Warum ich Trigger-Warnungen brauche.

Fast 15 Jahre lang hatte ich einen Hund, der mein ein und alles war. Nichts im Leben war mir wichtiger, niemand brachte mir mehr Mut oder Freude — als er starb, brach für mich eine Welt zusammen. Um mich zu trösten, sagte man mir, Zeit heile alle Wunden, geheilt ist aber bis heute nichts, ich habe mich bloß in Verdrängung geübt. Wenn ich heute einen Hund der gleichen Rasse sehe, flammt da dieser blöde, stechende Schmerz in meinem Herzen auf und tritt eine ganze Lawine voller trauriger Gedanken und Gefühle los. Das passiert dann in rasender Geschwindigkeit, weil es natürlich ganz ohne Vorwarnung geschehen ist und ich mich nicht darauf vorbereiten konnte. In solchen Momenten wünsche ich mir, jemand hätte mir ein leises „Achtung, schau jetzt nicht hin“ ins Ohr geflüstert oder mir schützend die Augen zugehalten.

Ganz ähnlich, oder vielleicht genauso, verhält es sich mit Situationen, Worten und Bildern, die Menschen mit psychischen Erkrankungen triggern, also etwas Negatives in ihnen auslösen. Denn im Grunde genommen ist ein Trigger in der Psychologie nichts anderes, als ein Auslöser, der unangenehme Gefühle, Gedanken oder Verhaltensweisen hervorruft. So etwas kann ganz schnell passieren, und oftmals auch dann, wenn gerade eigentlich noch alles okay war. Ganz plötzlich ist man dann in dieser Spirale, die in schwindelnder Eile nur noch den Weg nach unten kennt, ganz gnadenlos, weil psychische Krankheiten nun einmal keine Rücksicht nehmen und das Gehirn schon gar nicht rational denken lassen.

 

[typedjs]" Mit einem knallharten Aufprall landete ich dann in meinem dunklen Gedankenstrom, aus dem ich so schnell nicht mehr herauskam."[/typedjs]
 
 
 
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Für mich bedeutete das in der Vergangenheit etwa, dass ich vor dem Fernseher saß, mir voller Vorfreude eine Serie anschaute, um dann, völlig unvorbereitet, daran erinnert zu werden, dass mit mir ja auch etwas nicht stimmt. Mit einem knallharten Aufprall landete ich dann in meinem dunklen Gedankenstrom, aus dem ich so schnell nicht mehr herauskam. Natürlich ist es furchtbar gut und wichtig, dass auch die Medienlandschaft psychischen Krankheiten eine Plattform gibt, um aufzuzeigen, dass sie wirklich existieren, dass sie verbreitet sind und nichts, wofür man sich schämen muss — solange sie denn weder glorifiziert noch romantisiert werden. Jedoch würde ich mir wünschen, dass Triggerwarnungen stets vorab eingebaut werden, wie es beispielsweise in der Netflix-Serie „13 Reasons Why“ der Fall ist. Doch auch Artikel oder gar Podcasts, in denen explizit etwa über Erfahrungen, selbstverletzendes Verhalten, Suizidgedanken oder Essstörungen gesprochen wird, bedürfen oftmals einen sachten Hinweis an alle, die an ähnlichen Problemen leiden.

Natürlich finden Trigger nicht ausschließlich in der Medienlandschaft, sondern auch im echten Leben statt, bloß lassen sich Warnungen hier nicht einfach mal so einbauen, wie in einem Film. Genau deshalb ist es so wichtig, mit Menschen, die einem nahestehen, über seine Trigger zu sprechen, um Risiken möglichst zu vermeiden. Sicherlich ist das nicht ganz so einfach, wie es klingen mag, denn das Tückische an der ganzen Sache ist ja, dass nicht einmal man selbst alle Auslöser kennt und sie sich noch dazu gar nicht immer so recht erklären lassen. Manche von ihnen liegen natürlich auch auf der Hand, wenn man denn weiß, dass eine Person unter einer psychischen Krankheit leidet. Dass man einer essgestörten Person nicht etwa von der eigenen Diät erzählt oder davon, wie dringend man doch eigentlich auf diesen blöden Keks verzichten müsste, liegt recht nah. Und trotzdem kann so etwas natürlich passieren, wenn eine gesunde Person von denselben Worten und Taten ganz unberührt bleibt — schließlich lernen wir alle täglich dazu, insbesondere dann, wenn es um Dinge geht, die häufig noch immer als Tabu gelten, über die also kaum offen gesprochen wird. 


