5 Dinge, von denen ich vor 2020 nicht glaubte, sie je besitzen zu wollen

19.11.2020 Leben, Kolumne

Zugegeben, in diesem Jahr gab es bisher so eine ganze Reihe an Dingen, die ich in Kisten hätte verstauen können — zumindest, wenn es nach der Häufigkeit, in der ich sie benutze, ginge. Allem voran wäre da meine Haarbürste (weshalb ich zuweilen eher so aussehe) oder aber der Reiseföhn, der nach fünf Minuten ohnehin kollabiert und merkwürdig verbrannt riecht. Meine Kleidung sowie mein Make-up werden hingegen immer wahnwitziger, wohl, weil es in den eigenen vier Wänden dann eben doch egal ist, wenn der Lippenstift verrutscht oder die Puffärmel so riesig sind, dass man nicht mehr nur durch die Türen der S-Bahn passt — ist ja schließlich irgendwie auch eine schöne Übung für den Ernstfall, also wenn man dann doch irgendwann mal wieder unter größere Menschenmengen gehen darf, falls man das dann überhaupt noch möchte (was ich in meinem Fall ab und zu hinterfrage, weil ich in der Zwischenzeit gleichermaßen schrulliger als auch menschenscheuer geworden bin). 

Jedenfalls wanderten in den vergangenen Monaten statt netten Reiseführern und haufenweise allergikergeeigneter Sonnencreme ganz andere Dinge auf meine Wunschliste. Eben solche, von denen ich vor 2020 nie glaubte, sie jemals besitzen zu wollen — zum Beispiel diese fünf Exemplare: 

1. Eine Heizdecke 

Ich weiß, ich weiß, Berliner Altbauwohnungen sehen auf Fotos stets so unfassbar romantisch, verträumt, ja zuweilen sogar majestätisch aus, dass auch ich — blind vor Liebe — in eine einzog und seither jeden Winter über dicke Fäustlinge nachdenke, während ich meinen eigenen Atem an mir vorbeiziehen sehe. Dank Corona-Homeoffice träume ich jetzt auch nicht mehr bloß nachts von wollig warmen Heizdecken, von wegen, der Wunsch festigt sich nämlich primär, während ich am Schreibtisch sitze und meine Füße in gepflegter Riverdance-Manier bewege, um mich künftig nicht à la Reinhold Messner von der Hälfte meiner Fußzehen verabschieden zu müssen. Die mehr oder minder schönen Decken gibt es jedenfalls zumeist aus flauschigen Stoffen, die jedes Haar bis zum Himmel elektrisieren und in sämtlichen Farbvarianten, die vom pastelligen Schweinchenrosa bis hin zum edlen Elefantengrau reichen. Mein derzeitiger Favorit: Die grau-braune Variante samt langen Ärmeln, die aus mir ein riesiges, dafür aber mächtig warmgehaltenes, Flughörnchen machen würde.

2. Eine sich drehende LED-Discokugel

Manche Menschen träumen seit ihrer Kindheit ja von solch großartigen Dingen wie einem fliegenden Pferd, einer einsamen Insel oder rohem Kuchenteig en masse — ich persönlich träume von einer sich drehenden LED-Discokugel. Ja, ganz recht. Bereits mit 8 Jahren blickte ich im Partykeller meiner besten Freundin mit offenem Mund und faszinierten Augen auf die kleine Kugel, die den gesamten Raum in Rot, Grün und Blau tauchte, während alle anderen zu irgendeinem musikalischen Krachersong der frühen Backstreet Boys tanzten. Und was soll ich sagen, in diesem Jahr werden Wünsche wahr, denn meine diesjährige Silvesterparty plane ich bereits jetzt in großer Manier: Ehrengästin bin natürlich ich selbst, eingequetscht zwischen Couchtisch und Sofa (so viel Platz muss sein), dafür aber gehüllt in feinstes Discokugellicht, während mein einziger Gast (mein Freund) fleißig an der Hausbar arbeitet und meinen Sekt mit kleinen, gefrorenen Himbeeren dekoriert. Das Motto: Year 3000, life on Mars — irgendwie scheint diese Flucht nach vorn’ jetzt nämlich das einzig Richtige zu sein.

