Letztens hatten meine Großeltern (Omma und Oppa, wie man im Ruhrgebiet so schön sagt) einen Streit. Nicht ungewöhnlich, die beiden meckern seit 65 Jahren leidenschaftlich am jeweils anderen herum. Meine Oma, darum drehte sich der Streit, fühlte sich von meinem Opa bevormundet. Sie fand, er nehme sie nicht ernst. Das sah mein Opa naturgemäß ganz anders. Es ging hin und her und am Ende sprach meine 85-jährige Oma folgenden Satz: „Ich lasse mir das von dir nicht bieten, ich bin schließlich die Großmutter einer Feministin!“ Meine Mama erzählte mir diese Geschichte und wir amüsierten uns köstlich über meine plötzlich rebellische Oma. Gleichzeitig dachte ich: „Schön, wie ich auch indirekt mit meinem Feminismus für familiären Unfrieden sorge.“ Es ist nun einmal so: Ich bin und bleibe eine feministische Spaßverderberin.
Feminismus macht kaputt
Denn mal ganz ehrlich: Feminismus öffnet die Augen, man sieht Dinge, die man vorher nie so richtig wahrgenommen oder erfolgreich verdrängt hat – die vielen kleinen und großen Ungerechtigkeiten, von denen unsere Gesellschaft, unsere Welt, so durchdrungen ist. Feminismus öffnete die Augen, ja, aber er zerstört auch ziemlich viel. Und damit meine ich nicht das Patriarchat – das hoffentlich auch, irgendwann. Nein, ich meine vormals simple Vergnügungen wie Germany’s Next Topmodel. Um nur ein Beispiel zu nennen. GNTM kann ich, seit ich Feministin bin, nicht mehr gucken, oder zumindest nicht, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Problematisches Frauenbild, Beförderung von Körperwahn und Essstörungen, und so weiter.
Wenn mein Rentner-Papa auf dem Sofa rumhängt, statt sich den Staubsauger zu schnappen und meine arbeitende Mama haushaltstechnisch zu unterstützen, dann kann ich nicht nichts sagen. Auch das sorgt für Unfrieden, weil die Beziehung meiner Eltern bis zum Renteneintritt meines Papas eben dem klassischen Modell folgte – er verdiente den Großteil des Einkommens und musste dafür nichts im Haushalt machen, sie verdiente dazu und machte „nebenbei“ noch alles andere. Das bisschen Haushalt eben. Mittlerweile findet meine Mama es doch etwas unfair, dass sie immer noch alles macht, obwohl es ja im Haus einen Herrn mit jeder Menge Freizeit gibt. Ich kann meinen Eltern nicht vorschreiben, wie sie ihr Leben und ihre Beziehung zu leben haben (wäre ja noch schöner), aber mein Unverständnis äußern, das kann ich schon. Mein Papa schaltet dann auf Durchzug und wird bockig. Vielleicht auch, weil er merkt, dass meine Mama zuhört – und einiges eben nicht mehr hinnimmt.
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Spaßbefreit, so ein Blödsinn
Für familiären Unfrieden zu sorgen ist weder ein Anliegen, noch ein Hobby von mir. Das Ding ist aber: Als Feministin muss man manchmal die Spaßverderberin sein. Sonst ändert sich nämlich nichts. Weder in der Familie, noch in der Gesellschaft. Wenn man mal in der Geschichte zurückblickt, entdeckt man überall feministische Spaßverderberinnen: Olympe de Gouges, Hedwig Dohm, Maya Angelou, die britischen Suffragetten… Um nur ein paar zu nennen. Sie alle verstanden, wenn es um Gleichberechtigung und Gerechtigkeit ging, keinen Spaß.
Und verdarben dadurch wiederum anderen den Spaß. Denen nämlich, die die Probleme nicht sahen oder nicht sehen wollten.
Ich jedenfalls habe mich damit abgefunden, eine feministische Spaßverderberin zu sein. Und meiner Oma scheint es auch nichts auszumachen, so eine Enkelin zu haben. Als ich mit ihr telefonierte, berichtete sie mir stolz von dem Streit mit Opa. „Das kann ich doch nicht auf mir sitzen lassen“, sagte sie, „wenn meine Enkelin doch so eine Frauenrechtlerin ist!“ Dazu fiel selbst meinem starrköpfigen Opa nichts mehr ein – und das wiederum bereitet meiner Oma jede Menge Spaß.