Triggerwarnungen sind für mich und so viele andere also vor allem deshalb so wichtig, weil sie wie ein schützendes Augenzuhalten, ein kurzes Flüstern mit dem Hinweis, nicht hinzuschauen, sind, um etwas zu vermeiden, das vielmehr sein kann, als bloß ein kurzer, stechender Schmerz.

5 Kommentare

  1. Nina

    Liebe Julia,
    vielen Dank für deinen Artikel! Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute rücksichtsvoller miteinander reden würden. Es macht mich jedes Mal wütend und betroffen, wenn Freunde/Bekannte von sich oder anderen sagen, sie seien „depressiv“, weil in ihrem Leben gerade etwas schief läuft und sie traurig sind oder sie hätten eine „Panikattacke“, weil sie eine Deadline verpasst haben oder was weiß ich. Da ich mich seit Jahren mit rezidivierenden depressiven Episoden und Panikattacken auseinandersetzen muss, fühlt sich das immer wieder wie ein Schlag ins Gesicht an, wenn Leute diese Erkrankungen banalisieren. Ich habe auch wenig Lust, besagte Menschen dann immer wieder darauf hinzuweisen, vor allem weil diese dann oft gekränkt reagieren, obwohl ich ihnen damit natürlich nicht ihr Leid kleinreden will.

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  2. Nika

    Da hast du recht Nina, mir geht es genau so mit „OCD“ (Zwangsstörungen). „Ich hab da voll OCD“ hört man oft wenn jemand seine Wohnung gerne ordentlich mag oder Bücher oder Stifte farblich ordnet. Als jemand der seit Jahren unter OCD leidet (in einigen Phasen ganz ganz extrem) nervt mich das auch sehr – ich sage dann aber meist auch nichts. OCD ist so viel mehr als Ordnungsliebe und oft können Zwänge auch nur im Kopf vorherrschen und überhaupt nicht sichtbar sein für andere, den Betroffenen selber aber ganz krass zu schaffen machen, bis hin zu Selbstmordgedanken. Ein Zwang ist es dann, wenn die Betroffenen darunter leiden und ihr Alltag dadurch ernsthaft beeinträchtigt wird.
    Dieses „trendy“ machen von psychischen Problemen scheint mir irgendwie problematisch, weil es verkennt wie krass Betroffene tatsächlich darunter leiden.

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  3. Pingback: Cherry Picks #43 - amazed

  4. Julia Carevic Artikelautorin

    Ihr Liebe, danke für eure Kommentare und eure Offenheit <3
    Ich verstehe euch wahnsinnig gut, denn oftmals geht es mir nicht anders, wenn ganz plötzlich mit Begriffen wie Angststörung oder Depressionen um sich geworfen wird, um Zustände zu beschreiben, die mit psychischen Krankheiten gar nichts zu tun haben. Oft bin ich auch still, meist, weil ich nicht unbedingt jedem von meinen Problemen erzählen möchte, allerdings versuche ich jenen Menschen mittlerweile zu erklären, warum solche Aussagen verletzend und problematisch sein können. Das ist ganz sicher nicht einfach, aber ich glaube, dass es wichtig ist, sich zu überwinden, denn es bringt andere im besten Fall dazu, darüber nachzudenken, es zu verstehen und es beim nächsten Mal vielleicht (bzw. hoffentlich) nicht mehr zu sagen.

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