Emma Watson über ihre neue Rolle als Nachhaltigkeitsbeauftragte in der Mode: “Diese Arbeit ist ein Staffelmarathon, kein Sprint”

02.07.2020 Mode

Seit Emma Watson durch die “Harry Potter”-Reihe weltberühmt wurde, ist sie sowohl durch ihre Arbeit auf, als auch abseits des Bildschirms aufgefallen. Die Schauspielerin wurde 2014 zum “UN Women Goodwill Ambassador” ernannt, im selben Jahr forderte der Star in ihrer berühmten “HeForShe”-Rede in den UN-Headquarters Männer auf, für die Gleichstellung der Geschlechter einzutreten. Sie spielte auch eine führende Rolle in der “Time’s Up”-Bewegung, die 2018 ihren Anfang nahem und ein Ende der sexuellen Belästigung in Hollywood fordert.

Nun hat Watson ihrem beeindruckenden Lebenslauf eine neue Rolle hinzugefügt und ist in den Aufsichtsrat des Gucci-Mutterkonzerns Kering eingetreten. Die 30-Jährige wird als Vorsitzende des “Sustainability Committee” des Aufsichtsrats fungieren – eine passende Position für die Schauspielerin, die sich seit langem für umweltfreundliche Mode interessiert und einsetzt.

“Für mich geht es bei Nachhaltigkeit um die Auswirkungen des heutigen Handelns auf unsere gemeinsame Zukunft”, sagt uns Watson. “Als jüngstes Vorstandsmitglied von Kering hoffe ich, Entscheidungen beeinflussen zu können, die sich auf künftige Generationen und die Welt, die wir ihnen hinterlassen, auswirken werden.”

Watson hat in der Vergangenheit regelmäßig auch auf dem Red Carpet Statements für nachhaltige Mode gesetzt, trug bei der Met Gala 2016 etwa ein Kleid von Calvin Klein aus recycelten Plastikflaschen und wählte für ihre Pressetour für “Die Schöne und das Biest” 2017 ausschließlich umweltfreundliche Optionen. Sie ist außerdem eine Befürworterin der App Good On You, die bewertet, wie ethisch verträglich verschiedene Brands sind, und war 2018 Gastredakteurin der Nachhaltigkeits-Issue der australischen VOGUE.

Nur logisch, dass sie sich nun mit Kering zusammenschließt – das Unternehmen hat bereits Nachhaltigkeitsbemühungen in der Mode unternommen, im vergangenen Jahr angekündigt, dass es seine eigenen Betriebe und seine Lieferkette klimaneutral machen werde, und den G7 “Fashion Pact” angeführt, bei dem sich (mittlerweile) 65 Brands auf Verpflichtungen zur Eindämmung des Klimawandels, zur Verbesserung der Artenvielfalt und zum Schutz unserer Ozeane geeinigt haben.

Hier erzählt Watson mehr über ihre neue Rolle bei Kering und was nachhaltige Mode für sie bedeutet.

Warum haben Sie sich entschieden, diese neue Rolle bei Kering anzutreten?

Wie die Covid-19-Krise gezeigt hat, ist Nachhaltigkeit ein dringendes Thema, das eng mit Fragen der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung von Frauen, BIPoC, sowie der Umwelt einhergeht. Die Arbeit, die Kering leistet [um Nachhaltigkeit in der Mode zu fördern], fühlt sich wichtiger denn je an, und ich bin sehr dankbar, dass ich mich diesen Bemühungen anschließen und ein Unternehmen unterstützen kann, das zeigt, dass es diese Verantwortung ernst nimmt. Ich freue mich darauf, Kering dabei zu helfen, das Tempo [seiner] Arbeit weiter zu beschleunigen und auf dem aufzubauen, was es bereits tut. Ich bin außerdem extrem gespannt auf die Zusammenarbeit mit Kerings Stiftung für Frauenrechte. Ich freue mich einfach immer, zu lernen.

Warum ist Nachhaltigkeit in der Mode so wichtig für Sie?

