Seit zig Jahren versteht sich das skandinavische Möbelhaus IKEA als Lösungsfinder all unserer Wohnprobleme, als smarter Partner, wenn wir daheim mal wieder nicht weiter wissen oder unser Krempel Überhand nimmt. IKEA war da, wo wir IKEA jahrelang brauchten: Überall. Jede Wohnung beherbergt auch heute noch ganz sicher das ein oder andere Mitbringsel des Schweden, ein Billy hier, ein Malm dort und da drüben diverse Accessoires. Schmücken allerdings wollten wir uns noch nie wirklich mit den Pressspahn-Produkten, mit der Massenware und den IKEA-typischen Designs, die für das geschulte Auge als solche auch irgendwie immer unverkennbar blieben, an denen immer seltener das Prädikat „individuell“, sondern vielmehr „Masse“ heftete. Wer konnte, der kaufte woanders seine Möbel – der schlenderte über Flohmärkte oder orderte gleich die Originalware, die bei IKEA höchstens irgendwie kopiert wurde. Manchmal allerdings, und dieses manchmal kam deutlich öfter vor, als von den meisten zugegeben, fand man sich doch eben bei IKEA wieder. Kaufte am Ende viel zu viel, erschrak an der Kasse über die Summe und war mindestens um eine Zimmerpflanze reicher.
Auch ich gehörte lange Zeit zur Fraktion IKEA, mit Leib und Seele wohl gemerkt, weil es bei uns in der Heimat sowieso nichts schöneres gab und die Umgestaltung meiner eigenen vier Wände irgendwann längst Hobby-artige Ausmaße annahmen. Ich liebte es, bei IKEA neue Dinge zu finden, die ich vielleicht nicht brauchte, die die ein oder andere Lösung bis dato nicht vorhandener Probleme aber auf dem weiß lackierten Regalboden bereit hielten.
Mittlerweile ist allerdings Schluss damit: Aus Nachhaltigkeitsgründen und auch, weil meine Möbel und Accessoires heute viel langlebiger verplant werden und noch viele Wohnungen überdauern sollen. Ich möchte nicht länger permanent rumrücken, aus Langeweile shoppen, wieder verkaufen, oder gar verschrotten müssen. Ich will Stücke, die es sich vielleicht sogar ein Leben lang bei mir bequem machen wollen. Aber Momentchen mal: Geht das mit IKEA denn gar nicht? Natürlich! Immerhin wohnt meine IKEA Küche schon sechs Jahre nur bei uns, gehörte sogar unseren Vormietern zuvor und wird auch noch ganz viele Jahre länger für Glück in der Wohnung sorgen. Und auch meine Badezimmer-Kommode aus Rattan ist nach wie vor ein geliebtes Stück daheim, dass ich nie mehr hergeben mag. Wilmas Bett und ihre Regale sowieso. Ist die Behauptung, der IKEA Konsum sei nicht-nachhaltig am Ende vielleicht sogar gar nicht ganz korrekt? Vielleicht, dennoch scheine ich mit dieser Empfindung nicht alleine da zu stehen.
Auch an IKEA ist der nachhaltige Konsumgedanke selbstverständlich nicht vorbeigegangen, weshalb auch der von vielen erwartete, neue Katalog seinen Schwerpunkt nicht unbedingt auf Produktlösungen legt, sondern vielmehr auf Gefühle, Wertigkeit und einen besseren Schlaf, um aus jedem Morgen einen Neuanfang zu machen. Fünf Fokusgruppen stehen diesmal im Mittelpunkt:
Zugehörigkeit, Besitz, Sicherheit,
Gemütlichkeit und Privatsphäre.
Wie wir die einzelnen Fokusgruppen ausgestalten wollen, bleibt jedem selbst überlassen. Eines aber steht fest: IKEA setzt mit der neuen Ausrichtung neue Impulse und bringt zum Nachdenken. Widmen wir uns den oberbegriffen doch mal genau – und fragen in die Runde:
Was muss eure Wohnung für euch erfüllen und welche Punkt ist euch am allerwichtigsten?
