Happy Equal Pay Day //
Women – like men, only cheaper.

gender pay gap equal pay dayAlle Jahre wieder… ist Equal Pay Day. Zeit, ein bisschen wütend zu werden. 

„Ach, Equal Pay Day“, nölte letztens eine Kollegin, „da kriege ich jedes Jahr die gleichen Mails und Pressemitteilungen von den Frauenverbänden, was sich ändern muss und so.“ Das Traurige daran ist tatsächlich nicht die Flut an Mails, die den virtuellen Posteingang verstopft – sondern, dass diese Mails jedes Jahr gleich klingen. Und warum ist das so? Weil sich einfach nichts ändert. Schon klar, 2016 hat sich der Gender Pay Gap (GPG), also die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, von 22 Prozent auf 21 Prozent verringert (Grund dafür ist wohl u.a. die Einführung des Mindestlohns). Aber mal ehrlich, eine Party feiere ich deswegen jetzt nicht. Auch wenn jetzt Equal Pay Day ist und erstaunlich viele Menschen genau wie beim Internationalen Frauentag zu denken scheinen, das sei ein Anlass zum Feiern.

Offiziell heißt der Equal Pay Day „Internationaler Aktionstag für gleiche Bezahlung von Frauen und Männern“ und findet dieses Jahr am 19. März statt. Equal Pay Day ist der Tag im Jahr, bis zu dem Frauen unentgeltlich arbeiten, wenn man ihr Einkommen an dem von Männern misst. Das sind gut 76 Tage, also zweieinhalb Monate, in denen Frauen umsonst arbeiten. Oder, in Geld umgerechnet: Während Männer pro Stunde durchschnittlich 20,59 Euro verdienen, sind es bei Frauen nur 16,20 Euro. Und ja, das ist genauso frustrierend, wie es klingt.

Women – like men, only cheaper

Das Thema „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ hat in letzter Zeit etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen – seit sich rausstellte, dass nicht mal Kick-Ass-Oscarpreisträgerinnen wie Jennifer Lawrence den gleichen Lohn bekommen wie ihre männlichen (weniger erfolgreichen, weniger bekannten) Kollegen (sorry, Jeremy Renner). Lawrence schrieb einen wütenden Essay für Lena Dunhams Lenny-Newsletter und natürlich ließ das Mainsplaining nicht lange auf sich warten. Hey, Männer wissen es einfach besser! In einem Artikel las ich, Lawrences Beschwerde über ihr geringeres Gehalt für American Hustle sei totaler Quatsch. Lawrence hätte eben weniger Drehtage gehabt als z.B. Renner, etc. etc. Jen, reg dich ab und rechne mal nach! Blöd nur, dass die Erklärbär-Nummer nicht so richtig funktionierte, weil nach und immer mehr Hollywood-Schauspielerinnen mit ähnlichen Erfahrungen wie der von Lawrence an die Öffentlichkeit traten.

Nun ist Deutschland nicht Hollywood (überraschend, ich weiß). Aber auch hierzulande ist die Lohnungleichheit eine jedes Jahr aufs Neue statistisch erfasste Tatsache – an der dann so lange rumgerechnet und ruminterpretiert wird, bis das bestehende Problem keines mehr ist. Eines muss man zum Thema GPG nämlich wissen: Es gibt den sogenannten unbereinigten GPG und den bereinigten GPG. Ersterer sind jene 21, vormals 22 Prozent. Dafür werden nicht nur die Angaben von Vollzeitbeschäftigten eingerechnet, sondern auch die von in Teilzeit und geringfügig Beschäftigten, Azubis und Praktikanten. Der bereinigte GPG hingegen rechnet nur Angaben von Menschen mit ein, die über vergleichbare Eigenschaften verfügen. Dadurch bleibt zwischen den Bruttolöhnen von Männern und Frauen eine Differenz von rund 7 Prozent. Ahaaaaaaa, höre ich es schon tönen: 7 Prozent, das ist doch viel weniger als 21 Prozent! Sollen Frauen halt weniger in Teilzeit arbeiten und, wenn es um’s Gehalt geht, härter verhandeln. Und mal ehrlich, was sind schon 7 Prozent? Darüber regt ihr euch so auf?

