Gestern Abend, ich saß Wollpullover-tragend in einer kleinen Bar in Neukölln, während meine Kontaktlinsen vom Rauch kratzten und mein Pony sich dem großen Wirbel entlang wie die Blätter einer Bahamas-Palme auseinander spreizte, als wieder eines dieser Gespräche zustande kam, das mein Dasein als sagen wir mal ‚Teilzeit-Moderedakteurin‘ infrage stellte. Ich würde ja wohl mehr vom Leben erwarten müssen, es gäbe doch Wichtigeres, weshalb ich all diesen Oberflächlichkeiten nicht endlich den Rücken kehren würde. Nun, antwortete ich schließlich, mehr wortkarg als-gewandt, es sei wirklich ganz einfach: Weil ich eben nie etwas aufgeben würde, für das mein Herz schlägt. An dieser Stelle einigten mein Gegenüber und ich uns darauf, dass wir, sollten wir uns weiterhin in gemeinsamer Sympathie suhlen wollen, jetzt ganz dringend das Thema wechseln sollten. Was wir auch taten. Die übrig gebliebene Kritik schleppte ich trotzdem mitten in der Nacht mit nach Hause. Ich nahm sie sogar mit ins Bett. Auf meinen Knien wackelte schließlich mein Laptop, auf dem Bildschirm flogen Bilder aus Paris von links nach rechts, erst ein paar Minuten lang, irgendwann zählte ich eineinhalb Stunden und aberhunderte Runway-Looks. Ich war selig. Und erleichtert, denn es war, als hätte ich heimlich überprüfen müssen, ob an meinem selbstverständlichen Gerede von modischer Romantik überhaupt noch etwas Wahres dran ist. Vielleicht liebte ich die Mode ja längst nicht mehr, womöglich war sie mir sogar egal geworden, gar zu dumm. Das Gegenteil war der Fall. Hin und wieder jauchzte ich sogar vor Freude.
Über die unmögliche Liebesgeschichte etwa, die Simon Porte Jacquemus mit seiner Picasso’esque Herbst/Winter Kollektion erzählt. Jene von der jungen privilegierten Französin, die sich in einen Herumtreiber verliebt, die sich freisagen will von Konventionen, aber Ende aber an ihrer eigenen Herkunft scheitert, an ihrer Eitelkeit. Ich war entzückt vom Label Wanda Nylon, das mit seiner Show erneut Diversität zum Thema machte, oder eher: „The Lack of it“. Von den subtilen Hinweisen auf die Anfänge der Black Panthers Bewegung, von dem Willen, selbstbestimmte Frauen zu kleiden. Von Virgil Abloh, der seine Kollektion für OFF-WHITE „“Nothing New“ nannte. Damit nahm er die zuvor laut gewordene Kritik an seiner Person einerseits charmant auf die Schippe, anderseits aber auch sehr ernst. Es war seine bisher beeindruckendste Show, vielleicht, weil er bei sich selbst geblieben ist und einsehen musste, dass ihm das Jetzt und die Vergangenheit immer wichtiger sein werden als die Zukunft. Und dann war da noch der belgische Y/Project Designer Glenn Martens, der es geschafft hat, seine Kreationen so monumental und schwer und begehrenswert wirken zu lassen, dass offenbar eine ganze Branche für einen kurzen Moment lang jegliche Manieren über Bord warf, um zu jubeln und über die Maße exzessiv zu fotografieren. “Put that f*king phones down,” hieß es irgendwann. Und ich verstehe beide Seiten. Also, Vorgang auf für die diesjährigen Cool Kids aus Paris: