„Mr. Vice President, I’m speaking!“ – Was Kamala Harris schon jetzt verändert hat

Als am 8. November Joe Biden offiziell zum Wahlsieger erklärt wurde und Kamala Harris an seiner Seite die Bühne betrat, tat sie das als designierte Vize-Präsidentin der Vereinigen Staaten. Sie tat es als erste Frau und als erste woman of colour in dieser Funktion. 

[typedjs]„Ich bin zwar die Erste, aber ich werde nicht die Letzte sein.“[/typedjs]

Es war ein historischer Augenblick: In den 232 Jahren seit Einführung des Vizepräsident*innen-Amtes wurde dieses bisher ausschließlich von weißen Männern besetzt und neben Harris schafften es nur zwei weitere Frauen, überhaupt als Vizepräsidentinnen nominiert zu werden – die Demokratin Geraldine Ferraro 1984 und die Republikanerin Sarah Palin 2008. Biden hatte nach seiner offiziellen Nominierung als demokratischer Präsidentschaftskandidat versprochen, zusammen mit einer Frau zur Wahl anzutreten. Doch dann zog sich die Kandidatinnenkür über mehrere Monate hin und erinnerte zwischenzeitlich doch sehr an eine Ausgabe von Der Bachelor, in der Frauen wie Elizabeth Warren und Susan Rice Biden von ihren Qualitäten überzeugen mussten: Joe, wer wird deine letzte Rose bekommen?

 
 
 
 
 
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Die Rose ging – bekannterweise – an Kamala Harris, Senatorin und ehemalige Attorney General von Kalifornien. Nun hat sie es tatsächlich in eines der höchsten Ämter des amerikanischen Staates geschafft. Und so groß die Erleichterung darüber ist, dass Joe Biden über Donald Trump gesiegt hat: Wirkliche Begeisterung über diesen, nun ja, alten, weißen Mann, der einen anderen alten, weißen (orangefarbenen?) Mann ablöst, macht sich nicht breit. Ganz anders die Reaktionen auf Kamala Harris – sie wird gefeiert, sie begeistert.

„Ich bin zwar die Erste, aber ich werde nicht die Letzte sein“, sagte Harris in ihrer ersten Rede als designierte Vizepräsidentin. Sie hoffe, „dass jedes kleine Mädchen, das heute Abend zuschaut, sieht, dass dieses ein Land der Möglichkeiten ist.“

Die Erwartungen an Harris sind hoch – erstens, weil sie eine Frau, zweitens, weil sie eine woman of colour, und drittens, weil sie die Erste in der Rolle der Vizepräsidentin ist. Sie muss beweisen, dass sie es trotzdem kann. Trotz ihres Geschlechts, trotz ihrer Hautfarbe. Sie wird als Repräsentantin von Frauen im Allgemeinen, und von women of colour im Besonderen gesehen werden. Das ist so unfair wie unrealistisch: Keine einzelne Person kann jemals eine ganze Gruppe von Personen repräsentieren. Männern wird automatisch zugestanden, dass sie für sich, und nur für sich stehen. Frauen haben diesen Luxus nicht: Was sie tun, können, erreichen oder eben nicht erreichen, steht immer sinnbildlich für alle Frauen.

Vorbild sein

Das weiß Kamala Harris. Wenn sie sagt, dass sie zwar die Erste Vizepräsidentin, aber nicht die Letzte sein werde, dann sagt sie auch: Ich hoffe, dass meine Wahl Mädchen und Frauen* zeigt, was möglich ist. Dass das, was ich erreicht habe, keine historische Ausnahme bleiben sollte. Dass ich ein Vorbild sein kann.

 
 
 
 
 
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Ein Vorbild ist Harris schon jetzt: Den künftigen Richter am Obersten Gerichtshof, Brett Kavanaugh, befragte sie so knallhart, dass dieser gar nicht wusste, wie ihm geschah. Während der TV-Debatte mit Trumps Vizepräsident Mike Pence wehrte sie sich souverän gegen seine „Manterrupting“-Versuche: „Jetzt spreche ich.“ 

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Und: Nicht nur hat Harris groove, sie hat auch nach und nach verstanden, dass ihre Herkunft und Familiengeschichte zu ihren größten Stärken gehören. Last but not least ist Kamala Harris möglicherweise die Frau, die die Hoffnung einlöst, die durch die Niederlage von Hillary Clinton 2016 bisher unerfüllt geblieben ist – die Hoffnung auf eine US-amerikanische Präsidentin. Joe Biden wird bei Amtsantritt 78 Jahre alt sein und es ist nicht ausgeschlossen, dass er freiwillig auf einen Teil seiner Amtszeit verzichtet und Harris nachrückt. So oder so: Als Vizepräsidentin ist Harris bestens positioniert, um bei der nächsten Wahl zur demokratischen Kandidatin für die Präsidentschaft gekürt zu werden.

Beginnende Normalisierung

Bis dahin sind es noch ein paar Jahre. Jahre, in denen Mädchen und junge Frauen* in den USA, aber auch in anderen Ländern, mit einer Kamala Harris als amerikanischer Vizepräsidentin aufwachsen. Aminata Touré, Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Landtags, kommentiert:

[typedjs]„Es macht einen Unterschied, ob immer mehr diverse Menschen politische Entscheidungen mittragen. Es verändert etwas für die Menschen, für die wir Entscheidungen treffen und für diejenigen, die zu Minderheiten gehören und bereits in der Politik sind. Wir werden nicht mehr nur als Ausnahme gesehen. Es normalisiert sich etwas, was schon längst normal sein sollte. Gerade junge Frauen sehen, dass sie alles beanspruchen können, was sie wollen.“[/typedjs]

Natürlich wird Kamala Harris sich beweisen müssen. Natürlich wird sie Fehler machen und falsche Entscheidungen treffen. Die amerikanische Politik aber hat sie jetzt schon verändert. Genauso wie das Bild der amerikanischen Politik, das Bild davon, wer es in welche Positionen schafft.

„Mr. Vice President, I’m speaking!“ – Was Kamala Harris schon jetzt verändert hat

  1. Nina

    „Keine einzelne Person kann jemals eine ganze Gruppe von Personen repräsentieren. Männern wird automatisch zugestanden, dass sie für sich, und nur für sich stehen. Frauen haben diesen Luxus nicht: Was sie tun, können, erreichen oder eben nicht erreichen, steht immer sinnbildlich für alle Frauen.“
    Das ist so wahr und das macht mich auch wütend. Wie kann es sein, dass 2020 diese Art der Bewertung noch Raum hat? Es stimmt, was du schreibst und das bedeutet auch gleichzeitig, dass sie viel mehr leisten muss. Politisch wie psychisch. Ich hoffe, dass sie Kraft dafür hat.

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