Jeder Cent zählt

Genau, darüber rege ich mich so auf. Denn auch wenn es „nur“ um 7 Prozent geht – diese 7 Prozent zählen. Im Grunde sind diese 7 Prozent nämlich noch empörender als die 21 Prozent, schließlich geht es hier um Menschen mit ähnlicher Qualifikation und Arbeitszeit. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Von wegen. Die 7 Prozent stehen für eine beharrliche Benachteiligung von Frauen, sie stehen für mangelnden Respekt und konkrete finanzielle Auswirkungen. Ja, Frauen arbeiten öfter in Teilzeit. Und warum? Weil es eben immer noch Frauen sind, die Kinder bekommen und dafür meistens eine Zeit aussetzen. Viele bekommen gar nicht die Chance, auf eine Vollzeitstelle bzw. auf ihre vorherige oder eine gleichwertige Position zurückzukehren – weggegangen, Platz vergangen, auch wenn es eigentlich nicht so sein dürfte. Von Frauen wird immer noch erwartet, dass sie sich um die Kinder kümmern. Und das ändert sich auch nicht, wenn die Kinder schon älter sind. Klar könnten Frauen besser vorbereitet in Gehaltsverhandlungen gehen, härter verhandeln, das Beste für sich rausholen. Viele haben nie gelernt, etwas zu fordern und ich begrüße Coaching-Programme, die hier Hilfestellung leisten. Aber (ein großes Aber): Nicht alle Frauen können ein #Girlboss sein, können über ihre Karriere frei entscheiden und immer selbstbewusst ihre Forderungen durchsetzen. Viele sind einfach froh, einen Job zu haben. Punkt. Wie übrigens auch viele Männer, von denen außerdem nicht jeder automatisch ein knallharter Wunder-Verhandler ist. Denn, Überraschung: Menschen sind verschieden!

Wo die 7 Prozent Gehaltsunterschied wirklich einen Unterschied machen könnten und es auch tun werden, ist bei der Rente. Mittlerweile fühle ich mich leicht indoktriniert von meinem Vater der sich, seit er selbst Rentner ist, diesem Thema leidenschaftlich widmet. Das ist einigermaßen anstrengend für meine Schwester und mich, sind wir nun doch Empfängerinnen apokalyptischer Botschaften wie: Wenn ihr alt seid, gibt’s nichts! Geringe Renten sind nicht unbedingt ein geschlechterspezifisches Problem – meine Generation, die sogenannte Generation Y, wird sich wohl kaum gemütlich ins prall gefüllte Rentenpolster fallen lassen können. Werden ja nicht genügend junge Menschen geboren, die unseren Lebensabend finanzieren könnten. Das ist uns bewusst, das ist keine Überraschung. Wenn man aber von jetzt bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter mit 67 rechnet und einfach mal (kulturpessimistisch) davon ausgeht, dass immer eine gewisse Lohnlücke zwischen Männern und Frauen bestehen wird, dann sind das viele tausende, zehntausende Euro, die Frauen im Alter weniger bekommen als Männer. Und wer es noch nicht wusste: Frauen sind sowieso häufiger von Altersarmut betroffen als Männer. 2014 erhielten Frauen durchschnittlich 618 Euro im Monat, Männer 1037 Euro – was einer Differenz von 40 Prozent entspricht. Ja, ich habe ehrlich gesagt auch wenig bis gar keine Lust, mich jetzt schon damit zu beschäftigen, was in circa 40 Jahren sein wird. Keine Ahnung, vielleicht falle ich morgen ja tot um. Andererseits könnte ich bei meiner vermutlich miesen Rente jeden Cent gebrauchen und da sind 7 Prozent dann plötzlich ganz schön viel.

Es tut sich was

Wir brauchen den Equal Pay Day, genauso wie wir den Frauentag brauchen – auch wenn Facebook mich dieses Jahr extrem irritierte, als es mir anlässlich des Weltfrauentags „gratulierte“ (wozu, zum Frausein?). Tage wie diese zeigen, wofür bzw. wogegen noch gekämpft werden muss. Vermutlich wird meine Kollegin nächstes Jahr zum Equal Pay Day wieder die gleichen Mails bekommen. Sie wird seufzen und sich darüber beschweren. Ich kann sie verstehen und wünsche mir, dass diese Mails überflüssig werden. Weil Frauen nicht mehr 22 Prozent, nicht mehr 7 Prozent weniger verdienen als Männer. Sondern endlich gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Von Julia Korbik

Julia Korbik ist freie Journalistin und Autorin. Das Kompliment vom Sportlehrer, sie mache Liegestütze so gut wie ein Junge, fand Julia Korbik schon in ihrer Schulzeit daneben. In Frankreich und Deutschland studierte sie European Studies, Kommunikationswissenschaften und Journalismus – und ärgerte sich über Leselisten, die nur männliche Autoren enthielten. Bevor es sie 2012 nach Berlin und zum Debattenmagazin The European verschlug, arbeitet sie u.a. für die WAZ und Cafébabel. 2014 erschien Julias Buch Stand Up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene (Rogner & Bernhard). 

7 Kommentare

  1. tinted ivory

    Nun rechnen wir mal, sagt ein Mann…, die Jahre zusammen die ein Mann eher stirbt als seine Frau und die Witwenrente die sie danach bekommt, zusammen. Und schon haste was du vorher nicht verdient hast hintendrauf.
    Ja gehts noch?

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  2. Maria

    Mal angenommen, alle Geschäftsleiter eines Landes entlöhnen eine Frau für die exakt gleiche Arbeit weniger als ihren männlichen Kollegen. Wieso gibt es dann in diesem Land nicht einen enormen Konkurrenzkampf um die arbeitnehmenden Frauen, mit deren Anstellung man einen Haufen Geld sparen könnte?
    Da ich eine solche Tendenz in den westlichen Ländern bisher nicht wahrgenommen habe, kann ich kaum glauben, dass der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern so markant sein kann. Woher genau stammen denn eure Angaben zu den Lohnunterschieden?

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