3. Oberteile, die auch ohne Hose funktionieren

Hätte mir jemand zu Beginn des Jahres erzählt, es käme einmal eine Zeit, in der es wirklich scheißegal ist, ob ich während eines Meetings eine Hose trage oder nicht, so hätte ich jener Person für mindestens drei Stunden den Scheibenwischer gezeigt und dabei vor Lachen ein bisschen geweint. Was soll ich sagen, Zeiten ändern sich, oder zumindest dich, denn irgendwie ist es mir zuweilen tatsächlich egal, was da so während eines digitalen Meetings unter dem Schreibtisch vor sich geht — jedenfalls so lange ich nicht aufstehen muss. Dann nämlich wäre es gut, ein Oberteil zu haben, das möglichst auch ohne Hose funktioniert und reichlich überzeugend vom Unheil ablenkt. Meine Empfehlungen: Puffärmel bis zum Mond, Rüschen, die bei jeder hauchzarten Bewegung unkontrolliert vor sich hin wippen und grelle Neonfarben, die das Gegenüber blenden. Und wenn all das nicht hilft, gibt’s ja noch die allerletzte Notmaßnahme: Masken à la Maison Margiela Fall 2012 Haute Couture, die kann man je nach Bedarf nämlich auch mit funkelnden Strasssteinchen bekleben und die übertönen bekanntermaßen ja so ziemlich jede andere Wahrnehmung.

4. Eine Cocktailbar in meiner Küche

Zugegeben, dass ich mit einer hauseigenen Bar liebäugle, ist ja bereits bekannt, immerhin träumte ich schon zu Beginn der Pandemie von hübschen Aperitifs, die ich meinen imaginären Gäst*innen servieren kann, während diese entzückt in kleinen oder großen Coffee Table Books blättern. In Anbetracht des bevorstehenden Jahresendes, das nach neuer Corona-Zeitrechnung heute, übermorgen oder in zwei Monaten stattfinden kann, und meiner damit verbundenen Zwei-Personen-Party verfestigt sich mein Wunsch jede Stunde ein wenig mehr. Endlich mal wie Tom Cruise in „Cocktail“ die Shaker schwingen, mit Flaschen um mich schmeißen und am Ende einfach alles mit einem kleinen Schirmchen garnieren, ganz gleich, ob mir die Schnapsflasche über meiner Mischung mal wieder ein bisschen ausgerutscht ist oder ich im Supermarkt nur die letzte Packung mit halbzerdrückten Beeren erwischt habe. Ja, so eine kleine Bar, auf der ein frecher Name steht oder zumindest irgendeine Frucht abgebildet ist, die hat mir im Jahr 2020 gerade noch gefehlt.

5. Fototapeten mit Stadt- und Strandmotiven

So richtig verstanden habe ich Fototapeten ehrlicherweise nie, zumindest bis jetzt, denn neuerdings verspüre auch ich den Drang, auf New Yorks Wolkenkratzer oder Londons rote Doppeldeckerbusse zu starren, während ich selbst noch immer im Schlafanzug in meinen eigenen vier Wänden stehe, denn, Hallo Wirklichkeit, das ist nun einmal der Ort, an dem ich aktuell die meiste Zeit verbringe. Und was spricht schon dagegen, morgens auf eine kleine Tapete voll Strand zu gucken, selbst wenn sich diese an der ein oder anderen Ecke hässlich wellt, weil ich beim Anbringen glaubte, meine Motivation alleine würde reichen, um eine gesamte Wand gleichmäßig zu tapezieren (an dieser Stelle möchte ich all die inspirierenden und motivierenden Instagram Zitate, die ich mir eifrig speicherte, herzlich grüßen). Bei mir jedenfalls stehen Tokyo und Paris derzeit hoch im Kurs, bleibt bloß noch eine Frage: Gibt es auch Diffuser mit Großstadt-Geruch?

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8 Kommentare

  1. Lena

    Ich muss auch sagen, Julia, ich finde dich hier so eine Bereicherung und du schreibst ganz besonders in letzter Zeit so trocken und treffend! Ich freu mich immer richtig über deine Artikel!

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  2. Frau Auge

    Große Liebe für diesen Artikel – und DANKE für den Gebrauch des Wortes „schrullig“, ist bei mir in diesem Jahr auch hoch im Kurs als Selbstbezeichnung.

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  3. Christina

    ich stimme zu, ein mega cooler Artikel! Und auch bei deinen anderen Artikeln, liebe Julia, merkt man, wie viel Herzblut du hinein steckst. Du hast wirklich deinen eigenen Stil und er ist ganz besonders :* bitte mehr davon :*

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  4. Liaydia

    Ich war schon lange nicht mehr auf der Seite und nach den ersten Zeilen war mir klar, ein ganz ganz wunderbarer Text. Auch in mir haben sich Wünsche/ Träume gefestigt: ein focaccia mit milchreisbelag essen, meine Zähne bleichen (???!) und am allerwichtigsten eine Kutsche angezogen von 3 weißen Ziegen ( ich weiß nicht ob sich das moralisch ganz ausgeht, aber mit chronischer erkrankung würde ich das allemal besser finden als später vielleicht mal im rollstuhl ).

    Wie schön, dass du so offen über deine Träumereien schreibst. Du bist für mich in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderer Mensch! Bist du künstlerisch tätig ( also in der bildenden kunst)?
    Dein Text war das schönste und motivierendste was ich seit einem halben Jahr gelesen habe. Danke!

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