Ich interessiere mich für Nachhaltigkeit in der Mode, seit ich mich während der Presseausflüge und Werbetouren für “Harry Potter” erstmals richtig mit Mode beschäftigen musste. Das fing schon mit 12 Jahren an. In der Schule interessierte ich mich, betreut von einem/r wirklich inspirierenden ErdkundelehrerIn besonders für Fair-Trade-Mode und erneuerbare Energiequellen. Dies führte 2010 zu einer Reise nach Bangladesch mit der nachhaltigen Marke People Tree.

Mir wurde damals klar, dass Nachhaltigkeit in der Mode ein kritisches Thema ist, wenn man bedenkt, was für schädliche Auswirkungen die Industrie auf die Umwelt, die Rechte der ArbeitnehmerInnen und den Tierschutz haben kann. Es ist auch ein feministisches Problem. Es wird geschätzt, dass rund 80 Prozent der weltweit in der Bekleidungsindustrie beschäftigten Menschen Frauen zwischen 18 und 35 Jahren sind.

Zu diesem noch nie dagewesenen Zeitpunkt in der Geschichte müssen wir große Entscheidungen treffen und Maßnahmen ergreifen, um das, was wir tun und wie wir es tun, positiv neuzuerfinden und umzugestalten. Es fühlt sich an wie eine aufregende Zeit, eine solche Gelegenheit genau dann zu bekommen, wenn sich die Dinge ändern könnten. Als ich zum Beispiel letztes Jahr sah, dass Kering ankündigte, die Gruppe werde innerhalb ihrer eigenen Betriebe und entlang ihrer gesamten Lieferkette kohlenstoffneutral werden, mit der Priorität, Treibhausgasemissionen erst zu vermeiden, dann zu reduzieren und dann auszugleichen, habe ich aufgehorcht!

[typedjs]Fragen der Gerechtigkeit, Fairness und Gleichberechtigung sind der Schlüssel zu dem, was Nachhaltigkeit bedeutet.[/typedjs]

Emma Watson wearing archive Ralph Lauren at the 2018 Vanity Fair Oscar Party. © Photography Getty Images

Es gibt viele verschiedene Vorstellungen darüber, was Nachhaltigkeit tatsächlich bedeutet. Was bedeutet sie für Sie?

Ich verstehe Nachhaltigkeit als die Wechselbeziehung zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft, Wirtschaft und Umwelt. Fragen der Gerechtigkeit, Fairness und Gleichberechtigung sind der Schlüssel zu dem, was Nachhaltigkeit bedeutet – ob es sich nun um Umweltgerechtigkeit und die Auswirkungen der Modeindustrie auf unseren Planeten handelt oder um die Rechte der ArbeitnehmerInnen und die Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Familien, sich selbst zu versorgen.

Wie hängt diese neue Rolle bei Kering mit Ihrer sonstigen Arbeit zusammen?

Während dieser Pandemie hatte ich, wie viele von uns, Zeit, über die Arbeit nachzudenken, in die ich involviert sein möchte, und was für mich in Zukunft von Bedeutung ist. Nachdem ich durch das Drehen von Filmen so sehr in der Öffentlichkeit stand und auf sozialen Plattformen mit meinem Aktivismus so aktiv war, bin ich neugierig auf eine Rolle, in der ich mich dafür einsetze, mehr Stimmen Gehör zu verschaffen, weiter von Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen zu lernen (von TextilarbeiterInnen über DesignerInnen bis hin zu FirmenchefInnen) und dafür zu sorgen, dass ein breiteres Spektrum an Perspektiven berücksichtigt wird. Ich hoffe, dass ich jetzt hinter den Kulissen dazu beitragen kann, etwas zu bewegen.

Wenn die Leute eine neue Stille meinerseits bemerken, bedeutet das nicht, dass ich nicht mehr da bin oder dass es mir egal ist! Ich werde meine Arbeit einfach anders machen – weniger Red Carpets und mehr Konferenz-Meetings! Dies ist ein einzigartiger Moment in der Geschichte, und ich will die sich daraus ergebende Gelegenheit für Veränderungen ergreifen. Wie mein Freund [der Künstler und Gelehrte] Dr. Fahamu Pecou sagt – diese Arbeit ist ein Staffelmarathon, kein Sprint, und ich weiß, dass ich auf lange Sicht dabei sein möchte und am richtigen Ort sein möchte, wenn es Zeit ist, meine Staffel zu laufen.