Zugehörigkeit
Egal ob wir in unserer Familie leben oder in einer bunten WG: Wir sehnen uns nach einem Ort und nach Dingen, die nur uns gehören – und trotzdem ist es unendlich wichtig, Räume zu schaffen, in denen wir uns gemeinschaftlich begegnen. Orte, die so gemütlich und offen sind, dass sich alle daheim fühlen, alle Platz finden und sicher jeder irgendwie repräsentiert wird. Zugehörigkeit fängt eben beim Thema Inklusion an.
Besitz
Was wollen wir, fernab von irgendwelchen Instagram-Trends, eigentlich wirklich? Was macht unsere Wohnung zu unserem Happy Place, an dem wir uns unendlich wohl fühlen, der nur unsere Erwartungen erfüllen muss und wertungsfrei von allen anderen ist. Bei dem Oberbegriff „Besitz“ geht es allerdings nicht nur um Eigentum und Grundstückswerte – vielmehr geht es darum, Herr*in über den Ort und Raum, an dem wir leben, zu sein – und zu bleiben.
Besitz wirkt, auch dank Marie Kondo und unserer Shared-Economy, mittlerweile längst überholt, bleibt für mich persönlich aber nach wie vor nicht unwichtig: Zwar habe ich meinen Besitz selbst minimiert, aber meine persönlichen Habseligkeiten sind mir nach wie vor unendlich wichtig. Was meint ihr?
Sicherheit
Fühle ich mich Zuhause und bin ich überhaupt angekommen? Entspricht meine Wohnung meinem Stil oder ist es nur ein Ort, der praktisch, aber keineswegs persönlich ist? Es ist nicht unwichtig, solche Fragen für sich zu beantworten, denn damit einher geht das Gefühl von Sicherheit. Gerade dann, wenn es im Job mal wieder nicht läuft und auch privat vielleicht mal alles drunter und drüber geht, brauchen wir Orte, an denen wir safe sind und uns geschützt fühlen. Eine schöne Idee von einem Wohnkonzept: Sicherheit!
Gemütlichkeit
Nicht nur das Gefühl von Zufriedenheit und Behaglichkeit sorgt für eine gemütliche Atmosphäre, auch haptische Dinge und Komfort sind unabdingbar, wenn es um das Thema Gemütlichkeit geht. Gerade dann, wenn wir mit unserem Partner oder unserer Partnerin zusammenziehen wollen, ist es wichtig, das Thema Gemütlichkeit nicht hintenan zu stellen. Eine gemeinsame neue Matratze kann genauso dazu beitragen, wie warme Textilien, gemütliche Accessoires – und nicht zuletzt Ordnung. Gerade der letzte Punkt geht oft mit respektvollem Verhalten und gemütlicher Abgrenzung einher: Das ist deins (vielleicht minimalistisch), das ist meins (extravagant). Unser ist dort (die goldene Mitte). So kann jede*r in seiner Zone gemütlich walten und schafft die beste Grundlage, um harmonisch zusammenzuleben. Klingt logisch, oder?
Privatsphäre
Es ist vollkommen nachvollziehbar, auch als Paar sein eigenes Zimmer zu haben und sich seinen Bereich so schnuckelig wie nur möglich zu gestalten. Es gibt aber auch Situationen und Raumkonzepte, da ist es gar nicht möglich, dass zwei oder mehrere Personen im Haushalt so viel Platz für sich veranschlagen können. Und gerade dann ist die Nummer mit der Privatsphäre noch ein klein wenig sensibler zu betrachten:
Haben wir genug Platz für die Entfaltung und die kleinen Geheimnisse eines jeden in diesem Raum? Brauchst du eigentlich mehr? -Und wenn ja, wie kann dazu beigetragen werden? Wo ist Abgrenzung nötig, wo brauchen wir sie weniger? Manchmal helfen Fragen wie jene, um schlechter Laune vorzubeugen, um Konflikte gleich im Keim zu ersticken und um die Grundstruktur harmonischen Lebens aufrechtzuerhalten.