Ich liebe Interviews und ich liebe Sandra Oh, besser bekannt als ehrgeizige Ärztin Cristina Yang aus Grey’s Anatomy. Man stelle sich also nun meine Freude vor, als Anfang August ein neues Interview mit Oh erschien. Meine Finger konnten auf der Tastatur gar nicht schnell genug klicken, um an die begehrte Beute – Einblicke in Sandra Ohs Leben und Schaffen – zu kommen. Und dann das: Das Interview wurde von Schauspielerin Amanda Peet geführt, Showrunnerin von Ohs neuer Netflix-Serie The Chair. Meine Freude fiel in sich zusammen wie ein Soufflé, nachdem man den Ofen zu schnell geöffnet hat. Ich benutze das Verb „hassen“ nicht leichtfertig – aber ich hasse Interviews mit Celebrities, die von anderen Celebrities geführt werden.
Wenig mehr als eine Werbeanzeige
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Warum, das zeigen gleich die ersten Sätze des sogenannten „Interviews“, das korrekterweise Sandra-und-Amanda-sitzen-zusammen-und-quatschen-ein-bisschen heißen müsste:
„Sandra Oh: I think we should start this conversation about vaginas and perimenopause! One of the things I love about you the most is that the way you direct; it’s always straight from your vagina.
Amanda Peet: Sandra, you act from your vagina, and I direct from my vagina. It’s where creativity is rooted!“
Vaginas? Straight from your vagina? Okay. Wobei ich zugeben muss, dass Amanda Peet als Interviewerin um einiges besser ist als berühmte Kolleg*innen – immerhin schafft sie es, mit Oh über ihre Arbeit, ihre Rollen, und sogar #metoo zu sprechen. Gleiches lässt sich nicht für andere Interviews dieser Art sagen. So ist das „Interview“ von Kendall Jenner, das diese mit ihrer Schwester Kylie Jenner führte, wenig mehr als eine Werbeanzeige für Kylies Kosmetikmarke:
„Kendall: What’s your goal with Kylie Cosmetics?
Kylie: My goal with Kylie Cosmetics is to eventually be worldwide and have stores.“
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Juice Cleanse und Sprossen
In einem anderen „Interview“ schwärmen Drew Barrymore und Gwyneth Paltrow sich gegenseitig vor, wie toll sie sich (und Juice Cleanses) finden:
„DB: I am on a juice cleanse and raw program right now. We are both foraging cucumbers out of my bag.
CD: And sprouts.
DB: It’s actually because of Cameron [Diaz] that we met. She brought us together. And timing is everything.
GP: So true.
DB: And I like the idea of inner beauty. I’m such a believer in it. So who else to talk to about the inside and outside than you?
GP: Thank you! You know I would put my life on hold to support what you’re doing.
DB: Ditto! Right back at you.“
Na, das ist doch mal eine lohnende Lektüre! Ähnlich lohnend wie die Lektüre dieses „Interviews“ zwischen Jennifer Lawrence und Emma Stone:
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„Jennifer Lawrence: Okay, let’s get things started! Emily, you’re the best. Care to comment?
Emma Stone: Um, oh God. Uh, no comment.
Lawrence: Next: You’re so pretty. How’d you get like that?
Stone [Laughs]: What’s the Bridesmaids line you always say?
Lawrence: That you smell like pinecones and you look like Cinderella. Care to comment?
Stone: She says that to me all the time.“
Erkenntnisgewinn: Null, aber darum geht es ja auch nicht. Die Frage ist: Worum geht es dann?
Versprechen auf Intimität
Irgendwann, in grauen Vorzeiten, war das Format „Celebrities interviewen Celebrities“ mal neu und erfrischend anders. Das von Andy Wahrhol 1969 gegründete Interview Magazine machte daraus sogar seine Prämisse. Heute hingegen scheint diese Form des „Interviews“ für Medien vor allem eine Möglichkeit zu sein, Leser*innen mit dem Versprechen auf Intimität und nie dagewesene Einblicke in das Leben von Berühmtheiten zu locken, schließlich sind diese Berühmtheiten ganz unter sich und können offen sprechen. Und man bekommt statt einem bekannten Namen gleich zwei oder mehrere! Celebrities wiederum scheinen das Format zu mögen, weil sie von Freund*innen oder Kolleg*innen keine kritischen oder unangenehmen Fragen erwarten müssen. Man plaudert ein bisschen nett vor sich hin, das war’s.
Dazu muss man wissen, dass in den USA in Interviews das gesprochene Wort gilt – anders als zum Beispiel in Deutschland, lassen Journalist*innen das Interview in der Regel vor Veröffentlichung nicht noch einmal autorisieren. Das hat sowohl Vor- als auch Nachteile (für die Journalist*innen wie für die Interviewpartner*innen). Oft führt es dazu, dass Berühmtheiten von Anfang an sehr vorsichtig sind, was sie gegenüber Journalist*innen sagen. Was wiederum dazu führt, dass viele der mit Celebrities für amerikanische Medien geführten Interviews etwas monoton und glattpoliert klingen. Umso spektakulärer sind deshalb Interviews mit berühmten Menschen, in denen letztere tatsächlich überraschende Dinge sagen oder nicht zu hundert Prozent sympathisch rüberkommen (wie dieses aktuelle Interview mit Jason Momoa, in dem Momoa genervt von den kritischen Fragen des Journalisten zu sein scheint).
Schlicht langweilig
Interviews mit Celebrities haben eigentlich die Aufgabe, der Leserschaft einen Einblick in die Persönlichkeit und das Leben einer Person zu geben, einen Eindruck zu vermitteln, was diese Person gerade bewegt und wie es sich anfühlt, in ihrer Gegenwart zu sein. Das alles mit kritischem Abstand. Nichts davon schafft das Celebrities-interviewen-Celebrities-Interview, denn hier treffen ausschließlich Leute aufeinander, die sich gegenseitig grandios finden und ein Interesse daran haben, die jeweils andere Person gut dastehen zu lassen. Das ist weder unterhaltsam noch intim – sondern schlicht langweilig.