Hurra, hurra, die Ehe ist für alle da!

Wer hätte gedacht, dass die sogenannte ‚Ehe für alle‘ in Deutschland mal Dank eines Interviews mit der Zeitschrift Brigitte eingeführt würde. Angela Merkel war zu einem kleinen Plausch ins Berliner Gorki-Theater gekommen, locker-flockig, unkompliziert. Der Abend endete dann aber überraschend mit einer umständlichen Erklärung der Kanzlerin, in Sachen gleichgeschlechtlicher Ehe würde sie die Diskussion „mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissensentscheidung ist“.

Und schwuppdiwupp war sie dahin, die jahrelange Blockadehaltung der CDU. Indem Merkel die Entscheidung über die ‚Ehe für alle‘ zur Gewissensentscheidung erklärte, machte sie endlich den Weg frei für eine Abstimmung im Bundestag.

Schon fast vergessen: Es ist ja Wahlkampf

Dass es dann so schnell gehen würde, damit hätte Merkel nicht gerechnet. Ihr blieb kaum noch Zeit, die Fraktionsdisziplin aufzuheben, da stand das Votum schon an. Dabei war das ja eigentlich logisch: SPD, Grüne und Linke lauern seit Jahren auf so eine Gelegenheit, die FDP hat ebenfalls nichts gegen die gleichgeschlechtliche Ehe – und außerdem ist Wahlkampf. Letzteres lässt sich leicht verdrängen, schließlich war die Schulz-Manie so schnell vorbei wie sie begann und Merkel verweigert geschickt jede Auseinandersetzung über das CDU-Wahlprogramm (das, man erinnere sich, bei der letzten Wahl schlicht aus dem Slogan „Sie kennen mich“ bestand). Kurz vor der Bundestags-Sommerpause kam also nochmal Schwung in den Laden und so wurde eine historische Entscheidung gefällt:

Auch in Deutschland dürfen homosexuelle Paare jetzt heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren. In anderen europäischen Ländern wie Belgien, Spanien, Schweden, Frankreich und selbst dem katholischen Irland, ist das schon längst der Fall.

Nun wittern einige natürlich den drohenden Untergang der Welt. Die katholische Kirche sorgt sich um die Zukunft, schließlich gehe es bei der Ehe darum, Kinder in die Welt zu setzen – dass es auch heterosexuelle Ehepaare gibt, die (gewollt oder ungewollt) kinderlos bleiben, wird bei dieser Argumentation großzügig ausgelassen. Für homosexuelle Paare gäbe es außerdem andere Methoden, Kinder zu zeugen, aber diese Methoden lehnt die katholische Kirche (zumindest der lehramtlichen Meinung nach) ab. Auch in der CDU/CSU hatten einige Politiker*innen Bedenken – in der Debatte um die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe war für diese Bedenken dann aber irgendwie kein Platz. Weil der ganze Prozess so hoppladihopp vonstatten ging und zwischen Merkels schwurbelig-unerwartetem Meinungsumschwung und der Abstimmung gefühlt kaum Zeit war, dreimal kurz durchzuatmen.

Keine inhaltliche Diskussion

Und so fühlt sich das Ganze tatsächlich etwas kurzatmig an. Eine eigentlich historische Entscheidung wird im Eiltempo und aus politischem Kalkül durch den Bundestag gepeitscht. Das wird denjenigen, die jahrelang für die ‚Ehe für alle‘ gekämpft haben, nicht gerecht, und schon gar nicht den Schwulen und Lesben, denen ihre neuen Rechte mehr oder weniger im Vorbeigehen in die Hand gedrückt werden. Wenn es so schnell gehen kann, warum genau wurde dann eigentlich jahrelang über dieses Thema diskutiert? Wäre jetzt, 2017, ein bisschen mehr Zeit für Debatte gewesen, hätte das dem bisher recht schnarchigen Wahlkampf nur gut getan. Denn gerade die CDU/CSU wäre zu einer inhaltlichen Diskussion gezwungen worden, sie hätte argumentieren müssen (spannend außerdem die Frage, wie die AfD bei dieser Diskussion langfristig mit dem Gegensatz zwischen ihren rechtskonservativen Positionen zum Thema Ehe und ihrer lesbischen Spitzenfrau Alice Weidel umgegangen wäre). Statt inhaltlicher Auseinandersetzungen gab es so nur den anekdotischen Bericht Merkels, wie sie einem lesbischen Paar begegnete, das gemeinsam mehrere Kinder großzieht. Zack, Meinungsumschwung. Zumindest lautet so die merkelsche Erzählung – wahrscheinlicher ist, dass die Kanzlerin gewohnt pragmatisch auf die gesellschaftliche Stimmung (eine große Mehrheit der Deutschen befürwortet die ‚Ehe für alle‘) und mit Blick auf Wähler*inneninteressen reagierte. Dafür spricht auch, dass sie selbst im Bundestag gegen die gleichgeschlechtliche Ehe stimmte.

Schon klar: Die Gelegenheit war da, die linke Mehrheit im Bundestag hat sie genutzt. Und letztendlich zählt natürlich das Ergebnis: Liebe ist Liebe. Wer sich liebt und füreinander dauerhaft Verantwortung übernehmen möchte, der darf auch heiraten – egal, welches Geschlecht die beiden Partner*innen haben. Die Ehe ist endlich für alle da.

Alle Fakten im Überblick gibt es bei Spiegel Online (auch hier) und natürlich bei der Zeit.

3 Kommentare

  1. Neele

    Ich staune immer wieder wie unfassbar gut und hochwertig eure Beiträge geschrieben sind und dann noch so schnell und tagesaktuell – Hut ab!!! Endlich, endlich ist sie da, die Ehe für alle!!! Das wurde auch Zeit. Ich stimme dir allerdings zu, dass die Geschwindigkeit, mit welcher eine solch historische Entscheidung getroffen werden kann, einen schon etwas Staunen lässt… Aber gut, du sagst es, das Ergebnis zählt und das ist top! Der CSD in Freiburg morgen, wird vor diesem Hintergrund, sicher noch ausgelassener gefeiert 🙂

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende Neele

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  2. Josephine

    Liebe Julia,
    ich freue mich über jeden deiner Beiträge
    und frage mich- ob du nicht noch mehr hier
    machen kannst und willst, was politische Themen
    angeht (und nicht „nur“ den Feminismus, auch wenn
    dieser natürlich hochpolitisch ist.)

    Merci, so oder so,

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  3. milo

    ich möchte nicht kleinlich sein und bin gewiss kein anhänger der cdu, aber „sie kennen mich“ wahr der slogan der partei und sicher nicht deren wahlprogramm. da sollte man schon differenzieren, vor allem in zeiten, in denen parteien erstarken, die tatsächlich ohne wahlprogramm wahlerfolge feiern – zumindest anfangs.

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