen richten.

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      1. Julia Carevic Artikelautorin

        Dankeschön für deinen langen Kommentar, liebe Ruma! Ja, es würde in jedem Fall total Sinn machen, wenn es mit mangelndem Selbstbewusstsein zu tun hat. Deine Methode werde ich mir zu Herzen nehmen und ganz dringend ausprobieren.

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  3. Anna

    Ich hab mal gelesen, das liegt daran, dass man das eigene Selbstbewusstsein vom Urteil anderer abhängig macht. Wenn ich nicht mehr gefalle, bin ich nichts mehr wert. Gefährliche Sache. Man kann nicht jedem gefallen und sollte es auch gar nicht. Solange man sich selbst reflektiert, sollte doch alles palletti sein, auch wenn man mal aneckt. Ich kenne diese „Zurückhaltung“ auch eher von Frauen, was mir auch oft zu denken gibt.
    LG

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    1. Julia Carevic Artikelautorin

      „Wenn ich nicht mehr gefalle, bin ich nichts mehr wert.“ – ja, vielleicht könnte das tatsächlich zutreffen. Was diese Art der Zurückhaltung betrifft, so geht es mir wie dir. Bisher kenne ich sie nämlich auch zunehmend von Frauen..

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