Letztes Jahr war ich Teil des von Präsident Macron einberufenen G7 Gender Equality Advisory Council, und obwohl sich unsere Empfehlungen in dem Fall an Staaten richteten, spielen Unternehmen zweifellos eine enorm wichtige Rolle, wenn es darum geht, Veränderungen voranzutreiben. Deshalb hoffe ich, Möglichkeiten zu finden, damit Modeunternehmen ihre Macht nutzen können, um zur Schaffung einer gerechteren und gleichberechtigten Gesellschaft für Menschen aller Geschlechter beizutragen.

Als Teil der “Time’s Up”-Bewegung haben wir uns intensiv dafür eingesetzt, dass alle Arbeitsplätze sichere Orte für Frauen sind. Nachdem ich schreckliche Geschichten über Misshandlungen und Einschüchterungen in vielen Branchen gehört habe, möchte ich sicherstellen, dass die Beschäftigten in der gesamten Mode-Lieferkette ihre Arbeit ohne Angst und Einschüchterung verrichten können und dass neue Regelwerke wie die Violence and Harassment Convention der International Labour Organisation vor Ort in den Fabriken und in den Läden spürbar werden. Viele der Organisationen, die ich im Laufe der Jahre unterstützt habe, arbeiten mit TextilarbeiterInnen, Landwirtinnen und anderen im Textilhandel, und ich hoffe, dass ich in meiner neuen Rolle das, was ich von diesen Stimmen gelernt habe, weitergeben kann. Ich habe viel mit Wohltätigkeitsorganisationen gegen häusliche Gewalt hier in Großbritannien und darüber hinaus zusammengearbeitet, und während des Covid-19-Lockdowns haben die Anrufe bei diesen Diensten in vielen Ländern stark zugenommen. Deswegen bin ich auch sehr daran interessiert, mit Kerings Foundation zusammenzuarbeiten und herauszufinden, wie wir den Herausforderungen begegnen können, mit denen Organisationen gegen geschlechtsspezifische Gewalt in diesen schwierigen Zeiten konfrontiert werden

Gibt es in der Modebranche bestimmte Probleme, die Sie besorgen?

Es gibt so viele – von der Art und Weise, wie Modemarketing das Körperbild junger Mädchen beeinflussen kann, bis hin zum Grad der Wasserverschmutzung durch Denim-Brands. Covid-19 hat offensichtlich einen enormen Einfluss auf die Nachfrage nach Bekleidung gehabt, und es beunruhigt mich, dass nicht alle Unternehmen gegenüber den Fabriken und ArbeiterInnen in diesen schwierigen Zeiten verantwortungsbewusst handeln, da viele Aufträge stornieren oder Preissenkungen für bereits hergestellte Kleidung fordern. Glücklicherweise hat Kering alle seine Verpflichtungen während der Pandemie eingehalten.

Im Moment haben sich die Brands überstürzt, ihre Solidarität mit der “Black Lives Matter”-Bewegung auszudrücken, aber wir müssen sicherstellen, dass dies nicht rhetorisch ist und dass die Industrie in Sachen Repräsentation und Inklusion reinen Tisch macht. Es gibt immer noch riesige Probleme mit Diskriminierung am Arbeitsplatz, Probleme damit, wie Schwarze Talente in Führungspositionen und kreativen Rollen repräsentiert werden, wie Schwarze Menschen in Marketingmaterialien und den Modemedien dargestellt werden und so weiter. Also ja, es gibt so viele besorgniserregende Themen, aber es fühlt sich auch an, als gäbe es eine echte Chance für ungemütliche Gespräche, radikale Entscheidungsfindung und dauerhafte Systemveränderungen – sei es in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit oder Racial Justice. 2020 war für so viele Menschen bis jetzt ein hartes Jahr, und es wird viel darüber geredet, “zur Normalität zurückzukehren”. Aber es wird immer deutlicher, dass “normal” für so viele Menschen in unserer Gesellschaft nicht funktioniert hat.

– Dieser Text von Emily Chan ist ein Auszug und stammt aus unserer VOGUE COMMUNITY. Den gesamten Artikel könnt ihr bei der deutschen Vogue lesen.  –

Emma Watson über ihre neue Rolle als Nachhaltigkeitsbeauftragte in der Mode: “Diese Arbeit ist ein Staffelmarathon, kein Sprint”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr von

Related